"Ich will für meinen Sohn der Vater sein, den ich selbst nie hatte." Esquire Townhouse-Star Malick Bauer über eine neue Generation von Männern
Esquire Townhouse. Schon zum dritten Mal trifft sich die Esquire Community, dieses Jahr am 14. November in Berlin. Das Konzept in nur drei Worten: Talks, Workshops, Party. Dieses Mal wollen wir über moderne Männlichkeit sprechen – weltoffen, klar, mit Haltung. Unsere Wahl fiel auf drei gute Typen, einer von ihnen: Malick Bauer – von dem wir im Leben wir in seinen Rollen so viel lernen können. Zum Beispiel auch über Männlichkeit. Und dabei stellt sich auch die Frage: Wie bringt man der kommenden Generation bei, ein guter Typ zu sein? Darüber haben wir mit Schauspieler Malick Bauer gesprochen, der nicht nur ein Ausnahmetalent ist, sondern auch Vorzeigepapa eines (fast) fünfjährigen Sohnes.
Interview: Daniel Schieferdecker
Styling: Josepha Rodriguez
Foto: Ronald Dick
Esquire: Auf deinem Insta-Channel gibt es einen Post von dir, wo du deinen Sohn auf den Schultern trägst und dazu geschrieben hast, dass du damit gesegnet seist, Vater zu sein. Was genau wolltest du damit ausdrücken?
Malick Bauer: Das fängt schon mit dem Schmerz in mir an, dass mein eigener Vater nicht lange in meinem Leben war und ich daher weiß: Das ist keine Selbstverständlichkeit. Ich war sechs, als mein Vater wieder zurück ist an die Elfenbeinküste. Ab da hatten wir nur sehr sporadisch Kontakt. Hier mal ein Brief, da mal ein Anruf. Nicht so, wie man das als Sohn gebraucht hätte. Deshalb ist es mir nun sehr wichtig, für meinen Sohn der Vater zu sein, den ich selbst nie hatte.
In einer der ersten Szenen von Sam – Ein Sachse sagst du in deiner Rolle: „Nur wer den Schrei einer gebärenden Frau in der Stunde der Geburt gehört hat, versteht den wahren Sinn des Lebens.“ Würdest du diesem Satz als Malick auch zustimmen?
Absolut. In dieser Geburtssituation habe ich außerdem verstanden, warum sich Männer mal das Patriarchat ausgedacht haben.
Wie meinst du das?
Ich bin mit 1,93 Metern ein relativ großer Mann, aber ich habe mich noch nie so klein gefühlt wie in dem Moment, als meine Frau meinen Sohn zur Welt gebracht hat. Das ist einfach die Essenz des Lebens, dieses vollkommen Wahrhaftige; etwas, wonach man als Künstler*in ja immer strebt. Ich weiß außerdem noch, wie mir mit der Geburt meines Sohnes plötzlich bewusst wurde: Mein wundester Punkt liegt nun nicht mehr in mir selbst, sondern außerhalb.
Dein Sohn wird bald fünf. Welche Werte versuchst du ihm jetzt bereits mitzugeben?
In erster Linie Grundlagen des Miteinanders. Dass man andere so behandelt, wie man selbst gerne behandelt werden möchte. Gleichzeitig ist es mir aber auch wichtig, dass er seine Emotionen ausleben kann. Er soll sich nicht blind gesellschaftlichen Anstandsnormen unterordnen, sondern authentisch bleiben. Und das ist gar nicht so leicht bei der Menge an sozialen Kastrationen, denen man unterworfen ist.
Würdest du von dir selbst behaupten, ein guter Vater zu sein?
Ich versuch’s. Aber das zu beurteilen steht mir nicht zu. Diese Frage muss mein Sohn irgendwann beantworten.
Genderthemen stehen heute stark im Fokus. Wie gehst du die Herausforderung an, die Thematik als Vater zu begreifen, zu verstehen und einzuordnen?
Meiner Frau und mir ist es ganz wichtig, unseren Sohn dafür zu sensibilisieren, andere Menschen nicht zu diskriminieren – in welcher Form auch immer. Es wird auch einen Zeitpunkt dafür geben, an dem ich mit ihm über Gendertheorien sprechen werde, aber der ist noch nicht jetzt. Trotzdem muss man schon früh den Grundstein dafür legen, anderen Menschen stets mit Respekt zu begegnen.
Uns ist es wichtig, unseren Sohn dafür zu sensibilisieren, andere Menschen nicht zu diskriminieren.
Malick Bauer
Ein anderes Thema, über das ich nur mutmaßen kann, ist Rassismus. Ich gehe mal davon aus, dass du in deinem Leben Rassismuserfahrungen gemacht hast. Hast du mitbekommen, dass dein Sohn auch schon damit konfrontiert worden ist?
Mein Sohn ist „white passing“, er hat halt eine weiße Mama. Bisher ist er davon noch verschont geblieben, aber es dürfte interessant werden, wie das für ihn wird: als Sohn eines Schwarzen Mannes, der anders gelesen durch die Gesellschaft läuft. Und natürlich können sich auch sein Gesicht und seine Haarfarbe noch mal ändern. Dahingehend habe ich viele Fragezeichen, wie das für ihn laufen wird. Aber ich weiß: Bei diesen Identitätsfragen muss ich später für ihn da sein.
Vater sein bedeutet auch, immer wieder an Grenzen zu stoßen. Etwas, was du aus deinem Job als Schauspieler natürlich kennst. Hast du das Gefühl, dass dir das in deiner Papa-Rolle hilft?
Aus der griechischen Komödie Der Selbstquäler des Dichters Terenz stammt der schöne Satz: „Ich bin ein Mensch, nichts Menschliches, denk ich, ist mir fremd.“ Genau darum geht es ja in der Schauspielerei: Empathie zu entwickeln – egal für wen. Und Empathie ist eine wichtige Säule des Vaterseins. Früher habe ich von meinen Großeltern oft solche Sätze gehört wie: „Das kann man ja wohl erwarten.“ Und auch: „Das gehört sich aber nicht.“ Davon habe ich mich frei gemacht, weil ich weiß, wie wichtig es ist, Gefühle aus sich herauszulassen. Wenn man das nicht schafft, wird man irgendwann zu einem Menschen, der gebückt und gebeutelt vom Leben vor sich dahinvegetiert.
Was wünschst du dir für deinen Sohn?
Ich hoffe, dass er sehr früh für sich herausfindet, wo sein Platz ist in dieser Welt. Und dass er dem mit ganz viel Lust und Erfüllung folgt; dass er Menschen in seinem Leben hat, die ihn als Wahlfamilie auf diesem Weg begleiten; dass er authentisch und unabhängig bleibt; jemand werden kann, der eigene Entscheidungen fällt und es auch aushält, wenn er damit auf Gegenwind stößt; dass er ein mündiger und integerer Mensch wird; dass er Prinzipien hat – auch dann, wenn es nicht meine sind.