Wie gesund ist vegan wirklich?
Keine Milch, kein Fleisch, kein Honig: Sich vegan ernähren heißt, auf jegliche tierische Produkte verzichten. Wie gesund oder ungesund ist vegan essen eigentlich und wie stehen Experten zu veganer Ernährung für Kinder?
Die ewige Streitfrage: Ist Kuhmilch gesund oder ungesund?
Zugegeben: Die Antwort ist schwierig. Was bedeutet zum Beispiel der Verzicht auf Milch und Milchprodukte für die Gesundheit? Milch und Milchprodukte werden mit Blick auf verschiedene Studien als gesundheitsschädlich eingestuft. Das Schweizer Bundesamt für Gesundheit beispielsweise konstatierte mehrfach, dass Milch, Joghurt & Co. zu den am höchsten mit Umweltgiften belasteten Lebensmitteln zählen.
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Die Stiftung ProVegan ist contra Milch. Sie bemängelt mit Hinweis auf diverse Untersuchungen, dass Milchprodukte unter anderem krebsförderndes Tierprotein, gesättigte Fettsäuren, Cholesterin und Wachstumshormone enthalten. Einzelne positive Nährstoffe in einem insgesamt “hochgradig gesundheitsschädlichen und krebsfördernden Produkt” würden der Gesundheit “überhaupt nicht nutzen”. Es gibt jedoch auch gegenteilige wissenschaftliche Studien, dass gesättigte Fette harmlos seien, dass diese keinen Einfluss auf den Cholesterinspiegel hätten und die Blutfettwerte sogar senken würden.
Zudem ist der Zusammenhang zwischen Kalzium in der Milch und Osteoporose umstritten. Kalzium ist gut für die Knochen (und für die Zähne), deshalb haben viele Menschen Bedenken, auf Milch als Kalziumlieferant zu verzichten. Eine Studie an rund 35.000 Briten hat ergeben, dass bei Veganern ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche besteht. Dem gegenüber steht eine amerikanische Langzeitstudie der Harvard University. Diese hat ermittelt, dass Kalzium in der Milch den Knochenaufbau nicht stärkt und Osteoporose nicht vorbeugt.
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Zu der Verunsicherung “Milch ja oder nein?” hat Prof. Dr. Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut in Karlsruhe bei der 14. Dreiländertagung der Ernährungsfachgesellschaften aus Deutschland, Österreich und der Schweiz 2016 festgestellt: Ergebnisse epidemiologischer Studien hätten ergeben, dass der moderate Verzehr von Milch und Milchprodukten leichte gesundheitliche Vorteile habe hinsichtlich des Risikos verschiedener Krankheiten. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) nennt als Orientierungswert 200 bis 250 g Milch und Milchprodukte und 50 bis 60 g Käse pro Tag.
Fleischverzicht bedeutet nicht automatisch Nährstoffmangel
Was nun? Gegensätzliche Meinungen dieser Art ziehen sich durch die verschiedensten Argumentationen, wenn es um die Frage geht, ob vegan gesund ist oder nicht; so auch in puncto Demenz oder ob Nahrungsergänzungsmittel gut sind. Bei Veganern, die ja bewusst auf Milch verzichten, kann jedenfalls eine angemessene Kalziumversorgung auf anderem Wege erfolgen, zum Beispiel durch kalziumreiches Mineralwasser oder Gemüse wie Grünkohl, Brokkoli und anderes grünblättriges Gemüse sowie Bohnen.
Was ist mit Fleisch? Einige Gründe sprechen eigentlich dafür, nicht auf Fleisch zu verzichten: Fleisch versorgt den Körper ausreichend mit Mineralstoffen und Spurenelementen wie Eisen, Zink und Selen; es enthält viele Vitamine, besonders B1, B2, B12 und Niacin; es liefert Eiweiß, das wichtig ist für den Aufbau und Erhalt von Organen, Muskeln und die Funktionstüchtigkeit von Enzymen. Aus ethischen Gründen verzichten Veganer trotzdem darauf.
Proteine können sich Veganer aus anderen Quellen als Fleisch und Milch holen, etwa von Bohnen, Tofu und Kichererbsen. Des Weitern haben Veganer nicht automatisch ein Eisenproblem, weil sie kein Fleisch essen. Es stimmt, dass Eisen aus Fleisch dreimal besser verwertet wird als Eisen aus pflanzlichen Lebensmitteln. Dennoch können Veganer ihren Eisenwert durch Hülsenfrüchte, Nüsse, Vollkorngetreide und Gemüse wie Spinat oder Trockenfrüchte wie Aprikosen sowie durch Eisentabletten beeinflussen und durch Säuren wie Vitamin C die Aufnahme von Eisen verbessern. Wichtig ist: Veganer sollten ihre Eisenwerte regelmäßig überprüfen lassen und ihren Eisenspeicher im Blick haben.
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Der Verzicht auf Fleisch kann aus folgenden Gründen gut für die Gesundheit sein: Die Massentierhaltung setzt auf den Einsatz von Antibiotika sowie gentechnisch veränderten Wachstumshormonen. Obendrein erfolgt in der Intensivtierhaltung eine Zwangsernährung mit gentechnisch veränderten und durch Herbizide und Pestizide belasteten Futtermitteln. Die Medikamente und giftigen Mittel sind natürlich in dem Fleisch, das die Menschen essen, enthalten. Bio-Fleisch ist immerhin weniger belastet, weil hier auf gentechnikfreie Futtermittel gesetzt wird, die Medikamentengabe streng geregelt ist und auf Pflanzenschutzmittel und synthetische Düngemittel verzichtet wird.
Veganer entscheiden sich gegen jedes Fleisch, ob Schwein oder Pute, ob billig oder bio. Vielleicht eine Win-Win-Situation, wenn durch Nahrungsergänzungsmittel mit Vitaminen (B12!) nachgeholfen wird. Aber Fleisch essen ist nicht per se gesund oder ungesund. Denn selbst bei Fleischsorten gibt es gesündere und weniger gesunde: mageres und helles vs. fettes und rotes Fleisch. Manche Menschen essen billiges und übermäßig viel Fleisch, andere setzen auf Augenmaß und Qualität.
In großem Umfang schadet Fleischkonsum dem Körper jedenfalls zusätzlich. Zu viel tierisches Eiweiß erhöht nämlich das Krebsrisiko und fördert die Entwicklung einer Fettleber. Veganer müssen sich mit dieser Problemquelle nicht beschäftigen.
Auch Cholesterin ist für Veganer kein Schreckensgespenst. In fettem Fleisch, Wurst und Speck stecken viel Cholesterin, also Fett, und viele gesättigte Fettsäuren. Bei hohem Verzehr steigen die entsprechenden Blutwerte – es kommt zu Ablagerungen in den Gefäßen. Veganer haben durch ihren Fleischverzicht niedrigere Gesamt- und niedrigere LDL-Cholesterinwerte als Fleischesser und damit ein geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten.
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Vegane Ernährung bei Kindern: Viele Experten raten ab
Wie gesund ist nun vegan essen? Man kann leider keine klare Antwort auf die Frage geben, weil selbst Experten unterschiedlicher Meinung sind. Bei einer rein pflanzlichen Ernährung sei „eine ausreichende Versorgung mit einigen Nährstoffen nicht oder nur schwer möglich“, postuliert die Deutsche Gesellschaft für Ernährung. Die vegane Ernährungsform könne zu Mangelerscheinungen führen. Wer sich vegan ernährt, müsse deshalb besonders auf eine ausreichende Versorgung mit manchen Nährstoffen achten, etwa über Nahrungsergänzungsmittel oder durch mit den Nährstoffen angereicherten Lebensmitteln. Laut DGE sei während der Schwangerschaft und Stillzeit besonders Vorsicht geboten. In dieser Zeit bestehe bei einer veganen Ernährung ohne Einnahme von Supplementen das Risiko schwerer neurologischer Störungen und Entwicklungsverzögerungen für das Kind.
Im Ausland sehen das die Gesellschaften für Ernährung wiederum anders. Die amerikanischen oder australischen Pendants beispielsweise, die Academy of Nutrition and Diabetics und das National Health and Medical Research Council, halten eine gut geplante vegane Ernährung für geeignet – in allen Altersgruppen und auch während der Schwangerschaft und Stillzeit.
In einem sind sich alle einig, von DGE bis Vegetarier Bund und Vegane Gesellschaft Deutschland: Vitamin B12 gilt als besonders kritisch und muss bei veganer Ernährung ergänzt werden. Vitamin B12 kommt fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln wie Fisch, Fleisch, Eiern und Milchprodukten vor. Es steckt auch in fermentierten Lebensmitteln wie Sauerkraut oder Chlorella-Algen, allerdings nur in sehr geringen Mengen, daher sind sie quasi zu vernachlässigen. Bei einem Mangel an Vitamin B12 kann es zu Blutarmut und einer irreversiblen Nervensystemschädigung kommen.
Potenziell kritisch sind außerdem die Vitamine Vitamin D, Vitamin B2, sowie die Mineralstoffe und Spurenelemente Calcium, Jod, Eisen und Zink sowie die Omega-3- Fettsäuren. Allerdings hat die ganze deutsche Bevölkerung Schwierigkeiten mit der Versorgung mit Jod und Vitamin D, nicht nur Veganer.
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Und wie gut ist vegane Ernährung für Kinder? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung und European Society of Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition raten von einer veganen Ernährung bei Kindern ab. Warum? Zum einen haben Säuglinge, Kinder und Jugendliche während des Wachstums einen hohen Anspruch an die Nährstoffdichte, und zudem ist bei Säuglingen, Kleinkindern und Kindern der Nährstoffspeicher sehr gering. Daher bestehe bei ihnen das Risiko für die Entwicklung von Nährstoffmangelzuständen, wenn sie sich vegan ernähren, warnen die Gesellschaften. Die Neugeborenen und Heranwachsenden bräuchten in ihrem Lebensmittel-Mix regelmäßig eine bestimmte Menge Fett sowie tierische Lebensmittel wie Milchprodukte und Fisch, damit sie mit Energie, Kalzium, Riboflavin, tierischen Proteinen, langkettigen n-3-Fettsäuren, Vitamin D und Vitamin B12 versorgt werden. Ernährungsgesellschaften der Amerikaner und Australier finden eine ausgewogene vegane Ernährung bei Kindern, wie bereits erwähnt, hingegen geeignet.
Fazit
Selbst in Fachkreisen ist man sich nicht einig, ob vegan essen gesund oder ungesund ist. Welchen Studien oder Institutionen will man glauben? Die Vor- und Nachteile veganer Ernährung machen sich erst Jahre oder Jahrzehnte später bemerkbar. Fakt ist, dass vegan essen nur in ausgewogener Form und in Kombination mit Nahrungsmittelergänzung zu empfehlen ist. Eine regelmäßige Kontrolle beim Arzt und Beratung durch einen Ernährungsexperten, auch bezüglich Nahrungsergänzungsmitteln, sind sicher ratsam. Und: Für den gesamten Gesundheitszustand spielt natürlich auch immer ein gesunder Lebensstil eine wichtige Rolle – ob Veganer oder Allesesser. Dazu gehören zum Beispiel viel Bewegung an der frischen Luft, wenig Süßes, wenig Salz, wenig Fett und wenig Alkohol.