Volkskrankheit Zähneknirschen: ein Zahnarzt über Ursachen, Symptome und Therapieformen

Bruxismus: Was tun gegen Zähneknirschen

Das Accessoire einer ganzen Generation: die Zahnschiene. Und ein bewährtes Instrument gegen Bruxismus

Getty Images, Juan Moyano

Schätzungsweise 20 Prozent der Deutschen leiden unter Bruxismus. Und wahrscheinlich sind es sogar noch sehr viel mehr, nur wissen sie davon noch gar nicht. Bruxismus ist der Fachbegriff für Zähneknirschen, und was erst einmal harmlos klingt, kann zu ernsthaften Problemen führen. Aber wie kann man die vielleicht schon vorab verhindern? Und woher kommt Bruxismus überhaupt? Alles Fragen, die uns Dr. Sebastian Fiedler, Zahnarzt aus München, beantwortet hat.

 

 

Zahnarzt Dr. Fiedler

Dr. Sebastian Fiedler, 37, ist unser Zahnarzt des Vertrauens mit seiner eigenen Zahnarztpraxis in München (Maximilianstraße 31).

Philipp Löffler,

Esquire: Herr Dr. Fiedler, alle sprechen Bruxismus. Aber was ist das eigentlich? 

Dr. Fiedler: Bruxismus bezeichnet das unbewusste Zähneknirschen oder -pressen, das meist während des Schlafens, aber auch tagsüber auftreten kann. Es handelt sich um eine Funktionsstörung der Kaumuskulatur, die häufig mit Stress, Angst oder Fehlfunktionen des Kiefergelenks in Verbindung gebracht wird.

Woran kann man Bruxismus denn selbst bemerken? 

Die Symptome können sehr vielfältig sein. Manchmal bringt man die Symptome zuerst gar nicht mit dem Zähneknirschen in Verbindung. Beim Zähneknirschen kommt es selbstverständlich zum Abrieb der Zähne, die Zahnoberflächen nutzen sich also ab. Im Folgenden kommt es zu Kieferschmerzen, Kopfschmerzen und zu Verspannungen im Nacken-, Schulter- und Gesichtsbereich. Auch Zahnschmerzen können durch die Überbelastung der Zähne auftreten. In ganz fortgeschrittenen Fällen kommt es sogar zu Migräneanfällen oder zur Entwicklung eines Tinnitus

Oh okay. Ab wann sollte man mal einen Profi aufsuchen?

Im Prinzip sofort. Je früher man das Problem erkennt, desto leichter und erfolgsversprechender ist die Therapie.

Weiß man, woher das überhaupt kommt? 

Die Hauptursachen sind Stress und Anspannungszustände. Unser Körper versucht hier dagegen zuarbeiten. Seltener liegen die Ursachen in einer Zahn- oder Kieferfehlstellung.

Wenn man dann beim Profi war: Was wird gegen den Bruxismus unternommen?

Die Therapie ist sehr vielfältig und muss natürlich nach individuellen Bedürfnissen angepasst werden. Zur Standardtherapie gehört auf jeden Fall eine Aufbiss Schiene (Zahnschiene). Ich empfehle im ersten Schritt auch gerne Mobilitäts- und Lockerungsübungen für den Rücken und Entspannungsübungen wie Yoga. Oft wird auch Physiotherapie verordnet. Die Therapie kann in schweren Fällen aber sehr weitreichend und langwierig sein.

Und was kann man selbst im Alltag dagegen tun?

Stressmanagement. Ich weiß, leicht gesagt, aber das ist auch fast das einzige, was man selbst tun kann. Zu empfehlen ist hier Sport und wie schon erwähnt Lockerungsübungen und Entspannungsübungen.

Häufig ist auch die Rede von Botox. Nicht zum Falten Minimieren, sondern um Bruxismus entgegenzuwirken.

Die Anwendung von Botulinumtoxin an der Kaumuskulatur ist auf jeden Fall eine Option. Allerdings ist sie auch mit Risiken verbunden. Ich empfehle es daher nur in fortgeschrittenen Fällen, in denen die Standardtherapie nicht zum Erfolg führt.

Ist das nur so ein Gefühl oder leiden wirklich immer mehr junge Menschen unter Bruxismus?

Das Gefühl trügt nicht! Die Inzidenz an CMD-Erkrankungen (Craniomandibuläre Dysfunktion, eine Fehlfunktion des Kausystems) hat über die letzten Jahre stark zugenommen, insbesondere unter der jungen Bevölkerung.

Können Sie sich erschließen, woher das kommt? 

Im Wesentlichen wahrscheinlich Stress. Wir haben alle stressige Jobs, unser Gehirn muss mit vielen Eindrücken klarkommen. Das zeigt sich dann häufig in Form von Parafunktionen wie Zähneknirschen.