Experten( )Wissen: 5 Fakten, die ihr noch nicht über Intensivstationen wusstet

Intensivmediziner Prof. Dr. Thorsten Brenner im exklusiven Interview

In Krankenhäusern gibt es diese eine Station, von der man weiß, dass es dort wirklich um Leben und Tod geht: Die Intensivstation. Schon das Wort kann Patient*innen und deren Angehörige in Panik versetzen und die schlimmsten Assoziationen wecken. Im Interview mit Yahoo Life räumt der Intensivmediziner Prof. Dr. Thorsten Brenner mit ein paar Vorurteilen auf und erzählt, warum der mögliche Tod der Patient*innen nicht die größte Herausforderung ist.

Intensivstation von außen
Naturgemäß sind Intensivstationen mit vielen Ängsten verbunden. (Symbolfoto: Getty)

1. Intensivmedizin ist nicht nur sterile Gerätemedizin, sondern leidenschaftliches Teamwork

Tatsächlich gibt es keine andere Station in Krankenhäusern, in der die Behandlungsmöglichkeiten so umfassend, die Betreuung so engmaschig, der Kontakt zum Patienten oder zur Patientin so direkt und die Überwachung so durchgehend ist. In Teams sind Ärzt*innen sowie Pfleger*innen ganz nah dran an ihren Patient*innen und kümmern sich höchst individuell darum, dass es ihnen schnell wieder besser geht. Ziel unser aller Arbeit ist es, ihnen den Weg zurück ins Leben zu ermöglichen.

2. Die größte Herausforderung ist nicht das Überleben des Patienten

Aufgrund der schier unendlichen Möglichkeiten, die die heutige High-Tech-Intensivmedizin bietet, muss das Behandlungsteam jeden Tag wieder aufs Neue kritisch hinterfragen, ob der Weg zurück ins Leben überhaupt noch realistisch möglich ist und inwiefern das zu erreichende Therapieziel dem Patientenwunsch entspricht. Dieser Drahtseilakt zwischen dem technisch Möglichen, dem medizinisch Sinnvollen und dem Wunsch des Patienten bzw. dessen Angehörigen ist eine der größten Herausforderungen in der modernen Intensivmedizin. Häufig bringt das auch eine große Belastung für das Behandlungsteam mit sich.

3. In der Intensivmedizin arbeiten viele unterschiedliche Berufsgruppen

Das Team auf Intensivstation besteht nicht nur aus Pflegenden und Ärztinnen und Ärzten, sondern umfasst weitaus mehr Berufsgruppen. Um beispielweise die antiinfektive Therapie so passgenau wie möglich machen zu können, arbeiten wir ganz eng mit Apothekern, Mikrobiologen und Virologen zusammen. Außerdem unterstützen Physiotherapeuten, Logopäden und Ergotherapeuten die Patienten beim Prozess der Genesung. Nicht zuletzt braucht es auch Psychologen und Seelsorger, die sowohl Patienten und deren Angehörige, teilweise aber auch dem Behandlungsteam in herausfordernden Situationen zur Seite stehen.

4. Die meisten Patient*innen sind bei Bewusstsein

Viele glauben, dass wir es auf den Intensivstationen zum größten Teil mit komatösen oder sedierten Patienten zu tun haben, was jedoch ein Irrglaube ist. Natürlich gibt es auch diese “schlafenden“ Patienten, wenngleich wir uns eine größtmögliche Wachheit wünschen, auch wenn es sich um schwerkranke Intensivpatienten handelt. Nur so wird es dem Patienten möglich gemacht, sich selbst in den eigenen Genesungsprozess mit einzubringen und zum Beispiel aktiv mit Physiotherapeuten oder Logopäden zusammenzuarbeiten.

5. Die Intensivstation ist keine geschlossene Einheit

Angehörige dürfen die Patientinnen und Patienten hier genauso besuchen wie auf den anderen Stationen. Das hat sogar eine enorme Bedeutung, denn der Kontakt zur Familie oder zu engen Freunden trägt wesentlich zum Genesungsprozess unserer Patienten bei. Ebenso ist der Besuch von Kindern oder Enkeln unserer Patientinnen und Patienten schon längst kein Tabuthema mehr. I

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m Gegenteil: Oftmals schaffen es gerade die kleinen Besucher, die Patienten vom eigenen Schicksal abzulenken und motivieren sie schon durch ihre reine Anwesenheit. Hierbei darf man allerdings nicht außer Acht lassen, dass Kinder als Besucher auf einer Intensivstation einer ganz besonderen Betreuung bedürfen und die Besuche professionell vorbereitet und begleitet werden müssen.

Unser Experte: Prof. Dr. Thorsten Brenner

Prof. Dr. Thorsten Brenner ist seit 2020 Direktor der Klinik für Anäs­the­sio­logie und Inten­siv­me­dizin am Univer­si­täts­kli­nikum Essen. Er hält einen Master of Health Busi­ness Admi­nis­tra­tion (MHBA) und trägt die Zusatz­be­zeich­nungen "Spezi­elle anäs­the­sio­lo­gi­sche Inten­siv­me­dizin" sowie "Notfall­me­dizin". Er hat seine Forschungs­schwer­punkte in den Berei­chen ange­bo­rene Immun­ant­wort bei Sepsis, septi­sche Koagu­lo­pa­thie sowie inno­va­tive Erre­ger­dia­gnostik bei Sepsis. Thorsten Brenner gehört als Vertreter der Sektion Intensivmedizin dem Präsidium der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI) an.

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