Sommerhaus & Co.: Warum Reality-Shows schlecht für die Zuschauer sein können

Reality-Shows haben nicht gerade den besten Einfluss auf den Zuschauer. (Bild: Getty Images)
Reality-Shows haben nicht gerade den besten Einfluss auf den Zuschauer. (Bild: Getty Images)

Reality-Shows sind beliebter denn je: Die Zuschauer freuen sich bei „Das Sommerhaus der Stars“ oder ähnlichen Shows über leicht bekleidete Selbstdarsteller und vorprogrammierte Dramen vor laufenden Kameras. Doch was für eine Wirkung hat das auf die Zuschauer und die Reputation der Teilnehmer?

Reality-Shows haben das Fernsehprogramm vor knapp zwei Jahrzehnten grundlegend verändert, im Jahr 2000 ging erstmals die Show „Big Brother“ in Deutschland an den Start. Bei dem Format mussten es mehrere Teilnehmer drei Monate lang in einem engen Wohncontainer miteinander aushalten – umgeben von Kameras. Das Voyeur-Fernsehen war erfunden und ein Riesenerfolg.

Heutzutage werden die beliebten TV-Formate gern mit teils prominenten Gesichtern aufgemischt, um eine größere Zuschauergruppe anzusprechen. Aktuell im Programm ist „Das Sommerhaus der Stars“: Promipaare ziehen in ein Haus und lassen sich Tag und Nacht von Kameras bei Challenges und bösen WG-Streitereien filmen – und wofür?

Medienpädagoge Michael Gurt weiß es: „Bei solchen Formaten steht die mediale Aufmerksamkeit im Vordergrund, das ist die Währung, die da zählt“, erklärt Gurt, der am JFF – Institut für Medienpädagogik in München arbeitet.

Im Mittelpunkt der RTL-Show standen vor ihrem Auszug Mallorca-Entertainer Jens Büchner („Goodbye Deutschland! Die Auswanderer“) und seine Frau Daniela Büchner. Sie waren feindselig, voller Neid und erzählten regelmäßig Notlügen, um sich vor der Konkurrenz nach einem misslungenen Spiel nicht die Blöße geben zu müssen. Doch egal, wie böse die Beleidigungen in der Show werden – die Zuschauer lieben die regelmäßige Eskalation in der Gruppe, sehen die Stars gern leiden und diskutieren darüber ausgiebig mit der wachsenden Fan-Gemeinde auf Twitter.

Negative Konsequenzen für die Show-Teilnehmer

Und was haben die Teilnehmer von ihren Darbietungen vor der Kamera? Im schlimmsten Fall schaden sie mit ihrem Auftritt ihrem (guten) Ruf, im besten Fall gewinnen sie mit einer provokanten Darbietung die Show und etwas Geld.

Obwohl Teilnehmer der Show sicherlich eine gute Gage kriegen, kann es für sie am Ende auch böse ausgehen. Stephanie Schmitz, die aktuell im „Sommerhaus der Stars“ bei RTL zu sehen ist, war 2017 durch die RTL2-Show „Love Island“ bekannt geworden. Vor den Dreharbeiten hatte sie einen Job als Krankenschwester. Nach der Datingshow war sie arbeitslos. Gegenüber der „Bild“-Zeitung hatte sie damals gesagt: „Ich arbeite derzeit nicht als Krankenschwester, da die Zeit bei ‚Love Island‘ sehr aufregend und auch anstrengend war.“ Die zwei Wochen Party auf Mallorca sind ihr nicht gut bekommen? Oder war es eher der alte Arbeitgeber, der keine Lust mehr auf eine Mitarbeiterin hatte, die sich im TV etwas zu freizügig präsentierte und sogar beim Sex filmen ließ? Negative Konsequenzen wie eine Kündigung beim Job oder ein ruinierter Ruf werden von einigen Menschen in Kauf genommen.

„Für den Ruhm lassen manche Stars einiges über sich ergehen“, erläutert Gurt weiter. „Es geht darum, in den Schlagzeilen zu sein und dafür nehmen sie alles in Kauf – auch lächerlich gemacht zu werden. Ich denke nicht, dass die Leute, die da mitmachen, dumm sind. Sie haben ein Management an ihrer Seite und wägen einfach genau ab, ob sie sich durch den Kakao ziehen lassen – dafür kriegt man dann mehr Klicks in den Netzwerken und im Zuge dessen mehr Werbeverträge. Oft ist es ja auch so, dass die C-Prominenten dann weitergereicht werden, zum Dschungelcamp oder zu irgendeiner Dancing-Show. Das ist so ein System, das sich selbst am Leben hält und wo die Teilnehmer innerhalb dieses Formats rumgereicht werden.“

Dass die Zuschauer, jung und alt, dadurch aber eine falsche Botschaft vermittelt bekommen, kritisiert auch Gurt. „Von Rezipientenseite sehe ich das schon sehr problematisch, weil die Botschaft ganz klar ist: Um in den Medien präsent zu sein, tut man alles. Und diese Schadenfreude und der Voyeurismus von Seiten der Zuschauer wird dabei bedient. Meiner Meinung nach ist das diskussionswürdig.“

Beim „Sommerhaus der Stars“ lassen die Teilnehmer für eine gute Schlagzeile viel mit sich machen. (Bild: MG RTL D / Stefan Menne)
Beim „Sommerhaus der Stars“ lassen die Teilnehmer für eine gute Schlagzeile viel mit sich machen. (Bild: MG RTL D / Stefan Menne)

Reality-Fernsehen macht aggressiv

Reality-TV hat viele negative Auswirkungen. Eine Studie aus den USA hat sogar gezeigt, dass Reality-Shows den Zuschauer aggressiv machen können. Die Wirkung sei demnach sogar stärker als bei brutalen Gewaltszenen in fiktionalen Fernsehproduktionen. Die Zuschauer glauben bei Reality-Shows, dass sie ein reales Verhalten erleben. In solchen Shows werden, laut Studien der Brigham Young University in Utah, oft auch mehr aggressive Handlungen vorgeführt als in fiktionalen Fernsehsendungen: Körperliche und verbale Angriffe werden reichlich gezeigt, Opfer dabei verspottet. Vieles wirkt durch die Laien, die dort mitwirken, für den Zuschauer ganz normal. Aber hier besteht die Gefahr, dass Erwachsene und vor allem Kinder oft nicht mehr Fiktion von Realität unterscheiden können.

Auch Gurt zweifelt dieses TV-Format an: „Gerade unter dem Blickwinkel, dass auch jüngere Kinder und Jugendliche zugucken, sollte man sich schon überlegen, welche Vorstellungen und welches Weltbild vermittelt werden. Ich sehe das schon kritisch.“

TV-Shows wie zum Beispiel „Frauentausch“ oder „Schwiegertochter gesucht“ wird oft unterstellt, dass sie für eine gute Quote ihre Teilnehmer gern ins Lächerliche ziehen. Was war eigentlich noch gleich Menschenwürde? Es scheint oft so, als ob für eine gute Szene jeglicher Respekt vor dem Menschen, der dort gezeigt wird, verloren geht.

Was genau fasziniert Menschen denn an diesen TV-Formaten? „Da gibt es unterschiedliche Theorien. Ein Teil ist sicher die Motivation, sich lustig zu machen über Menschen, gerade wenn die bekannt sind, vielleicht auch ein Stück sich über die zu erheben, und zu sagen: ‚Schaut mal an, wie blöd die sich im Alltag und im Umgang miteinander anstellen‘“, so der Medienexperte Gurt. „Der Zuschauer kann dann von sich sagen: ‚So blöd würde ich mich nie anstellen‘, da wird auch das eigene Selbstwertgefühl mit aufpoliert – das könnte ein Aspekt sein. Der andere Teil ist einfach Unterhaltung, ob unter der Gürtellinie oder nicht, spielt dabei vielleicht gar nicht immer eine große Rolle.“

Positive Beispiele für Reality-Shows

Dabei gibt es auch gelungene Beispiele für Reality-Shows: Auf Netflix läuft die amerikanische Show „Queer Eye“. In dieser Sendung geben fünf schwule Männer Menschen einen Schubs in die richtige Richtung, indem sie ihnen Tipps zu den Themen gesunde Ernährung, Lifestyle, Look und Wohnen geben. Sie reißen die Kandidaten aus ihrem tristen Alltag, schenken ihnen neues Selbstbewusstsein und zeigen ihnen, wie sie ihr Leben in den Griff bekommen können. Die „Fab Five“ zeigen Empathie, wirken sympathisch, weinen ehrliche Tränen mit den Teilnehmern, erzählen von ihren Erlebnissen und vermitteln dabei dem Zuschauer sogar noch, dass dieser durch wenig Aufwand und Durchhaltevermögen sein Leben verbessern kann. Die Show bietet interessante Themen und gute Unterhaltung, ohne das Leid und den Kummer der Teilnehmer dabei in den Mittelpunkt zu zerren. Vielleicht ist sie neben den ganzen Standard-TV-Formaten gerade deswegen so beliebt.