Geteiltes Leid: Dieser Doku-Podcast deckt Verschwörungstheorien über sexuelle Gewalt in Psychotherapiepraxen auf

Die Podcast-Hosts

Das Investigativ-Team hinter dem Podcast: Olga Herschel und Sören Musyal

Undone, Shane Thomas McMillan

Die Geschichte von Leonie hört sich an wie ein Psychothriller im wahrsten Sinne des Wortes, doch sie ist wirklich passiert. Der neue Investigativ-Podcast von Undone erzählt vom Schicksal der 19-Jährigen und deckt dabei eine Verschwörungstheorie über rituelle sexualisierte Gewalt und Mind Control in deutschen Psychotherapiepraxen auf. Es geht um dubiose Psychotherapeut*innen, umstrittene Diagnosen – und um eine Familie, die inmitten von all dem zerbricht.

Ritueller Missbrauch: Was ist Leonie passiert?

Leonie ist gerade einmal elf Jahre alt, als sie zum ersten Mal in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Damals lautet die Diagnose „Magersucht“. Doch in den folgenden Jahren kommen immer mehr Diagnosen dazu: massive Depressionen und eine Borderline-Störung. Als Jugendliche landet sie immer wieder in der Notaufnahme, weil sie sich gefährlich selbst verletzt oder sich mit Alkohol besinnungslos trinkt.

2021 kommt schließlich der Tag, der alles verändert: Wieder wird Leonie wegen einer Alkoholvergiftung in eine Klinik eingewiesen, doch dieses Mal kommt noch eine neue Diagnose hinzu. Als Leonies Mutter ihre Tochter im Krankenhaus abholen will, bittet eine Therapeutin sie in ein Nebenzimmer und überbringt ihr eine furchtbare Nachricht: Leonie habe eine dissoziative Identitätsstörung. In ihr würden verschiedene Persönlichkeiten existieren. Eine solche Krankheit würden Kinder oft entwickeln, wenn sie über lange Zeit schwere sexuelle Gewalt erlebt haben. Und so soll es auch bei Leonie gewesen sein. Sie sei Opfer von langjährigem rituellen, sexuellen Missbrauch. Der Täter: ihr eigener Vater. Er habe sie nicht nur über Jahre hinweg vergewaltigt, sondern auch ein ganzes Täternetzwerk aufgebaut. Diese Männer hätten Leonie hirngewaschen, bis sie völlig fremdgesteuert war.

Die Therapeutin wirkt sehr vertrauenswürdig auf Leonies Mutter und vermittelt ihr, dass ihre Tochter in Lebensgefahr schwebe. Sie müsse sofort weg von ihrer Familie. Weit weg. Niemand dürfe wissen, wo ihr neuer Wohnort sei. Und so wird Leonie weggebracht, wenig später bricht sie den Kontakt zu ihren Eltern ab. Sie baut einen Kreis um sich auf aus Ärzt*innen, Therapeut*innen und anderen Menschen, die diese Erzählung vom rituellen Missbrauch stützen.

Das Seltsame an der Geschichte: Nicht nur Leonies Vater bestreitet alles, es gibt auch keine Beweise, die ihn belasten könnten. Auch Leonie selbst kann sich an den Missbrauch nicht erinnern. Als die Therapeutin durch Handauflegen auch bei Leonies Mutter festgestellt haben will, dass diese ein Missbrauchsopfer sein soll, wird ihr klar: Hier stimmt etwas nicht.

So beginnt für Leonie und ihre Eltern eine dreijährige Odyssee. In vier Episoden hat Olga Herschel, Journalistin und Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie zusammen mit einem Investigativ-Team diese Leidensreise der damals 19-Jährigen rekonstruiert. Dafür haben sie mit Leonies Eltern und ihren Ärzt*innen gesprochen, Leonies Krankenhausakten gelesen – und sind dabei auf ein verstörendes Video gestoßen.

Gefährliche Verschwörungstheorie

Die Geschichte von Leonie ist unheimlich. Doch was noch viel unheimlicher ist: Sie ist kein Einzelfall. Hinter dem Schicksal dieser jungen Frau verbergen sich viel größere Missstände. Seit der 80er-Jahre taucht die Diagnose „dissoziative Identitätsstörung“ auf und wird seitdem immer populärer – obwohl die Existenz dieser psychischen Krankheit unter Expert*innen umstritten ist. Einige Trauma-Psychiater*innen glauben an diese Verschwörungstheorie und behaupten, dass organisierte Tätergruppen bei ihren Opfern absichtlich eine dissoziative Identitätsstörung erzeugen, um sie über abgespaltene Bewusstseinsanteile kontrollieren zu können. Das wird auch „Mind Control“ genannt.

Besonders schlimm daran ist, dass die Therapeut*innen, Psycholog*innen und Ärzt*innen die dissoziative Identitätsstörung erst richtig auslösen, indem sie ihr Aufmerksamkeit schenken und die Patient*innen darin bestärken. So sagt auch Podcast-Host Olga Herschel: „Es geht um die Frage, wie eine jahrzehntealte Verschwörungstheorie noch immer frei kursieren kann – auch in unserem Gesundheitssystem. Mehr noch: Wie sie Menschen in Deutschland schweren Schaden zufügt. Jeden Tag.“

„Geteiltes Leid“ ist eine Produktion von Undone und überall verfügbar, wo es Podcasts gibt. Neue Episoden gibt es immer freitags.