Ich bin aus den USA nach Europa gezogen: So unterscheidet sich hier die Kindererziehung von der amerikanischen

In den Niederlanden wird eine sehr unabhängige Form der Elternschaft gefördert, die ich der US-amerikanischen vorziehe. - Copyright: Courtesy of Alejandra Rojas
In den Niederlanden wird eine sehr unabhängige Form der Elternschaft gefördert, die ich der US-amerikanischen vorziehe. - Copyright: Courtesy of Alejandra Rojas

Bevor ich Mama wurde, dachte ich, ich hätte eine klare Vorstellung davon, wie das typische Muttersein abläuft. Eine Vorstellung, die ich auf keinen Fall so umsetzten wollte. Ich sah, wie andere Mamas ihre Zeit, ihren Ehrgeiz und ihr Selbstwertgefühl verloren und zu jemandem wurden, der in erster Linie nur als Mutter existierte.

Aus diesem Grund wartete ich lange damit, mich auf das Muttersein einzulassen. Stattdessen verbrachte ich Jahre damit, mein Unternehmen in finanzielle Bildung und meinen Podcast aufzubauen und fand die perfekte Erfüllung in meinen unternehmerischen Aktivitäten.

Alles änderte sich jedoch im Jahr 2023. Aus beruflichen Gründen zog ich in die Niederlande und erfuhr, dass ich schwanger war.

Die Niederlande gehören zu den besten Ländern für die Erziehung von Kindern, und als frisch gebackene Mutter kann ich dem aus erster Hand zustimmen.

Von dem Moment an, als ich entbunden hatte, erlebte ich eine völlig andere Herangehensweise an die Elternschaft, als ich sie aus den USA kannte. Ich wurde nicht auf meine Rolle als Mutter reduziert.

Die Anfänge meines Mutterseins fühlten sich seltsam an

In den Niederlanden beginnt die Unabhängigkeit praktisch mit der Geburt.

Eine meiner ersten Begegnungen mit dieser Herangehensweise hatte ich durch eine sogenannte "Kraamzorg". Dies ist eine von der Regierung gestellte Mütterpflege, die uns in der ersten Woche nach der Geburt meiner Tochter unterstützte.

Sie machte mich mit dem niederländischen Erziehungs-Mantra vertraut: "Lass dein Baby in Ruhe, beobachte es, biete es Unterstützung an und lass es dann wieder in Ruhe."

Diese Art zu leben, stellte alles infrage, was ich über das Muttersein zu wissen glaubte. Als ich in den USA aufwuchs, war meine Mama immer in Reichweite. Fahrten zur Schule und ständige Beaufsichtigung waren Norm in unserem Haushalt und meine Familie bestand darauf, die Kinder immer genau im Blick zu haben.

Im Gegensatz dazu ermutigte mich die niederländische Erziehung, meine Tochter eigenständig entdecken und lernen zu lassen.

Anfangs fühlte es sich komisch und entgegen meiner Intuition an, den Raum zu verlassen oder sich auf die Arbeit zu konzentrieren, während sie in der Nähe spielte.

Ich zweifelte ständig daran, ob ich das Richtige tat. Wenn ich allerdings sah, wie andere Familien diese Unabhängigkeit vorlebten, verflogen meine Zweifel und ich führte den Ansatz fort.

Das Kind der Autorin (nicht im Bild) spielte bereits im Alter von fünf Monaten eigenständig.  - Copyright: picture alliance / Westend61 | Antonio Ovejero Diaz
Das Kind der Autorin (nicht im Bild) spielte bereits im Alter von fünf Monaten eigenständig. - Copyright: picture alliance / Westend61 | Antonio Ovejero Diaz

Im Alter von nur fünf Monaten spielte meine Tochter bereits alleine, erkundete das Essen in ihrem eigenen Tempo und konnte sich sogar selbst beruhigen. Daher kann sie sich leicht an neue Umgebungen anpassen und wurde zu einem ruhigen und gleichzeitig neugierigen Kind.

Als ich diese Entwicklung meiner Tochter bemerkte, fiel es mir umso leichter, die überfürsorgliche Haltung loszulassen, mit der ich aufgewachsen bin.

Ich kann mich um meine Tochter und meine Karriere kümmern, ohne auf etwas verzichten zu müssen

Der niederländische Erziehungsansatz – den es auch in vielen anderen europäischen Ländern gibt –gab mir eine Freiheit, mit der ich nicht gerechnet hatte. Bereits zwei Monate nach der Geburt konnte ich in mein Unternehmen zurückkehren, eine Erleichterung, die schneller als erwartet ein Gefühl von Normalität und Ausgeglichenheit in mein Leben zurückbrachte.

Die Möglichkeit, mich um meine Karriere zu kümmern und gleichzeitig für meine Tochter da zu sein, kam mir im Verglich zu den Standards, mit denen ich in den USA aufgewachsen bin, völlig unwirklich vor.

Aber hier war es völlig normal. Alle anderen Mütter in meiner Nachbarschaft taten es auch.

Aber es sind nicht nur die Mütter, die eine enorme Unterstützung bieten, sondern auch die Gemeinschaft hier. In vielen Cafés gibt es zum Beispiel spezielle Kinderecken, sodass ich, wenn ich mit Freunden einen Kaffee trinke, mich voll auf die Unterhaltung fokussieren kann, während meine Tochter in der Nähe spielt.

Außerdem gibt es in Bibliotheken Programme, welche die Selbstständigkeit der Kinder fördern und Müttern die Möglichkeit geben, sich auszutauschen und voneinander zu lernen.

Zu beobachten, wie Vier- und Fünfjährige selbstbewusst und ohne Aufsicht auf ihren Laufrädern zur Schule gehen - und wie sie sich im Alter von sieben Jahren völlig selbständig fortbewegen - hat mir gezeigt, wie tief die Unabhängigkeit in diesem Land verankert ist.

Es ist eine erfrischende Erleichterung, sich von einer Gemeinschaft unterstützt zu fühlen, die Unabhängigkeit fördert und es sowohl Eltern als auch Kindern ermöglicht, sich frei zu entfalten.

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