Dieses Buch erklärt, warum die Welt mehr Weisheit von Frauen braucht
Heilerinnen, Schamaninnen, Hebammen – all diese weisen Frauen haben Jahrtausende lang ihr wertvolles Wissen weitergegeben. Sie haben jüngeren Generationen alles beigebracht, was sie über Pflege und Heilkunde, Spiritualität und Sexualität wissen mussten. Und doch sind es Männer, die heute in den Lehrbüchern stehen. Denn das alte Wissen von Frauen wurde von Männern im Patriarchat abgewertet und ignoriert, als Aberglaube abgetan und vernichtet.
Miriam Stein will die weibliche Weisheit zurückbringen, denn sie ist der festen Überzeugung: Mehr Wissen von weisen Frauen würde der Welt guttun. Deshalb hat sie ein Buch geschrieben mit dem Titel „Weise Frauen. Warum unsere Gesellschaft mehr weibliches Wissen braucht – eine Spurensuche“. Dafür hat die Bestseller-Autorin und Kulturjournalistin mit Weisheits- und Altersforscherinnen gesprochen und ist bis nach Chile und Mexiko gereist. Das Buch, das daraus entstanden ist, nennt sie selbst eine „Ode an verschollenes, entwertetes ‚Frauenwissen‘ und deren Hüterinnen.“
Die Suche nach weiblicher Weisheit
Weisheit hat ein Image-Problem, erklärt Miriam Stein. „Weisheit ist zwar nicht per se einem bestimmten Geschlecht oder Lebensabschnitt zuzuordnen, doch generell wird sie in der westlichen Welt bärtigen, runzeligen Männern zugeschrieben.“ Es habe zwar in der Menschheitsgeschichte immer wieder weise Frauen gegeben. „Generell herrscht jedoch ein akademisch anerkannter Aberglaube, nach dem Frauen nicht rational denken können und somit unqualifiziert für wahres Expertentum sind“, stellt Miriam Stein in ihrem Buch fest.
Das liegt unter anderem daran, dass man Frauen sehr lange den Zugang zu Weisheitsquellen verwehrt hat. Mädchen durften nicht zur Schule gehen, an Universitäten dürfen Frauen in Deutschland erst seit etwa hundert Jahren studieren. Einige weise Frauen haben es trotzdem geschafft, ihr Wissen entgegen aller Hindernisse der Männerwelt durchzubringen, zum Beispiel die mittelalterliche Mystikerin Hildegard von Bingen oder die englische Philosophin Anne Conway. Die meisten wurden aber ignoriert und unterdrückt. Miriam Stein fragt sich: Wo würden wir heute stehen, wenn man dieses Frauenwissen nicht Jahrhunderte lang entwertet hätte?
Doch auch heute ist unser Umgang mit weisen Frauen nicht viel besser. So bekommen, nach Meinung von Miriam Stein, bei einer älteren Frau die Falten in ihrem Gesicht und die Rundungen auf ihren Hüften mehr Aufmerksamkeit als das Wissen und die Erfahrung, die sie in ihrem Leben gesammelt hat. Zu oft werden ältere Frauen aus der Arbeitswelt gedrängt, statt ihre Weisheit zu nutzen. Die traurige Folge: „Frauen häufen in ihrem leben Weisheit an, doch ihre Weisheit bleibt verborgen, nur wenigen hört man zu“.
Wie wird man eine weise Frau?
Die Autorin wünscht sich eine feministische Weisheit, die uns im Alltag begleitet, die körperliche Leiden von Frauen erklärt, bei denen die jetzige Medizin an ihre Grenzen stößt. Eine Weisheit, die uns wie Straßenlaternen den Weg durchs Leben ausleuchtet. In dem Buch findet sich eine große Auswahl weiser Frauen aus aus der Vergangenheit, aber auch weise Heldinnen der Gegenwart wie die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Aus ihren Geschichten webt Miriam Stein einen Teppich weiblicher Weisheit.
Aber wie wird man nun eine „weise Frau“? Und was zeichnet eine „weise Frau“ aus? Die gute Nachricht lautet: „Die weisen Frauen, denen ich auf meiner Spurensuche begegnet bin, haben mich gelehrt, dass jede von uns das Potenzial in sich trägt, weise zu werden.“ So können weise Frauen ganz unterschiedliche Facetten und Einflüsse haben: „Aktivismus, generationenübergreifender Austausch, aber auch bemuttern und begroßmuttern, auch und besonders im biologischen Sinne, gehört dazu.“ Egal, wie genau diese Weisheit sich am Ende ausdrückt, Miriam Stein ist sich sicher: „Die Zeit ist reif für weise Frauen. Überall.“ Und weil sie selbst auch eine weise Frau sein will, hat sie eine Strategie entwickelt, die wir uns alle abschauen können: Eine ganz persönliche Weisheitsskala. Vor jeder Entscheidung, jedem Instagram-Kommentar, jedem Rat an eine Freundin fragt sie sich: Wie weise ist das auf einer Skala von 0 bis 5?