Studie: Belohnt Instagram nackte Haut?

Bilder, auf denen Frauen in Bikinis und Männer oberkörperfrei zu sehen sind, werden einer aktuellen Studie zufolge auf Instagram bevorzugt. Das European Data Journalism Network (EDJN) hat dazu gemeinsam mit der gemeinnützigen Organisation Algorythmwatch 2.825 Beiträge mit insgesamt 3.351 Bildern auf dem sozialen Netzwerk ausgewertet.

Selfies mit freiem Oberkörper: Das kommt bei Instagram wohl besonders gut an. (Symbolbild: gettyimages / piola666)
Selfies mit freiem Oberkörper: Das kommt bei Instagram wohl besonders gut an. (Symbolbild: gettyimages / piola666)

Für die Untersuchung haben die Forschenden zwei Gruppen gebildet. Einerseits professionelle Instagram-Nutzerinnen und -Nutzer, die mit ihren Beiträgen auf dem sozialen Netzwerk Geld verdienen. Indem sie beispielsweise eine eigene Dienstleistung bewerben, auf einen Online-Shop verlinken oder direkt gesponserte Beiträge veröffentlichen. Das waren insgesamt 46 „Professional-Accounts“, dahinter standen 31 Frauen und 15 Männer aus zwölf verschiedenen Ländern.

Die zweite Gruppe bildeten 31 Freiwillige, die regelmäßig Instagram nutzten – die „Daten-Spender und -Spenderinnen“. Sie wurden von den Forschenden gebeten, ein Browser-Plugin zu installieren, das regelmäßig ihre Instagram-Aktivitäten aufzeichnete und anonymisierte. Im Fokus standen dabei die zwölf sogenannten Top-Beiträge auf ihrem Newsfeed, sprich: Welche Fotos bekamen die Freiwilligen besonders prominent von Instagram angezeigt, wenn sie die App öffneten.

Für diese Reihenfolge ist ein Algorithmus zuständig, der sich laut Instagram (das zu Facebook gehört) an den Vorlieben der Nutzer und Nutzerinnen orientiert und somit ein personalisiertes Nutzen ermöglicht.

Die Ergebnisse der Studie des EDJN und von Algorythmwatch legen nun aber nahe, dass nicht nur die eigenen Interessen den Newsfeed beeinflussen. Sondern dass der Faktor „nackte Haut“ Instagram Fotos höher bewerten und öfter darstellen lässt. Die Forschenden haben dazu sämtliche Beiträge, die die Professionals zwischen dem 31. Januar und dem 20. Mai veröffentlicht haben mit den Beiträgen verglichen, die den Freiwilligen im gleichen Zeitraum angezeigt wurden.

Weniger Kleidung, mehr Likes?

Eine Bilderkennungssoftware (Google Vision) hat zudem sämtliche Bilder auf zwei Kennzeichen hin untersucht: Nacktheit („nudity“) und gewagte Erscheinung („raciness“). „Nudity“ bedeutete beispielsweise, wenn auf Fotos Frauen in Unterwäsche oder im Bikini zu sehen waren und Männer mit nacktem Oberkörper. Die Bilderkennungssoftware schlug bei „raciness“ an, wenn sie „knappe oder kurze Kleidung“ oder „anzügliche und provokative Posen“ erkannte.

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Die These der Forschenden: Wenn der Instagram-Algorithmus nur auf den persönlichen Geschmack der Nutzer und Nutzerinnen achtet und den Newsfeed entsprechend sortiert, sollte prozentual eine ähnliche Anzahl von Bildern mit nackter Haut bei den Freiwilligen zu sehen sein, wie sie die Professionals produziert haben. Das war nicht der Fall.

Die Ergebnisse: Im Untersuchungszeitraum waren 38,5 Prozent der Professionals-Bilder „racy“. Die Bilder tauchten aber zu 48,3 Prozent in den Top-Ergebnissen der Newsfeeds der Daten-Sammler und -Sammlerinnen auf. Ähnlich bei „nudity“. Während hier Bilder der Professionals zu 13,3 Prozent Frauen in Bikinis oder Unterwäsche und Männer mit nacktem Oberkörper zeigten, tauchten die Bilder zu 20,8 Prozent bei den Freiwilligen auf. Ein statistisch signifikanter Anstieg von 56 Prozent.

Studie soll erweitert werden

Sämtliche Zahlen aus der Studie sind hier zu finden. Hier gibt es die entsprechende Pressemitteilung dazu. In beiden Veröffentlichungen unterscheiden sich jedoch manche Ergebnisse. Das könnte statistische Gründe haben, um die Ergebnisse im Nachhinein robuster zu machen. Oder es wurden aus einem unersichtlichen Grund andere Zahlen an die Öffentlichkeit kommuniziert, als im Studienergebnis festgehalten.

Die Forschenden schränken ihre Ergebnisse zudem ein: Von den ursprünglich 31 Freiwilligen haben zunächst nur 26 überhaupt Daten übermittelt. Damit sind wenige Freiwillige für eine große Datenmenge verantwortlich und deren ganz persönliches Verhalten und ihre Vorlieben können somit die Analyse beeinflussen. Zudem ist das Ergebnis ähnlich für die meisten Freiwilligen, nicht aber für alle. Bei „einer kleinen Minderheit“ ähnelte sich die Verteilung bei den Fotos, die den Freiwilligen angezeigt und die von den Professionals veröffentlicht wurden. Deshalb soll die Studie nun auch erweitert werden, dazu suchen die Forschenden Freiwillige.

Zudem haben sie auch Facebook um eine Einordnung ihrer Ergebnisse gebeten. In der Antwort von Facebook heißt es: „Die Studie ist in vielerlei Hinsicht unzulänglich. Wir ordnen die Fotos in dem Instagram-Newsfeed nach Inhalt und Interessen an, nicht nach willkürlichen Faktoren wie Badebekleidung.“

Dass das nicht wahr sein muss, zeigen die Forschenden des EDJN und von Algorythmwatch anhand eines Patents, das Facebook vor Jahren angemeldet hat. Darin heißt es, dass jedes Foto, das auf einem Instagram-Newsfeed auftaucht, vorher einen Wert bekommt. Der Wert ist für jede Nutzerin und jeden Nutzer anders, er ist personalisiert und berechnet sich aus bisherigen Interessen und Likes.

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Andererseits heißt es in dem Patent aber auch, dass der Wert durch weitere Faktoren beeinflusst werden kann: Dazu zählen „Geschlecht, Ethnie und ‚state of undress‘ (wie unbekleidet ist die Person auf dem Foto)“.

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Offiziell ist Nacktheit auf Instagram verboten, entsprechende Fotos werden gelöscht. Dennoch werden laut Studie Fotos mit nackter Haut höher bewertet und öfter dargestellt. Das bringt weitere Fragestellungen für die Forschenden mit sich. Etwa: Ist es notwendig für Professionals auf Instagram, ihre Unternehmen mit nackter Haut zu bewerben? Und werden dahingehend Frauen und Männer gleich behandelt? Die Zahlen aus der Studie legen zumindest einen Unterschied nahe: Frauen mit nackter Haut wurden 56 Prozent öfter angezeigt, Männer hingegen 35 Prozent häufiger. Diesen und weiteren Fragen soll nun nachgegangen werden.

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