Andrea Rosso im Interview über nachhaltige Botschaften und Denim-Innovationen bei Diesel

Diesel Frühjahr/Sommer 2025

Das Setting der Diesel-Show für Frühjahr/Sommer 2025: fast 15 Tonnen Denimabfall

Getty Images/Vittorio Zunino Celotto,

Als Glenn Martens seine Diesel-Kollektion für den Frühling und Sommer 2025 während der Mailand Fashion Week präsentierte, erinnerte das Setting noch mal an die großen unnachhaltigen Probleme der Mode. Verschwendung, Müll, Überkonsum. Die Models liefen immerhin durch 14.800 Kilogramm Denim-Reste, um „die Schönheit von Abfall zu zeigen“, wie der Designer es nach der Show formulierte. Er zeigte dabei schließlich auch einen Teil der Lösung auf: Diesel hat sich dazu verpflichtet, alle Reste im Nachgang wiederzuverwenden. Schon rund 80 Prozent der Laufstegkollektion bestanden aus recyceltem Denim. Ein bodenlanger Mantel wie eine Mönchskutte sogar zu 100 Prozent; ein anderer Mantel, ein Einzelstück, wurde aus übergebliebenen Baumwollfäden von unzähligen Spulen gefertigt.

Wie nachhaltig ist Diesel heute?

Bei Diesel hat man die eigenen Nachhaltigkeitsinitiativen rasant beschleunigt. Waren vor ein paar Jahren noch gerade einmal drei Prozent der Baumwolle für die Jeans wahlweise recycelt, biologisch oder regenerativ, sind es heute rund 50 Prozent. Nach der gewaltigen Show in Mailand wurde Diesel bei den Sustainable Fashion Awards mit einem Preis für die eigene Kreislaufwirtschaft ausgezeichnet.

Diesel Frühjahr/Sommer 2025

Diesel Frühjahr/Sommer 2025

Getty Images/Estrop,

Unter dem Motto „For Responsible Living“, das mittlerweile das bekannte „For Successful Living“ ergänzt, gibt es zahlreiche Projekte. Etwa Diesel Rehab Denim, das teilweise aus dem eigenen Abfall gefertigt wird. Die Diesel Library enthält Evergreens, die nachhaltiger hergestellt sind, niemals aus dem Programm genommen werden und damit auf Langlebigkeit angelegt sind. Unter Diesel Second Hand werden abgelegte Stücke von Kund*innen aufbereitet und wieder verkauft. Das Programm Diesel Loves bietet Raum für Kooperationen, bei denen zwei Brands ihr Deadstock und die Fertigung teilen, um daraus etwas Neues zu machen. Nach Lee wurde darunter gerade eine Kollektion mit Timberland lanciert.

Hinter dem nachhaltigen Fortschritt steckt nicht nur Kreativchef Glenn Martens, sondern viele engagierte Menschen bei Diesel. Einer von ihnen ist Andrea Rosso, Sohn des Gründers Renzo Rosso. Er trägt den Titel Sustainability Ambassador, arbeitet dabei vor allem hinter den Kulissen. Harper’s Bazaar hat ihn zum Interview getroffen.

Andrea Rosso

Andrea Rosso

Alecio Ferrari,

Andrea Rosso, Sustainability Ambassador von Diesel, im Interview

Harper's Bazaar: Sie sind Sustainability Ambassador bei Diesel. Was bedeutet dieser Titel eigentlich?

Andrea Rosso: Es ist ein lustiger Titel. Die meisten Leute müssen ein wenig schmunzeln, weil er so politisch klingt. Und das ist er auch, denn ich werbe intern und extern für Nachhaltigkeit, sorge dafür, dass Menschen miteinander sprechen. Bis hin zu den Mitarbeiter*innen in den Stores.

Welche Rolle spielen die zum Beispiel?

A.R.: Die Mitarbeitenden im Store sind die, die den Menschen unser Produkt wirklich näher bringen können. Kaufen sie ein Produkt, weil es nachhaltig ist? Vielleicht nicht. Aber sie können einen positiven Einfluss auf den nächsten Kauf haben.

Gab es einen konkreten Moment, in dem Sie dachten: Hier bei Diesel muss sich etwas verändern?

A.R.: Wir haben in der Anfangsphase unserer Strategie „For Responsible Living“ im Jahr 2020 intern jede*n gefragt: Was ist Nachhaltigkeit für Sie? Die Resonanz war riesig. Wir kamen mit unserer Strategie vielleicht etwas später als andere, dafür sind wir jetzt umso schneller.

Auch wenn wir nicht direkt zusammenarbeiten: Wir arbeiten zusammen an etwas.

Andrea Rosso

Hat man wegen der Nachhaltigkeit auch Glenn Martens als Kreativdirektor engagiert?

A.R.: Ich habe ihn nicht eingestellt, aber als er zu Diesel kam, wusste er, dass wir an der Strategie arbeiten. Er hat sie von Anfang an unterstützt. Unsere Mitarbeiter*innen waren alle bestens vorbereitet, aber sobald man einen Kreativdirektor mit einem ähnlichen Mindset hat, geht es noch schneller.

Glenn Martens hat uns in einem Interview erzählt, dass er die gesamte Lieferkette genau studieren wollte und durfte, als er zu Diesel kam. Wie hat sich das ausgewirkt?

A.R.: Unser Bereich Research & Development ist sehr technisch und muss die Anforderungen des Kreativteams erfüllen. Wenn die Kreativen, in diesem Fall Glenn, wissen, dass sie sich auf die Expertise dieses Teams verlassen können und auf deren Beziehungen zu unseren Lieferanten, ist das schon mal ein guter Start. So konnten Neuerungen wie Denim, das zu 100 Prozent aus recycelter Baumwolle besteht, gleich implementiert werden.

Wie eng arbeiten Sie mit Glenn Martens zusammen?

A.R.: Wir kommunizieren nicht jeden Tag, aber er hat nachhaltige Produkte von Anfang an gepusht. Auch wenn wir nicht direkt zusammenarbeiten: Wir arbeiten zusammen an etwas.

Diesel Frühjahr/Sommer 2025

Diesel Frühjahr/Sommer 2025

Getty Images/Estrop,

Was sind im Moment Ihre größten Herausforderungen?

A.R.: Diesel ist international, sehr viele Menschen kennen uns. Man könnte also sagen: Wir sind ein großer Elefant im Raum – und den bewegt man nicht so schnell. Um in den Bereichen Baumwolle, Wasserverbrauch, Chemikalien oder Veredelung etwas zu ändern, braucht es Zeit, Geld und Risikobereitschaft. Wenn wir ein Projekt starten, beginnen wir mit einer kleinen Unit, die wir dann skalieren müssen. Das kann schon mal ein paar Jahre dauern.

Es ist also vor allem die Größe?

A.R.: Ja, aber das Gute ist auch: Wenn der Elefant sich bewegt, bekommen es alle mit. Bei der Ameise nicht. Wir hatten im Jahr 2020 noch genau null Prozent nachhaltigeren Content in unseren Kollektionen, heute sind wir bei weit mehr als der Hälfte.

Textilinnovationen sind eine Stärke von Diesel. Was begeistert Sie in diesem Bereich aktuell?

A.R.: Wir haben ein fantastisches Produkt, das zu 100 Prozent aus recycelten Materialien besteht, von der Baumwolle bis zum Elasthan. Die Baumwolle aus unseren eigenen Abfällen wird dafür geschreddert und wieder der Spinnmaschine hinzugefügt. Gefärbt wird alles mit der patentierten Dry-Indigo-Technologie von einem unserer spanischen Partner. Wir arbeiten an vielen Projekten parallel.

Woran noch?

A.R.: Wir suchen zum Beispiel nach einem Ersatz für Baumwolle.

Das ist ein Statement für eine Denim-Brand. Haben Sie schon eine Alternative gefunden?

A.R.: Es gibt heute noch keinen adäquaten Ersatz für Baumwolle. Aber es gibt andere Fasern, die man während der Verarbeitung so verändern kann, dass sie wie Baumwolle aussehen und sich wie Baumwolle anfühlen. Baumwolle mit ihren soften Knospen ist für mich eine fantastische Pflanze, aber sie verbraucht viel Wasser und benötigt Zeit, um zu wachsen. Ökologischer und regenerativer Anbau sind beides kein Ersatz, aber schon jetzt eine bessere Lösung für uns.

Kund*innen sollten heute bewusste Entscheidungen treffen und gleichzeitig etwas kaufen, weil sie es mögen.

Andrea Rosso

Der Markt für innovative Materialien galt zuletzt als vielversprechend, doch im vergangenen Jahr gab es viele Rückschläge, Insolvenzen und Produktionsstopps. Sie haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben?

A.R.: Eine neue Technologie muss skalierbar sein und dem Bedarf der Kund*innen entsprechen. Wir müssen uns jedes Mal genau überlegen, wie und in welchem Umfang wir ein neues Material einsetzen können. Zusammenarbeit ist immer der Schlüssel zwischen Start-up, Brand und Lieferkette.

Lassen Sie uns über den Claim „For Responsible Living“ sprechen. Er ist einerseits von Diesels „For Successful Living“ abgeleitet, aber klingt auch nach einem Appell an die Kund*innen.

A.R.: Kund*innen sollten heute bewusste Entscheidungen treffen und gleichzeitig etwas kaufen, weil sie es mögen. Ich glaube fest daran, dass wir Menschen ordentlich aufklären müssen. Wir versuchen das seit dem vergangenen Jahr mit unserer Videoreihe „Behind the Denim“. Sie gibt tiefe Einblicke in die Materie, aber eben im Diesel-Stil. Unterhaltsam und nicht langweilig wie sonst so oft. Wir beide haben jetzt eine Stunde über Nachhaltigkeit gesprochen – es ist ein Wunder, dass Sie noch nicht eingeschlafen sind.

Behind the Denim: Sehen Sie hier die Episode mit Andrea Rosso

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