Warum schmeckt Brokkoli 75 Prozent der Menschen nicht?

Wer Brokkoli ablehnt, hat eine gute Entschuldigung: die Gene! (Bild: Getty Images / Knape)
Wer Brokkoli ablehnt, hat eine gute Entschuldigung: die Gene! (Bild: Getty Images / Knape)

Die Mehrheit mag den grünen Sprossenkohl nicht, ohne genau sagen zu können weshalb. Dabei gibt es eine wissenschaftliche Erklärung: Ob wir Brokkoli mögen oder nicht, soll an unserer DNA liegen, ist also angeboren. Über Bitterstoffe und darüber, was Brokkoli mit Rauchen zu tun hat.

Am Anfang stand ein Lapsus im Labor

In Brokkoli und anderen Lebensmitteln steckt das für die Bitterkeit verantwortliche Molekül Phenylthiocarbamid, kurz PTC. Dieses hat der amerikanische Chemiker Arthur L. Fox 1931 per Zufall in einem Labor entdeckt. Bei einem Experiment gelangte etwas Staub des extrem bitteren Pulvers versehentlich in die Luft. Ein Kollege des Wissenschaftlers beschwerte sich über einen bitteren Geschmack auf der Zunge. Fox nicht. Er wunderte sich vielmehr, dass er nichts bemerkte und begann eine Reihe von Tests zu machen, mit der Erkenntnis: Manche Menschen schmecken PTC, manche ein bisschen, manche überhaupt nicht.

Wie wird man “Supertaster”, “Normalschmecker” oder “Nichtschmecker”?

Bald nach seiner Entdeckung haben Genetiker festgestellt, dass es an unserer DNA liegt, ob und wie stark wir PTC schmecken. Im Jahr 2003 fand man schließlich das PTC-Gen. Dieses hat zu etwa 85 Prozent Einfluss darauf, ob jemand ein “Schmecker” oder ein “Nichtschmecker” ist.

Genauer noch: Durch die dominante Vererbung und da ein Gen aus zwei Allelen besteht, ergeben sich die drei Möglichkeiten: dass eine Person das bittere PTC stark, kaum oder überhaupt nicht schmeckt – je nachdem welche Allelkombination vorhanden ist.

Etwa 75 Prozent der Menschen reagieren ablehnend auf PTC, während durchschnittlich 25 Prozent das Bittere gar nicht wahrnehmen. In den USA gibt es spezielle Papierstreifen, mit denen jeder günstig den genetischen Geschmackstest selbst machen kann.

PTC-”Nichtschmecker” mögen bittere Lebensmittel

Studien legen nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen der Vorliebe für bestimmte Lebensmittel und der Fähigkeit, PTC zu schmecken, gibt. Nachvollziehbar: Wer Brokkoli mag, hat wahrscheinlich wenig gegen Grapefruits und mag auch eher Gin Tonic.

Das "Bitter-Molekül" PTC steckt auch in dunkler Schokolade, Kaffee, Craft-Bier und Aperol Spritz. (Bild: Getty Images / Eva-Katalin)
Das "Bitter-Molekül" PTC steckt auch in dunkler Schokolade, Kaffee, Craft-Bier und Aperol Spritz. (Bild: Getty Images / Eva-Katalin)

Man hat ebenfalls herausgefunden, dass selbst “Schmecker” das PTC nicht immer gleich empfinden. Die Wahrnehmung hängt beispielsweise von dem Drumherum im Mund ab (andere Lebensmittel, Trockenheit), sie kann tageweise schwanken und sich im Laufe des Lebens verändern.

Der Zusammenhang zwischen Brokkoli und Rauchen

Studien zufolge ist die Wahrscheinlichkeit geringer, dass “Supertasters” (also Menschen, die das bittere Molekül PTC stark schmecken) auch Raucher sind. Sie empfinden den Zigarettengeschmack meist als zu bitter – im Gegensatz zu denen, die das PTC nicht schmecken.

Grundsätzlich ist bitter gut

Die Fähigkeit, Bitterstoffe zu schmecken, hat die Menschen seit Urzeiten davon abgehalten, schädliche, giftige oder unreife Sachen zu verzehren. Und selbst wenn sie viele daran hindert, gewisse Gemüsesorten zu essen: Der herbe Geschmack bremst einen zumindest beim Verzehr von gewissen Genussmitteln.

Gleichzeitig fördern die Entbitterungsbestrebungen in der Landwirtschaft die Attraktivität von bitterem Gemüse: PTC in Brokkoli ist heutzutage weniger deutlich zu schmecken als früher. Auch Radicchio oder grünen Paprika kann man inzwischen verzehren, ohne das Gesicht zu verziehen.