Was soll man eigentlich von Nussmilch halten?

Simone Olivero

Wer im Supermarkt an den Milchregalen vorbeischlendert, findet mittlerweile mehr als nur H-Milch, Vollmilch, 1,5% und 3,5% Fett. Eine neue Art Milch erobert die Supermärkte und es ist kein Milchprodukt.

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Shauna Lindzon , eine Ernährungsberaterin aus Toronto, erzählt uns: “Ich stelle einen Trend zur Nussmilch fest”. Ein schneller Blick in den Supermarkt um die Ecke zeigt eine breite Wahl an Mandel-, Kokosnuss-, Soja-, Hafer- und Reismilch.

Warum diese Veränderung?

Lindzon erklärt, dass es mit einem allgemeinen Trend zu veganer Ernährung einhergeht. „Manche Leute nehmen diese Alternativen, weil sie das Gefühl haben, Milchprodukte nicht gut zu vertragen. Anderen geht es mehr um geschmackliche Vielfalt“.

Eine der ersten Milchalternativen, die den Markt eroberte, war Sojamilch. Soja wurde Anfang des 19. Jahrhunderts in China entwickelt und erreichte Nordamerika 1979. Auf dem Höhepunkt seiner Beliebtheit befand es sich Anfang 2000. Genau wie heute bei Nussmilch, war Sojamilch vor allem attraktiv, weil es sich um ein veganes Produkt handelte. Obwohl neue Studien zeigen, dass Soja vielleicht nicht so gesund ist wie gedacht, scheint die Abneigung gegen Kuhmilch nicht abzunehmen.

Kuhmilch macht seit Jahren negative Schlagzeilen, besonders in Kanada, wo es sogar illegal ist, unpasteurisierte Milch zu verkaufen. Der Grund: Die Pasteurisierung entfernt schädliche Bakterien aus der Milch und verhindert so mögliche Erkrankungen wie Fieber, Erbrechen, Durchfall, Nierenversagen, Fehlgeburten.

2014 musste der Bauer Michael Schmidt aus Ontario eine Strafgebühr von 9.150 Dollar zahlen, nachdem er mit einem schlauen Trick unpasteurisierte Milchprodukte an interessierte Kunden verkauft hatte. Anstatt die Produkte direkt zu verkaufen, ließ er die Kunden einen Anteil an der Kuh kaufen, sodass sie theoretisch die unpasteurisierten Produkte ihres eigenen Tiers zu sich nahmen – und das ist in Kanada legal. Das Gericht sah es jedoch anders und schob der Sache einen Riegel vor.

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Nährwerte

Lindzon weist darauf hin, dass das Hauptproblem an der aktuellen Affinität zu Milchalternativen wie Nussmilch die Nährstoffe sind. „Kuhmilch ist eine gute Proteinquelle und die meisten Milchalternativen auf dem Markt haben einen deutlich niedrigeren Proteingehalt, einschließlich Reis- und Mandelmilch“.

Neben dem geringeren Eiweißgehalt enthält Nussmilch laut Lindzon auch kein Vitamin B12, es sei denn es wurde künstlich zugesetzt. „Wenn Sie Ihre eigene Nussmilch zuhause herstellen, ist da kein Vitamin B12 drin“, sagt sie. „Vitamin B12 findet sich fast ausschließlich in tierischen Produkten und Veganer riskieren einen Mangel.“

Wir haben uns mit Marina Cortese unterhalten, Besitzerin der Saftbar Oats & Ivy in Toronto, die aufgrund der wachsenden Beliebtheit von Kuhmilchalternativen vier verschiedene Nussmilchvarianten anbietet. „Ich glaube, das hat ganz viel mit Ernährungstrends zu tun“, erzählt sie uns. „Unsere Gesellschaft ist sich mittlerweile vielmehr dessen bewusst, was wir konsumieren. Dinge wie Sportdrinks, Energydrinks und Limo werden durch gesündere Alternativen wie Kokosnusswasser, kaltgepressten Saft, Kombucha und Nussmilch ersetzt“.

Die Nussmilch von Oats & Ivy wird in vier Schritten hergestellt. Dabei werden Bionüsse in Wasser getränkt, um Phytat zu deaktivieren, das die Nährstoffaufnahme verhindern würde. Als nächstes wird gefiltertes Wasser beigemischt, Biodatteln und reiner Biovanilleextrakt. Danach wird das Gemisch kaltgepresst, um die Milch zu bekommen, die dann abgefüllt wird. Die Milch enthält keine Zusätze und hält sich etwa vier bis fünf Tage.

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Oats & Ivy

“Der Unterschied zwischen unserer Nussmilch und der im Supermarkt: Sie enthält keine fragwürdigen Substanzen wie Guaran und Carrageen“, meint Cortese. Während veganer Milch also Vitamine wie B12 fehlen, fehlen ihr andererseits auch potentiell schädliche Stoffe.

Sowohl Lindzon als auch Cortese stimmen überein, dass die Beliebtheit von Nussmilch teilweise ein Trend ist. Zwar waren Nüsse natürlich schon immer gesund, die Nutzung als Milchalternative hat jedoch mehr mit Unverträglichkeiten gegenüber Kuhmilch zu tun.

„Wer Nussmilch statt Kuhmilch wählt, kann Symptome von Laktoseintoleranz vermeiden, zum Beispiel Hautunreinheiten, Blähungen und Schnupfen“, erklärt Cortese. „Nüsse haben viel gesundes Fett, Vitamine und Mineralstoffe, alles wichtig für gesunde Haut, Haare und Nägel“.