Studie: Sorgt die Nutzung von Fruchtbarkeits-Apps für mehr Abtreibungen?
Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen, Thromboserisiko und kaum noch Lust auf Sex – viele Frauen* nehmen diese Schattenseiten der hormonellen Verhütungen nicht mehr in Kauf. Deshalb sinkt die Zahl der Personen, die auf diese Weise verhüten, auch seit Jahren: 38 Prozent der Erwachsenen verhüteten 2023 noch mit der Pille, sagt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA). Im Jahr 2007 waren es noch 55 Prozent.
Statt der Pille entscheiden sich also viele für alternative, hormonfreie Verhütungsmethoden. Derzeit sehr beliebt: Perioden-Tracking per App. Auf Basis unserer Zyklus-Daten berechnet eine App uns, wann wir potenziell fruchtbar sind und dementsprechend besonders aufpassen müssen, falls wir nicht schwanger werden wollen. Um zu messen, wie sicher eine Verhütungsmethode ist, wird der Pearl-Index berechnet. Die Verhütung mit Perioden-Apps hat einen Pearl-Index von 0,3 bis 0,7 – allerdings nur, wenn man durch die zusätzliche Messung von Temperatur genau weiß, wann die fruchtbare Phase ist und in dieser Zeit komplett enthaltsam ist. Zum Vergleich: Bei der Pille liegt der Wert bei maximal 0,9.
Mehr ungewollt Schwangere setzen auf Apps
Doch obwohl die Perioden-Apps eine so beliebte und bei richtiger Anwendung auch einigermaßen sichere Methode sind, könnten sie dazu führen, dass es mehr Abtreibung gibt. Das legt zumindest eine neue Studie aus England und Wales nahe, die vor kurzem im Fachjournal „BMJ Sexual & Reproductive Health“ erschienen ist. Fünf Jahre lang haben die Forscher*innen der Universität Edinburgh Frauen* beobachtet, die in England und Wales einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließen und sich die Zahlen des britischen Schwangerschaftsberatungsdienstes aus dem Zeitraum zwischen 2018 und 2023 angeschaut.
Dabei fiel auf: Immer mehr dieser Frauen sind von hormonellen Verhütungsmethoden auf natürliche Methoden umgestiegen und nutzen jetzt digitale Hilfsmittel wie Perioden-Apps. Dieser Trend hin zu nichthormoneller Verhütung würde sich auf der ganzen Welt zeigen, erklären die Forscher*innen. Dabei würden die Sozialen Medien eine große Rolle spielen.
70 Prozent haben überhaupt nicht verhütet
Die Zahlen in der Studie sprechen nicht unbedingt für die Verhütung per App: Von hundert Frauen, die diese Methode anwenden, werden zwei bis 23 schon im ersten Jahr ungewollt schwanger. Bei der Pille und Implantaten kommt es laut den Forscher*innen dagegen nur zu sieben ungewollten Schwangerschaften, bei der Spirale ist es durchschnittlich sogar nur eine ungewollte Schwangerschaft bei 100 Frauen. Und so wie die Zahl der App-Nutzerinnen zunimmt, steigt auch die Zahl der Abtreibungen: 2018 hatten 19 Prozent der Frauen, die einen Abbruch durchführen ließen, mit der Pille verhütet. 2023 lag die Zahl nur noch bei elf Prozent.
Und wer jetzt denkt, dass mittlerweile jeder Person klar sein muss, dass man auf Verhütung besser nicht verzichten sollte, lassen es tatsächlich immer mehr Leute darauf ankommen: Der Anteil der abtreibenden Frauen, die überhaupt keine Verhütungsmittel angewandt haben, ist deutlich gestiegen – von 56 Prozent auf 70 Prozent.
Verhütung bleibt Frauensache
Verhütung ist immer noch Frauensache – und Abtreibung sowieso. Auch in Deutschland steigt die Zahl der jährlichen Schwangerschaftsabbrüche. 2023 haben Ärzt*innen in Deutschland rund 106.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Das geht aus Zahlen des Statistischen Bundesamts hervor. Das sind 3,3 Prozent mehr Abtreibungen als im Vorjahr.
Aktuell können wir uns noch sehr glücklich schätzen, dass wir einen relativ einfachen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen haben. Auch wenn diese immer noch in Deutschland verboten sind, sind sie in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen zumindest straffrei. Aber dennoch ist jede Abtreibung ein Eingriff, der auch bestimmte Risiken mit sich bringt. Es ist ungerecht, dass Frauen alleine die Verantwortung beim Sex und später eventuell die Konsequenzen tragen müssen, nur weil wir die Wahl zwischen Methoden mit hohen Nebenwirkungen oder hohem Risiko haben.