Forschende glauben: Arbeitssucht nimmt zu – und betrifft vor allem Frauen
Wenn wir uns einen klassischen Workoholic vorstellen, haben wir schnell einen erfolgreichen Manager vor Augen, der auch im Familienurlaub am Handy hängt und vor lauter Arbeit keine Zeit für Schlaf hat. Aber tatsächlich findet Arbeitssucht nicht nur auf den Führungsetagen statt, sondern betrifft sehr viele Menschen. Arbeitsforscher*innen vermuten, dass es in den kommenden Jahren mehr Arbeitssüchtige geben wird. Und eine Personengruppe ist dabei besonders gefährdet: Frauen.
Wenn Arbeiten zum Zwang wird
Eine Person ist arbeitssüchtig, wenn das Gefühl, arbeiten zu müssen, exzessiv und zwanghaft wird. Man rennt gefühlt immer den Aufgaben hinterher, nimmt sich kaum Zeit zum Durchatmen, ist die Erste, die morgens am Schreibtisch sitzt und die Letzte, die geht – und trotzdem fühlt man sich schlecht, wenn man mal Urlaub nimmt.
Laut einer Studie der Technische Universität Braunschweig leiden knapp 10 Prozent der Arbeitnehmer*innen in Deutschland unter Arbeitssucht. Und der Frauenanteil unter den Workoholics ist groß: So sind neun Prozent der Männer, aber 10,8 Prozent der Frauen betroffen.
Die Studie stammt aus dem Jahr 2018. Expert*innen vermuten aber, dass diese Zahl nach Corona noch deutlich angestiegen ist. Der Grund: Unsere Gesellschaft verändert sich und neue Arbeitsformen wie Homeoffice sorgen dafür, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmen. Auch der Fachkräftemangel in Deutschland führt dazu, dass die Belastung, die auf den einzelnen Mitarbeitenden lastet, immer größerer wird.
Frauen leiden unter Mehrfachrollen
Dass Frauen häufiger von Arbeitssucht betroffen sind, liegt an den Mehrfachrollen, die sie erfüllen müssen. Sie müssen nicht nur im Arbeitsleben performen, sondern haben parallel noch weitere Jobs, die zu Hause auf sie warten: Sie stemmen den deutlich größeren Teil an Haus- und Pflegearbeit. Besonders groß ist die Belastung für diejenigen Frauen, die auch noch einen Job als Mutter erfüllen müssen.
Solange wir in unseren 20ern, 30ern oder 40ern stecken und alles irgendwie läuft, merken wir gar nicht, was wir uns da eigentlich antun. Aber die Rechnung für unsere Arbeitssucht bekommen wir später. Denn Forschende der Ohio State Universität haben herausgefunden, dass Menschen, die viel arbeiten, später häufiger an schweren, chronischen Krankheiten leiden.
Auch bei dieser Studie zeigte sich: Frauen haben ein besonders hohes Krankheitsrisiko. Die Gefährdung steige zunächst ab 40 Arbeitsstunden pro Woche und noch einmal deutlich ab 50 Arbeitsstunden. Ab 60 Wochenstunden verdreifache sich sogar das Risiko an Herzerkrankungen, Krebs, Arthritis und Diabetes zu erkranken. Das Verrückte daran: Während Frauen mit vielen Überstunden ihre Gesundheit gefährden, hat Mehrarbeit bei Männern keine gesundheitlichen Auswirkungen.
So können wir jetzt gegensteuern
Arbeitssucht ist immer noch ein Tabuthema. Denn in unserer kapitalistischen Gesellschaft werden „fleißige“ Mitarbeitende gefeiert. Wenn man für seine mentale Gesundheit kürzer tritt, wird das als Schwäche ausgelegt. Deshalb ist es besonders wichtig, dass wir als Gesellschaft sensibler mit dem Thema Arbeitssucht umgehen.
Aber auch Arbeitgebende sind in der Verantwortung. Sie müssen ein gesundes Pensum an Arbeit festlegen, ihren Mitarbeitenden Grenzen aufzeigen und sie nicht immer zu noch mehr Leistung anfeuern. Am Ende lohnt es sich, denn Workaholics arbeiten zwar mehr, das Ergebnis ist aber schlechter und auf lange Sicht werden sie krank. Deshalb sollten wir uns selbst und anderen auch immer mal wieder sagen: Jetzt ist Feierabend!