Dumm stellen als Strategie: Wie „Weaponized Incompetence“ Beziehungen negativ beeinflusst

weaponized incompetence

Wie beeinflusst Weaponized Incompetence, also bewusstes Dumm stellen, unsere Beziehungen? Und wie geht man mit dieser Art Manipulation um?

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Ich muss Ihnen etwas gestehen … Ich habe mich schon einmal absichtlich dumm gestellt, um eine Aufgabe nicht erledigen zu müssen. Besonders gerne mache ich das, wenn ich mit meinem Freund in einer fremden Stadt unterwegs bin. Er kann einfach viel besser das Navi lesen als ich; und Spaß macht es ihm bestimmt auch! Da schalte ich doch gerne mal meinen Kopf ab und laufe treudoof hinterher.

Blind seinem Partner folgen
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Ob Strategie oder unbewusst: Das Dumm stellen hat einen Namen

Vermutlich bin ich mit diesem Verhalten nicht allein. Wahrscheinlich hat fast jede*r schon einmal bewusst oder unbewusst auf diese Strategie zurückgegriffen – sei es, um sich um das Einräumen der Waschmaschine à la „Du hast da doch deine ganz spezielle Technik, mach du das lieber“ zu drücken oder technische Probleme bequem an jemand anderen weiterzugeben. Genauso kennen wir es vermutlich von der anderen Seite: Man bittet jemanden um Hilfe, doch plötzlich scheint die einfachste Aufgabe unerklärlich kompliziert.

Dieses Phänomen hat einen Namen: „Weaponized Incompetence“, also strategische Inkompetenz. Dabei stellt sich eine Person absichtlich unfähig an, um eine unliebsame Aufgabe loszuwerden – oft mit Erfolg. Mal ist es ein harmloser Trick, mal entwickelt es sich zu einem unausgesprochenen Muster. Im schlimmsten Fall werden so Beziehungen im Arbeits-, Freundschafts- oder romantischen Kontext belastet.

Konfliktsituation

„Weaponized Incompetence“ kann zur Belastung in Beziehungen werden

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Ein schmaler Grad zwischen Aufgabenteilung und Machtspiel

Die Paartherapeutin Andrea Bräu kennt dieses Verhalten nur zu gut aus ihren Sitzungen. Sie erklärt: „Dahinter steckt nicht immer böser Wille. Manchmal haben sich Paare unausgesprochen darauf geeinigt, dass jede*r in bestimmten Bereichen ,inkompetent‘ bleibt“ – ein Muster, das bequem sein kann, solange es nicht zu Frust führt.

Problematisch wird es, wenn sich eine Seite durch dieses Ungleichgewicht benachteiligt fühlt und sich die Aufgabenteilung als Machtspiel entpuppt. Denn seien wir mal ehrlich: Die meisten unliebsamen Aufgaben haben in der Regel nicht unbedingt etwas mit Können zu tun.

Frau stellt sich schlafend
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Wie erkennt man „Weaponized Incompetence“?

Wie man „Weaponized Incompetence“ erkennen kann, ist daher auch recht simpel. Frau Bräu erklärt, dass ein erwachsener Mensch grundsätzlich dazu in der Lage ist, eine Aufgabe zu befolgen, nachdem sie ein oder zwei Mal gezeigt wurde. Wer danach immer noch vorgibt „Es einfach nicht zu können“, möchte vielleicht auf ein grundlegenderes Problem aufmerksam machen: „Ich habe es bei Paaren schon erlebt, dass der eine dem anderen eins reinwürgen wollte. Der wollte einfach seine Macht demonstrieren und hat jedes Mal seine schwarze Socke in die weiße Wäsche geschmuggelt. Das ist passiv-aggressives Verhalten, da sollte man dann unbedingt das Gespräch suchen und sich mal fragen, was eigentlich los ist.“

Zwei Sprechblasen

Kommunikation ist wie immer die beste Lösung

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Wie kann man „Weaponized Incompetence“ lösen?

Wie bei den meisten Problemen ist auch hier die Lösung: Kommunikation. Die Paartherapeutin rät jedoch dazu, nicht mit einem Vorwurf in das Gespräch zu treten. Fragen wie: „Was brauchst du, damit sich etwas ändert? Sollen wir die Wäsche vorsortieren oder anders angehen?“, eignen sich zum Beispiel.

„Ich würde nicht direkt mit einem Angriff starten – die meisten Menschen machen bei einem Vorwurf dicht. Erstmal sollte man freundlich sein, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem ich nicht mehr um den heißen Brei herumreden kann und es klar ansprechen muss.“

Es kommt – wie immer – auf die Balance an

Gleichzeitig kann es sinnvoll sein, die eigenen Erwartungen zu hinterfragen: Muss wirklich alles exakt so erledigt werden, wie man es selbst für richtig hält? „Dieser Anspruch, dass alles genauso sein muss, wie man es selber machen würde, führt automatisch zu einer Inkompetenz beim anderen“, erklärt Andrea Bräu.

Letztlich geht es um Verantwortung – für die eigenen Aufgaben, aber auch für ein faires Miteinander. Denn während kleine Ungeschicklichkeiten im Alltag harmlos sein können, wird es kritisch, wenn sie zum Mittel werden, um sich vor unbequemen Pflichten zu drücken. Und manchmal kann das Kopf ausschalten auch ganz gut tun, sagt die Therapeutin mit einem Augenzwinkern: „Meine beste Freundin übernimmt auch immer das Navi, wenn wir unterwegs sind, die geht da richtig auf. Dafür koche ich jede Woche bei unserem Mädelsabend.“ Weaponized Incompetence kann also durchaus okay sein, solange sich alle Beteiligten damit wohlfühlen.