Wo Berliner mal müssen - Tour zu den Toiletten der Hauptstadt
Ob historische Schmuckstückchen oder funktionale Automaten - bei den öffentlichen Toiletten bietet Berlin einige Abwechslung. Ein Stadtrundgang führt zu den stillen Örtchen der Großstadt.
Aus Gusseisen in elegantem Dunkelgrün steht das «Café Achteck» auf Berlins Gendarmenmarkt. «Der Name stammt daher, dass man hier seinen Kaffee wegbringen konnte», erklärt Anna Haase schmunzelnd der kleinen Runde. Fasziniert begutachtet die Gruppe die achteckige Toilette, während Klo-Besucher peinlich berührt in das WC rein- und rausflitzen.
Der Nachbau einer der ersten öffentlichen Toiletten Berlins, um 1880 erbaut, ist Ausgangspunkt der «Tour de Toilette». Vom Modell des 19. Jahrhunderts bis hin zur japanischen High-Tech-Toilette in der Kneipe «Das Klo» in Charlottenburg - Anna Haase bietet mit ihrer Führung zu den Bedürfnisanstalten der Hauptstadt Einblick in die Notdurft der Berliner.
«Ich habe damit ein Tabu gebrochen», verkündet die 60-Jährige. Klogang und öffentliche Hygiene seien nur selten Gesprächsstoff in der Hauptstadt - aber nicht nur dort. Mit dem Welttoilettentag am 19. November rücken die Vereinten Nationen das heikle Thema in die Öffentlichkeit. «Es ist der einzige Tag, an dem auf die Sozialhygiene aufmerksam gemacht wird», sagt Haase. Die Stadtführerin ist überzeugt: Auch in Berlin ist Hygiene ist ein großes Problem. Für Passanten gebe es nicht genug Toiletten.
Haase selber nimmt längst kein Blatt mehr vor den Mund. Bei den alten Griechen sei man mit Kollegen aufs Klo gegangen und machte dabei Geschäfte, erzählt sie mit Hilfe einer Mappe voller Bilder, Zeichnungen und Fakten. «So tabulos war es nie wieder.»
Nach Angaben der WALL AG, die 244 öffentliche Toiletten betreibt, sind pro Nutzung in der Regel 50 Cent fällig. Anna Haase findet die Preise des Dienstleisters zu teuer.
Für das Geld bekommt man allerdings einiges geboten: Die moderne Anlage in der Joachimstaler Straße am Kurfürstendamm erinnert eher an einen Spa als an ein öffentliches WC. Von ihrem Vorleben als Zufluchtsort für Drogensüchtige ist hier nichts mehr zu erkennen. Auf der eleganten Sitzbank können sich Freundinnen über ihre Einkäufe austauschen.
Früher habe sie auf der Tour ihren Kunden Bier angeboten, damit sie dann die Toiletten ausprobieren könnten, berichtet Haase. Heute geht sie mit ihnen im Café Kaisersaal am Potsdamer Platz einen Cappuccino schlürfen. Wer dann mal muss, kann jene Toilette benutzen, zu der auch der Kaiser zu Fuß hinging. Die Pissoirs aus schlesischem Marmor wurden nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Trümmern des Hotels Esplanade gerettet. «Kaiser Wilhelm II. hat hier seine Herrenabende ausgerichtet», erklärt die Stadtführerin begeistert.
Schon seit acht Jahren stehen bei Toiletten-Expertin Haase die Neugierigen für ihren Rundgang Schlange. «Wir kennen die Stadt, aber wenn man hier lebt und arbeitet, hat man seine Schienen», sagt Maggie Bernstein. Mit der Tour, einem Geburtstagsgeschenk von Freundinnen, erlebt die 50-Jährige ihre Stadt nun von einer anderen Seite. Und Lebenshilfe bietet der Rundgang für sie auch noch - «weil ich öfters muss».