Ein Zwilling ließ sich 19 Jahre lang Botox spritzen, der andere nicht – diese Bilder zeigen die Folgen
Wie man das Altern verlangsamen kann, ist ein heiß diskutiertes Thema. Einige nehmen täglich Nahrungsergänzungsmittel wie Vitamin D, Magnesium oder Kalzium ein; andere schwören sogar auf einen Löffel Fischöl am Tag, um das Altern zu bremsen.
Und wieder andere versuchen nicht nur von innen, das Altern zu verlangsamen, sondern greifen mit medizinischen Behandlungen auch zu drastischeren Mitteln. Besonders hoch im Trend: die „präventive“ Botox-Behandlung.
Kaum eine andere Behandlungsform werde derzeit so stark beworben, wie minimalinvasive Gesichtsverjüngungsmaßnahmen, sagt auch Helge Jens. Er ist Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie und Sekretär der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie (DGÄPC). Die beliebteste davon sei die Behandlung mit dem Nervengift Botulinumtoxin – kurz: Botox.
Im Jahr 2023 gingen rund zehn Prozent aller Behandlungen der DGÄPC auf Injektionen mit Botox zurück. Das Nervengift wird dabei nicht nur eingesetzt, um bereits entstandene Falten zu mildern, sondern auch, um zu verhindern, dass sie überhaupt erst entstehen. Wie wirksam solche präventiven Maßnahmen sein können, zeigt eine Studie des plastischen Chirurgen William J. Binder aus Los Angeles.
Einmal mit, einmal (fast) ohne: die Botox-Zwillingsstudie
Binder führte eine Studie mit eineiigen Zwillingen durch, die 2006 in der Fachzeitschrift „Archives for Facial Plastic Surgery“ veröffentlicht wurde. Jetzt – fast zwei Jahrzehnte später – gehen die Fotos erneut in sozialen Netzwerken viral.
Über einen Zeitraum von 13 Jahren wurde einer der Zwillingsschwestern zwei- bis dreimal jährlich Botulinumtoxin unterspritzt – und zwar seit ihrem 25. Lebensjahr. Die andere Schwester wurde hingegen deutlich weniger behandelt: Sie ließ sich in den 13 Jahren insgesamt nur zweimal Botox spritzen.
Der Unterschied im Erscheinungsbild der Schwester mit insgesamt 26 Botulinum-Behandlungen im Vergleich zu ihrem Zwilling macht sich anhand Binders Bildern bereits im Alter von 38 Jahren bemerkbar:
Folgestudie sechs Jahre später
Sechs Jahre später – und 19 Jahre nach Beginn der Studie – wurden die mittlerweile 44-jährigen Zwillingen erneut untersucht. Binder stellte im Gesicht der wenig-behandelten Schwester sichtbare Falten fest, im Gegensatz zu ihrem Zwilling, der mehrmals im Jahr Botox gespritzt worden war: Ihre Haut zeigte keine auffälligen Falten oder deutliche Merkmale des Alterns auf.
Allerdings räumte der in Beverly Hills ansässige Arzt ein, dass bestimmte Faktoren in seiner ersten Studie im Jahr 2006 nicht beeinflussbar waren: Dazu zählt beispielsweise die jeweilige Ernährung, Sonnenexposition, der Lebensstil und das Gewicht.
Auch der Wohnsitz der beiden Schwestern könnte einen Einfluss auf die Ergebnisse gehabt haben: Der wenig-behandelte Zwilling lebte in München, wobei die häufig-behandelte Zwillingsschwester während der Studie in Los Angeles (mit höherem UV-Index) wohnte.
In seiner Zweitforschung versuchte Binder diese Variable besser zu kontrollieren: Er sorgte dafür, dass beide Schwestern Nicht-Raucherinnen waren, täglich Sonnenschutz auftrugen, einem aktiven Lebensstil und einer gesunden, ausgewogenen Ernährung folgten. Die Ergebnisse dieser Folgestudie zeigten erneute Unterschiede, vor allem im Bereich der Augenpartie sowie dem Hautbild der Zwillinge:
Julian Kricheldorff, Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie, sagte im Interview mit Business Insider, er sei der Überzeugung, es gebe „kein Kosmetikprodukt, bei dem der Benefit so groß ist wie bei Botox“. Außerdem fügte er hinzu, „dass es sich lohnt, früh anzufangen, um diese tiefen Falten gar nicht erst zu bekommen“. Kricheldorff versteht Botox zwar eher als Anti-Aging-Behandlung, allerdings könne das Mittel trotzdem keine Wunder bewirken.
Trotz dieser scheinbaren Vorteile von Botox, müsse man beachten, dass eine Behandlung mit Botulinumtoxin nicht risikofrei sei. Obwohl das Nervengift bereits seit etwa 35 Jahren auf dem Markt ist, gibt es bei einer Botox-Therapie potenzielle Risiken und Nebenwirkungen. Dazu gehören, zusätzlich zu dem Schmerz beim Spritzen, eventuell blaue Flecke sowie Schwellungen an der Einstichstelle. Selten, aber möglich, ist es auch, allergisch auf den Inhaltsstoff zu reagieren. Dies kann zu Hautausschlägen, Juckreiz oder Atembeschwerden führen.
Außerdem warnt der Facharzt vor Asymmetrien bei einer schlechten Injektionstechnik. Als Folge können zum Beispiel hängende Augenlider entstehen, wenn Botox in nahegelegene Muskelgruppen diffundiert. Menschen mit neuromuskulären Erkrankungen wie ALS, dem Lambert-Eaton-Syndrom oder Myasthenia gravis sollten eine Botox-Behandlung gar nicht erst in Erwägung ziehen. „Und man darf natürlich nicht schwanger sein oder stillen“, ergänzt Kricheldorff.
Der DGÄPC warnt vor Beautyketten und „Anbietern ohne ausreichende Qualifikation“, die das Heilmittelwerbegesetz umgehen. Er rät, wenn überhaupt, zu einer niedergelassenen Ärztin oder einem Arzt zu gehen.