10 Fakten: Wie seriös ist der neue Onlineshop Temu?

Alles, was Sie zur Shopping-App Temu wissen müssen

Der chinesische Onlinehändler Temu sorgt mit Niedrigpreisen für Aufsehen und führte in den USA zwischenzeitlich die App-Charts an. Doch wie seriös ist das Unternehmen wirklich?

Der chinesische Anbieter Temu lockt mit Niedrigpreisen und Games. Wie seriös ist das Unternehmen? (Symbolbild: Getty Images)
Der chinesische Anbieter Temu lockt mit Niedrigpreisen und Games. Wie seriös ist das Unternehmen? (Symbolbild: Getty Images)

In den USA sorgt Temu mit einer Vielzahl an Produkten zu extrem niedrigen Preisen für Aufsehen – dabei unterbietet das chinesische Unternehmen die Preise des Onlineriesen Amazon zum Teil deutlich. Zwischenzeitlich führte die App des Onlineshops in den Vereinigten Staaten sogar die Download-Charts an. Nun möchte der chinesische Onlinehändler auch in Europa den Markt erobern. Neben den Tiefpreisen lockt das Unternehmen vor allem auch junge Menschen mit dem Kauferlebnis – in der Form von Online-Games und gemeinschaftlichen, noch billigeren Kaufaktionen.

Doch die tiefen Preise scheinen schwere Folgen nach sich zu ziehen. Verschiedene Medien und Greenpeace schlagen wegen menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen und gefährlichen Inhalten Alarm.

Hier die 10 wichtigsten Fakten zu Temu im Überblick

Wie sich Temu rasant nach oben gearbeitet hat

Das chinesische Mode-Label Shein ("She-In") ist laut Greenpeace mit bis zu 6.000 bis 9.000 neuen Artikeln pro Tag der größte Onlineshop der Welt. Temu ("Tee-moo") möchte um diese Spitzenposition kämpfen – und bietet viel mehr als nur Textilien an. In den USA stand die App 2022 an der Spitze der Download-Charts.

Man kann sich Temu als eine Art überdimensionierten Bazar für Billigprodukte vorstellen – von Klamotten über iPhone-Hüllen und Bastelzeug bis hin zu Kameras. Das Besondere: Es gibt keinen Zwischenhändler. Techcrunch berichtet, dass die Produkte ohne Zwischenhändler direkt von der Fabrik verkauft werden.

Dieses "Dropshipping" ist möglich, weil das Unternehmen die Tochter des erfolgreichen chinesischen Onlineshopping-Giganten Pinduoduo ist. Pinduodo soll ein großes Netzwerk an chinesischen Fabriken aufgebaut haben, die Produkte schnell und extrem günstig anbieten können. Das US-Portal Techcrunch geht aber davon aus, dass diese Kampfpreise hochgradig subventioniert sind.

Wie viel Temu wert ist

Hinter Temu steht der 2015 gegründete chinesische E-Commerce-Konzern Pinduoduo. Mit sogenannten Gruppenverkäufen (mehr unter Punkt 6) soll der Konzern über den Messenger Wechat gewachsen sein.

Temu: Der Onlineshop startet in Deutschland

900 Millionen Nutzer*innen verzeichnete Pinduoduo nach eigenen Angaben Ende 2022. Gleichzeitig bietet der Konzern Produkte von mehr als elf Millionen Händler*innen und Marken an. Im Jahr 2021 erwirtschaftete das Unternehmen 14,7 Milliarden US-Dollar Umsatz und 2,2 Milliarden US-Dollar Gewinn. An der Börse ist Pinduoduo im Juni 2023 mit 92,7 Milliarden US-Dollar notiert.

So billig sind die Preise im Vergleich

Ende 2022 recherchierte das Online-Marketing-Blog Online Marketing Rockstars einige Preise der Temu-App. Angeboten wurden etwa Thermoskannen, die einer bekannten Marke ähneln, für 3 bis 7 statt für 41 US-Dollar. Adidas ähnelnde Sneaker waren ebenfalls beliebt – für weniger als 12 US-Dollar statt 180 US-Dollar.

Temu bietet vermeintlich unschlagbare Angebote an. (Bild: Google Play Store)
Temu bietet vermeintlich unschlagbare Angebote an. (Bild: Google Play Store)

Am beliebten Black Friday unterbot Temu die Preise Amazons um 10 bis 20 Prozent, die Angebote von Shein sogar um 30 bis 60 Prozent.

Kann Temu die Preise langfristig halten?

Das US-Portal Techcrunch geht davon aus, dass diese Kampfpreise aus China hochgradig subventioniert sind. Das hatte zumindest in den USA großen Erfolg. Kundinnen und Kunden wurden mit den Angeboten gelockt. Es ist allerdings fraglich, ob Temu diese Preise langfristig halten kann.

Temu bietet ein Gaming-Erlebnis

Temu bietet Shoppen als Gaming-Erlebnis an – und punktet damit gewaltig. Beispielsweise bietet Temu ein Spiel mit einem virtuellen Fisch in einem Aquarium an. Den müssen App-Nutzer*innen füttern und dafür eine tägliche Aufgabe erledigen und drei neue Nutzer*innen in die App einladen.

Darum ist Temu bei jungen Menschen erfolgreich

Die billigen Preise sind der eine Faktor. Die Geheimwaffe, so berichtet es der Deutschlandfunk, ist der Gruppenverkauf. Diese Verkaufsmethode hat bereits die chinesische Mutterfirma Pinduoduo perfektioniert. Ein Produkt wird dabei immer zu zwei Preisen angeboten: zum ursprünglichen und zu einem besonders niedrigen Preis, der aber nur freigeschaltet wird, wenn sich eine bestimmte Zahl an Käufer*innen zusammengefunden hat.

Vor allem bei jungen Leuten ist die App Temu beliebt. (Bild: Reuters)
Vor allem bei jungen Leuten ist die App Temu beliebt. (Bild: Reuters)

Nutzer*innen können also Freund*innen fragen und einladen, wenn sie ein Produkt zum billigeren Preis erwerben möchten. So gewinnt das Unternehmen vor allem junge Käufer*innen.

Temu setzt auf Influencer

Influencer waren auch einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren bei Shein. Auf YouTube und TikTok lassen sich diverse Videos von Nutzer*innen finden, die damit prahlen, dass sie auf diese Weise drei- bis vierstellige Beträge generiert hätten. Die Videos dienen vermutlich auch dazu, Aufmerksamkeit und neue Referrals für die Ersteller*innen der Videos zu generieren. Denn wenn die Zuschauenden mittels deren persönlichen Nummern zu dem Belohnungsprogramm stoßen (in der Hoffnung, selbst Geld verdienen zu können), erhalten sie ebenfalls eine Vergütung.

Temu hat ein Datenschutzproblem

Die Schwester-App Pinduoduo wurde Anfang 2023 laut eines Berichts dabei erwischt, wie sie bösartigen Code verwendete, um die Sicherheitseinstellungen des Mobiltelefons zu umgehen und andere Apps auszuspionieren, Benachrichtigungen und Nachrichten zu lesen und sogar Einstellungen zu ändern. Jetzt hat die US-Regierung Temu wegen Datenrisiken angeklagt. Zuletzt wurde die App sogar von Google aus dem Play Store entfernt, da sie unter akutem Malware-Verdacht steht. Sicherheitsexpert*innen werfen der App vor, ihre Nutzer*innen zu überwachen und anfällig für Angriffe zu sein. Temu blieb.

Im Gegenzug für billige Waren und Preise verdient Temu Geld mit Daten. Die App fordert 24 Berechtigungen auf dem Gerät an, darunter Zugriff auf die Wi-Fi-Netzwerkinformationen, Bluetooth, Fotos und Videos, Kontaktinformationen und Zahlungsdetails.

Temu hat schlechte Käuferbewertungen

Ein großer Teil der Bewertungen bei Trustpilot ist negativ. Dort heißt es, die Ware sei minderwertig und oft schlecht verpackt.

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen erklärte dem Stern Anfang Juni auf Anfrage: "Grundsätzlich bekommen wir immer wieder Beschwerden über günstige Anbieter aus Übersee – wie zum Beispiel Shein, Alibaba oder auch Temu. Verbraucher*innen beschweren sich dabei über Probleme bei der Rückabwicklung im Rahmen des Widerrufs oder über Probleme mit der Gewährleistung. Hierbei spielt auch die Rücksendung nach China und die damit entstehenden Rücksendekosten, die in der Regel von den Verbraucher*innen zu tragen sind, eine Rolle."

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Zwei andere Kritikpunkte werden bei Trustpilot immer wieder genannt: penetrante Werbung und unbekannte Anrufe nach der Anmeldung.

Die wenigen 5-Sterne-Bewertungen auf der Plattform geben Anlass zur Skepsis: Viele sind vollkommen identisch formuliert und fast alle enthalten einen Code, der angeblich Guthaben oder Gratis-Artikel verspricht.

Katastrophale Arbeitsbedingungen bei Temu

Unter welchen Bedingungen beispielsweise die Kleidung hergestellt wird, ist fraglich. Kritik an solchen Shops gibt es zuhauf. "Wir haben festgestellt, dass durch den Online-Handel, insbesondere einfache Apps, viel mehr bestellt wird. Das resultiert in zahllosen Fehlkäufen – und vielen Retouren. Dieser Überkonsum endet nicht selten in Ressourcenvernichtung", sagte Viola Wohlgemuth, Expertin für Konsum, Textilien, Chemie und Plastik bei der Umweltorganisation Greenpeace, dem Stern Anfang Juni. "Bei Online-Stores wie Temu oder Shein wird zudem mit sogenannten Dark Patterns gearbeitet, was vereinfacht gesprochen manipulative Kaufanreize sind."

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Zu den ökologischen Versprechen sagt Wohlgemuth: "Bei solchen Preisen kann das unmöglich nachhaltig sein. Wir stellen bei derartigen Shops immer wieder katastrophale Bedingungen fest – sei es bei den Arbeitsbedingungen oder aber in Sachen Umweltschutz. Mit korrekten Verpackungen und europäischen Standards darf man auch nicht rechnen. Wir müssen in der EU dringend die genutzten Gesetzeslücken schließen und dem einen Riegel vorschieben."

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