Welt-HPV-Tag: Was sind Humane Papillomaviren und warum sollte sich jeder impfen lassen?

Ein Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten im exklusiven Interview

HPV-Infektionen verursachen fast alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Eine Impfung kann helfen. (Symbolfoto: Getty)
HPV-Infektionen verursachen fast alle Fälle von Gebärmutterhalskrebs. Eine Impfung kann helfen. (Symbolfoto: Getty)

Der Welt-HPV-Tag erinnert jährlich am 4. März an die Bedeutung der Impfung gegen humane Papillomaviren (HPV). Der erste Impfstoff gegen die große Gruppe der HPV wurde 2006 in Europa zugelassen. Laut Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts erkranken jährlich etwa 6.250 Frauen und ca. 1.600 Männer an HPV-bedingtem Krebs. Dennoch sei die Impfquote nach wie vor niedrig.

Dabei wird fast jeder Gebärmutterhalskrebs von einer HPV-Infektion ausgelöst, auch Analkrebs sowie Hals- und Rachentumore können die Folge sein. Was die Viren so gefährlich macht und warum die meisten von ihnen überhaupt keine Rolle spielen müssten, erzählt der Dermatologe Prof. Norbert H. Brockmeyer gegenüber Yahoo Life im exklusiven Interview.

Was sind Humane Papillomaviren und warum sind sie so gefährlich?

"Das sind Viren, die sich hauptsächlich an Haut und Schleimhäuten von Tieren, aber auch Menschen, ansiedeln. Es gibt über 200 unterschiedliche Typen, von denen manche Tumore hervorrufen können. Diese karzinogenen Typen, die insbesondere bei Frauen Gebärmutterhalskrebs verursachen, sind das große Problem. Sie können aber auch Analkrebs, Hals- und Rachen- sowie Peniskarzinome induzieren. Die bedeutendsten von diesen krebsauslösenden Typen sind die Typen 16 und 18."

Bemerkt man eine Infektion erst, wenn es schon Krebsvorstufen gibt, oder kann man das vorher merken?

"Man bemerkt diese Infektion erst dann, wenn Veränderungen bereits bestehen. Allerdings kann man diese HPV-Typen mit einem Abstrich von der Gebärmutter oder aus anderen Regionen nachweisen, weshalb eine Untersuchung im Rahmen der Vorsorge für Frauen auch empfohlen ist. Wenn diese krebsauslösenden Viren vorhanden sind, sollte man die Kontrollintervalle verkürzen."

Kann man die Infektion dann behandeln, bevor es zu Veränderungen kommt?

"Man könnte versuchen, die Viren mit Mitteln, die das Immunsystem anregen, zu behandeln. Die sind aber  nicht nebenwirkungsfrei. Das Wesentliche ist, dass 80 bis 90 Prozent aller Menschen diese HPV-Typen innerhalb von zwei Jahren eliminieren können. Wir reden also über 10 bis 15 Prozent der Menschen, die dazu nicht in der Lage und gefährdet sind, dann auch Tumore zu entwickeln.

Menschen, die aufgrund eines Immundefekts oder anderer Erkrankungen Probleme mit der Abwehr haben, eliminieren HPV-Viren jedoch nur zu 20 Prozent in zwei Jahren. Mittlerweile setzen wir auch viele Immunmodulatoren zum Beispiel zur Bekämpfung von Hauterkrankungen wie Schuppenflechte oder atopischer Dermatitis oder Rheuma ein, weshalb auch diese Menschen gezielt geimpft werden sollten. Generell sollten wir aber alle Menschen impfen, um erfolgreich, bis zu 95 Prozent, dieser Tumore zu verhindern."

Wie viele Menschen sind denn von Gebärmutterhals- und Analkrebs betroffen?

"Man kann sagen, dass in Deutschland rund 6.250 Frauen und 1.600 Männer an solchen HPV-induzierten Krebserkrankungen leiden. Insgesamt kommt es zu 2.400 bis 3.000 Todesfällen im Jahr. Und dabei sind Rachen- und Halskarzinome nicht eingerechnet, die mittlerweile zu 60 Prozent durch HPV bedingt sind. Die Rate steigert sich also, auch bei den Todesfällen."

Für wen ist eine Impfung empfohlen?

"Empfohlen ist die Impfung von 9 bis 14 Jahren, man kann sie als Nachimpfung aber bis zum 18. Lebensjahr durchführen. Viele Krankenkassen bezahlen sie auch bis zum 24. Lebensjahr oder noch länger. Man muss sich darüber klar sein, dass die Impfung am besten wirkt, wenn sie wirklich in diesem Setting von 9 bis 14 Jahren durchgeführt worden ist. Aber sie wirkt auch später noch.

Männlicher Teenager mit Impfpass in der Hand wird geimpft
Gerade bei Jungen ist die Impfquote im Hinblick auf HPV ziemlich gering. (Foto: Getty)

Zwar ist die Schutzwirkung schwächer, wenn eine Infektion mit einem karzinogenen HPV-Typ stattgefunden hat. Aber es gibt noch acht andere Typen, vor denen die Impfung sehr gut und erfolgreich schützen kann. Von daher lohnt sich eine Impfung immer! Und sie lohnt sich auch bei Frauen, die schon Veränderungen an der Gebärmutter hatten und dann operiert worden sind. Wenn man diese Frauen impft, ist das Risiko, wieder solche Veränderungen zu bekommen, nach einer Impfung deutlich geringer. Wenn man den 9-fach-Impfstoff nimmt, ist man vor ca. 95 Prozent der HPV-bedingten Karzinome geschützt. Wir können also eine unglaubliche Zahl an Tumoren und Todesfällen verhindern und nutzen sie leider noch nicht!"

Bei welchen Ärzten kann man sich impfen lassen?

"Generell kann man sich bei allen Ärzten impfen lassen, viele sind nur nicht direkt darauf vorbereitet. Darum müssen wir gerade die Ärzte mit ins Boot nehmen, die wie Kinderärzte und Allgemeinmediziner viel Kontakt zu Kindern haben. Aber auch die Dermatologen, zu denen die Jugendlichen häufig wegen Akne und sonstigen Hautproblemen kommen. Das ist eine Gruppe, die wir noch viel mehr aktivieren und sensibilisieren müssen.

In anderen Ländern wie Australien, Portugal oder Großbritannien sind die Raten an Gebärmutterhalskrebs dramatisch gesunken. Aus Schottland heißt es sogar, dass bei Geimpften kein Gebärmutterhalskrebs mehr aufgetreten ist. Für mich ist es wirklich ein großes Problem, dass wir in Deutschland nicht in der Lage sind, in der Schule Impfprogramme aufzulegen. Es sollte eine freiwillige Impfung sein. Aber ich denke, die meisten Menschen wünschen sich auch ein freiwilliges Schul-Impfprogramm. Da muss die Politik auch entsprechend handeln."

Wie ist denn die Impfquote aktuell?

"Bei Mädchen liegt sie bei über 60 Prozent und bei Jungen bei bis zu 27 Prozent. Wir sind also weit von einem Herdenschutz entfernt, der ja erst ab 80 Prozent Durchimpfung besteht."

Wegen des größeren Bewusstseins die Gefahr von Gebärmutterhalskrebs betreffend haben Eltern von Mädchen das wahrscheinlich eher auf dem Schirm als Eltern von Jungs, oder?

"Das ist ein ganz großer Knackpunkt. Die Impfung ist bei Mädchen auch direkt als Impfung gegen Krebs proklamiert worden, weil es zum Gebärmutterhalskrebs die meisten Daten gab und es deswegen vorrangig war. Die Jungen sind leider ein bisschen unter den Tisch gefallen, obwohl sie natürlich auch HPV-induzierte Erkrankungen bekommen und HPV übertragen. Es geht ja auch nicht nur um Krebs, sondern auch um Typen wie 6 oder 11, die die große Problematik der Genitalwarzen verursachen und generell geht es um sexuelle Gesundheit. Alle Jugendlichen, die gut zur Impfung aufgeklärt wurden, hatten später weniger nicht aufgeklärte sexuelle Kontakte und weniger sexuell übertragbare Infektionen."

Was macht die Warzen so problematisch?

"Wer als Kind 'normale' Warzen des Typs 1 und 2 an den Fingern hatte, erinnert sich vielleicht, wie schwierig es war, diese zu entfernen. Und das sind ja noch sehr 'angenehme' Stellen für eine Behandlung. Wenn Sie das an der Scheide, am Penis oder anal haben, und dann nicht nur eine oder zwei, sondern ein riesiges Warzenbild … Die zu entfernen ist sehr schmerzhaft und häufig schafft man es nicht beim ersten Mal, auch wirklich alle zu erwischen. Dann gibt es nach ein paar Monaten wieder ein Rezidiv, das macht die Leute auch psychisch fertig. Allgemein ist die Behandlung schmerzhaft und führt teilweise zu einer relativ langen Störung beim Geschlechtsverkehr."

Frau mit Kondom auf der Handfläche
Kondome schützen auch vor HPV – und sind in diesem Zusammenhang auch für Sextoys empfohlen. (Foto: Getty)

Tatsächlich können HPV-Viren auch durch andere körperliche Kontakte als Geschlechtsverkehr übertragen werden. Wie könnte das aussehen?

"Wenn jemand zum Beispiel Warzen im Anal- oder Genitalbereich hat, kann er diese Viren auch an den Händen haben. Wenn er mit denen dann ins Gesicht geht, besteht die Möglichkeit, dass diese Typen auch dort auftreten. Wir haben bei einer Studie bei Jugendlichen mit karzinogenen Typen gesehen, dass 20 Prozent davon diese HPV-Typen auch im Mundbereich hatten. Wenn ich sie an den Händen oder im Mundbereich habe, kann ich die Viren natürlich sehr leicht weitergeben. Die Viren sind sehr kontagiös und auch sehr resistent. Wenn zum Beispiel Sextoys benutzt werden und diese nicht gut gereinigt werden, können diese Viren auch dort sehr lange überleben. Deshalb sollte man auch immer Kondome über Sextoys ziehen.

Denkbar ist auch, dass eine unwissentlich infizierte Mutter oder ein Vater sein Kind beim gemeinsamen Duschen infiziert. Sogar die Infektion über Handtücher ist nicht ausgeschlossen. Das ist bei anderen Krankheiten wie bei Syphillis oder Gonokokken quasi ausgeschlossen."

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für die häufigsten Krebsarten Gebärmutterhals- und Analkrebs?

"Dazu muss ich zunächst sagen: Trotz Impfung bleibt es wichtig, dass wir gerade im Hinblick auf Gebärmutterhalskrebs immer Vorsorgeuntersuchungen machen, da ja auch nicht alle karzinogenen Typen in der Impfung enthalten sind. Wenn Veränderungen aufgetreten sind, versucht man, diese Veränderungen zu entfernen. Das Gleiche gilt auch für Analkrebsvorstufen.

In solchen Fällen kann man zum Beispiel kürettieren, also abtragen, wie auch zum Beispiel mit dem Laser, und es gibt verschiedene Medikamente, die dazu führen, dass durch eine Immuninduktion die Veränderungen vom Körper selbst vernichtet werden. Es gibt viele Möglichkeiten, wobei es immer entscheidend ist, die Veränderungen möglichst früh zu erkennen. Früh heißt in diesem Fall, bevor ein invasiver Krebs entstanden ist, den man dann im großen Umfang chirurgisch, mit einer Bestrahlung oder mit Chemotherapie behandeln muss."

Prof. Norbert Brockmeyer ist Spezialist für Haut- und Geschlechtskrankheiten. (Foto: WIR/Simon Siewert)
Prof. Norbert Brockmeyer ist Spezialist für Haut- und Geschlechtskrankheiten. (Foto: WIR/Simon Siewert)

Unser Experte: Prof. Norbert H. Brockmeyer

Prof. Norbert H. Brockmeyer ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Sexualmedizin mit den Schwerpunkten HIV und andere STI sowie Tumorerkrankungen. Er ist der ehemalige Direktor für Forschung und Lehre an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Ruhr-Universität Bochum und ehemaliger Leiter der Interdisziplinären Immunologischen Ambulanz am Zentrum für Sexuelle Gesundheit und Medizin. Zudem ist er der Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft DSTIG, der Gesellschaft zur Förderung der sexuellen Gesundheit.