Supermodel spricht über die dunkle Seite von Victoria's Secret

Viele Models träumen davon, für Victoria's Secret zu arbeiten. Ein australisches Supermodel packt nun aus und behauptet: Während für das Publikum hauptsächlich Engel über den Laufsteg laufen, sollen hinter den Kulissen viele Teufel am Werk sein.

Bridget Malcolm lief 2016 für Victoria's Secret über den Catwalk (Bild: Presley Ann/Patrick McMullan via Getty Images)
Bridget Malcolm lief 2016 für Victoria's Secret über den Catwalk (Bild: Presley Ann/Patrick McMullan via Getty Images)

Wenn Victoria's-Secret-Engel über den Laufsteg laufen, dann lassen die nahezu perfekten Körper der Models die meisten vor Neid erblassen. Doch das Unterwäschelabel stand in den letzten Jahren immer wieder in der Kritik, ein längst überholtes Frauenbild abzubilden. Auch Bridget Malcolm arbeitete von 2015 bis 2016 für das Label. Dann trennte sich das Unternehmen von ihr. Seitdem gehört das australische Supermodel zu den Menschen, die Victoria's Secret für seine ungesunde Körperhaltung an den Pranger stellen. In der australischen TV-Sendung "60 Minutes" holt das Model nun zum Rundumschlag aus und erhebt noch größere Vorwürfe gegen die Marke: Magersucht, Drogen und Mobbing sollen beim Unterwäsche-Unternehmen gang und gäbe gewesen sein.

Bridget Malcolm ignorierte die Hilferufe ihres Körpers viele Jahre lang, magerte immer weiter ab und sorgte mit ungesunden Diäten dafür, dass sie dauerhaft müde war, unter Haarausfall litt und sogar ihre Periode mehrere Monate lang nicht hatte. Inzwischen verurteilt sie Modelabels, die nur Skinny-Models einstellen. Dazu gehört auch ihr ehemaliger Arbeitgeber Victoria's Secret. Die 29-Jährige behauptet, sie habe ständig versucht, den Standards des Unternehmens gerecht zu werden. Das endete damit, dass sie unterernährt gewesen sei und zehn Minuten lang brauchte, um nur ein paar Treppenstufen zu steigen.

Drei Tage ohne Nahrung

"Ich konnte einen Einblick in die Maschinerie erhalten, die damals lief. Und die war wirklich krank, wirklich ungesund", erklärte Malcolm. "Die längste Zeit, die ich ohne Essen ausgehalten habe, waren drei Tage. Und ich musste kündigen, weil ich ständig ohnmächtig wurde. Ich war so wütend auf mich selbst, weil ich mir vorgenommen hatte, fünf Tage auszuhalten, doch ich konnte nicht. Ich konnte mich nicht bewegen, es war unglaublich frustrierend", so das Model.

"Ich erinnere mich, dass ich so wütend auf mich selbst war und ich fühlte mich, als hätte ich jemanden im Stich gelassen, weil ich nicht nur mit Wasser so lange überleben konnte." Bridget Malcolm erklärt auch, dass sie Victoria's Secret die Schuld dafür gab, dass sie eine Ess- und Angststörung entwickelt hatte.

"Sie wollten Frauen so dünn wie möglich machen"

"Ich hatte Panikattacken. Ich war erschöpft. Mein Körper war unterernährt, mein Geist war unterernährt. Es war unbarmherzig", fügte sie hinzu. "Was dieses Unternehmen für mich und für viele andere Frauen repräsentierte, war zur damaligen Zeit sehr ausbeutend. Für mich fühlte es sich an, als würden sie Frauen kontrollieren. Sie wollten sie so dünn wie möglich machen und dann waren sie ihnen nicht dünn genug", so Malcolm. "Ich lache zwar, aber wenn ich in meine Augen sehe, dann sehe ich, dass ich tot war", mit diesen Worten beschreibt das Model einen ihrer Auftritte für die Victoria's-Secret-Show.

Doch warum verlor Bridget Malcolm eigentlich ihren Job bei Victoria's Secret? Angeblich, weil sie einen Zentimeter an den Hüften zugenommen hatte. Sie erklärt, dass die Message des Unternehmen damals sehr deutlich war: "Je dünner, desto besser".

"Je dünner, desto besser" – so lautet die Message von Victoria's Secret (Bild: Mehdi Taamallah/NurPhoto via Getty Images)
"Je dünner, desto besser" – so lautet die Message von Victoria's Secret (Bild: Mehdi Taamallah/NurPhoto via Getty Images)

"Es war ein sehr traumatisches Erlebnis"

Kritikern, die sagen, dass sie nicht dazu gezwungen wurde, zu hungern und diesen Weg im Modelbusiness einzuschlagen, antwortet Malcolm: "Ihr habt vollkommen recht, ich bin eurer Meinung, doch ihr seid äußerst privilegiert, dass ihr die Erfahrung einer solch ungesunden Beziehung nicht machen musstet. Allein die Brand Victoria's Secret übe auf viele Models einen großen psychologischen Druck aus. Sie gibt zu, so etwas vorher nie erlebt zu haben. Und sie hofft, es nie wieder erleben zu müssen. "Es war ein sehr traumatisches Erlebnis."

Bridget Malcolm hofft darauf, dass sich die Modelbranche ändern wird (Bild: Hanna Lassen/WireImage)
Bridget Malcolm hofft darauf, dass sich die Modelbranche ändern wird (Bild: Hanna Lassen/WireImage)

Sie behauptet außerdem, während ihrer Victoria's-Secret-Karriere mehrere Male sexuell attackiert worden zu sein, ihr Agent habe ihr Kokain gegeben, damit sie Gewicht verliere, und ihr wurde gesagt, sie solle Sex haben, um noch mehr abzunehmen.

Adriana Lima als Victoria's-Secret-Engel auf dem Laufsteg (Bild: Taylor Hill/FilmMagic)
Adriana Lima ist einer der berühmtesten Victoria's-Secret-Engel (Bild: Taylor Hill/FilmMagic)

Auch Supermodel Adriana Lima sorgte vor Jahren für einen Diätskandal, als sie in einem Interview enthüllte, wie ihr Trainingsprogramm vor einer Victoria's-Secret-Show aussieht. Sechs Wochen vor der Show wird ihr Trainingsprogramm von einmal auf zwei Mal am Tag ausgebaut. Zu essen gibt es nur Fisch, Geflügel und Gemüse. Dazu vier Liter Wasser am Tag. Neun Tage vor der Show nimmt Adriana Lima nach eigenen Aussagen keinerlei feste Nahrung mehr zu sich, sondern ernährt sich nur noch von Wasser und Proteinshakes. Zwölf Stunden vor der Show wird dann nicht mal mehr Wasser getrunken. Auf diese Art würde sie noch mal bis zu vier Kilo verlieren. Ein Diät-Irrsinn!

Bridget Malcolm jedenfalls hofft, mit ihrer Geschichte etwas verändern zu können. Sie hat Bodyshaming den Kampf angesagt und setzt sich für Body Positivity ein. Der erste Schritt bei Victoria's Secret ist immerhin schon getan. Und den haben wir ironischerweise der Marke selbst zu verdanken. Die alljährliche große Show im Fernsehen wurde 2019 abgesetzt, zu viele fanden sie sexistisch und anti-feministisch. Ob die Show jemals wieder zurückkommen wird, ist fraglich.

Paloma Elsesser gehört zu den neuen Botschafterinnen von Victoria's Secret (Bild: JP Yim/Getty Images for Michael Kors)
Paloma Elsesser gehört zu den neuen Botschafterinnen von Victoria's Secret (Bild: JP Yim/Getty Images for Michael Kors)

Die Marke wolle in Zukunft mit "kulturell relevanteren Frauen“ arbeiten. "Wir sind auf einem unglaublichen Weg, der größte Fürsprecher für Frauen weltweit zu werden", gab Victoria's Secrets Firmenchef Martin Waters damals in einer offiziellen Mitteilung gegenüber der "New York Times“ bekannt. Und tatsächlich: Heute sind Frauen wie Fußballerin Megan Rapinoe oder Aktivistin und Plus-Size-Model Paloma Elsesser die neuen Botschafterinnen des Unternehmens.

"Wir können für tatsächliche Veränderungen sorgen", erklärt Paloma Elsesser, die sich dafür einsetzen will, dass es bei Victoria's Secret auch Größe XXXXXL geben wird. "Wir haben viel zu spät auf die Veränderungen in der Welt reagiert", gibt Waters zu. Aber wie sagt man so schön: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung – und hoffentlich zu einer Unterwäsche-Marke, die seine Models so sein lässt wie sie sind, auch wenn sie einen Zentimeter mehr auf den Hüften haben.

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