Hauptproblem „Bindungsangst": Warum so viele daran scheitern

Hauptproblem Bindungsangst: Warum so viele daran scheitern
Wenn eine feste Bindung zur größten Angst wird. Woher kommen die Gedanken und wie geht man damit um? (Bild: Getty Images, Afry Harvy)

Situationships, Ghosting, Lovebombing – Red Flags, oder? Die Dating-Welt ist mittlerweile alles andere als überschaubar und gefühlt täglich offenbaren sich hinter komplizierten Begriffen neue Phänomene, die Herzschmerz und Chaos mit sich bringen. Sind wir monogam? Exklusiv? Oder doch friends with benefits? Ich bringe Licht ins Dunkle des Dating-Lebens der Gen Z – aus eigener Erfahrung, denn (wie Pitbull) trust me, been there, done that …

Hört man sich im Freundes- und Bekanntenkreis nach den Gründen um, warum die ach so vielversprechende Kennenlernphase am Ende doch gescheitert ist, bekommt man vermutlich oft dieselbe Antwort: Bindungsangst. Es ist wie eine Massenkrankheit, die sich unaufhaltsam immer weiter auszubreiten scheint und dabei die schönsten aufkeimenden Liebesgeschichten schlagartig beendet. Alle Harry Potter Fans bekommen hier ein anschauliches Bild vor Augen, wenn sie an die Dementoren denken, die in zahlreichen Bänden und Filmen der Kult-Reihe immer mal wieder vorkommen. Wie eine dunkle Wolke, die sich über die bisher positive Entwicklung legt und auch erstmal nicht mehr verschwindet. Aber fangen wir von vorne an, was steckt eigentlich hinter dem großen bösen Wort „Bindungsangst"? Wir stellen das psychologische Phänomen, das so vielen Kennenlernphasen ein Dorn im Auge ist, vor und bringen Licht ins Dunkle.

Der Begriff „Bindungsangst“ beschreibt die Angst, sich auf eine tiefergehende Beziehung einzulassen. Betroffene versuchen sich vor Schmerz und Verlusten zu schützen und ziehen sich ab einem gewissen Punkt aus der Beziehung raus. Erwartungen des/der Partners/Partnerin führen oft zu Druckgefühlen bis hin zu einem Schwinden der ursprünglichen Gefühle bei übermäßiger Nähe. Die Bindungsangst tritt oft dann auf, wenn sich Betroffene der Zuneigung ihrer Partner/in sicher sind. Es kommt zum Verlust der Zuneigung und die Beziehung erscheint langweilig – so eine Erklärung der Klinik Friedenweiler.

Mittlerweile hat sich das Ganze fast schon zum popkulturellen Phänomen entwickelt, das in zahlreichen Songs, Seriencharakteren und Romanen Beachtung findet. Bemitleidenswerte Protagonist*innen, die sich immer mehr abschotten, Nähe nicht zulassen und somit die Geschichte über nie so ganz die wahre Liebe finden. Man möchte sie nehmen und wachrütteln, so einfach scheint die Situation von außen, mit neutralem, sicheren Bindungsstil aus betrachtet. Das ist nämlich einer der Haupt-Auslöser des Problems: der frühkindliche Bindungsstil, der sich später auf alle Beziehungen im Erwachsenenalter auswirkt.

Wie äußert sich Bindungsangst?

Der Name lässt es schon vermuten: Sobald es in eine ernste Richtung geht, ist sie da: die panische Angst vor dem Danach. Die feste Beziehung wird als Gefängnis wahrgenommen, einengende Wände, die Betroffene zu erdrücken scheinen und ein Ausweg muss her, bevor man zu ersticken droht – übertrieben gesprochen. Doch so in etwa beschreiben viele das Gefühlschaos, durch das sie in solchen Momenten gehen.

Während des Zeitraums ohne Verpflichtungen, in dem man das Ganze noch spielerisch als Situationship bezeichnet hat, war schließlich noch alles in Ordnung, doch der Gedanke an Verantwortung zieht wie ein plötzlich auftauchender Dementor über die Person. Sobald es intensiver wird, bricht auf einmal eine innere Unruhe aus, die erst als gebändigt gilt, wenn man sich wieder sichere Distanz verschafft. Die andere Person wegstoßen, seinen Raum sichern, Nähe bloß nicht zulassen. Dieser Schutzmechanismus, der dann greift, ist vielen vermutlich sogar gar nicht bewusst, viel mehr resultiert er aus der Reaktion auf vergangene Erfahrungen. Schmerz, der wieder hochkommt, Szenarien, die man auf keinen Fall nochmal durchleben möchte.

Dabei ist die Erkenntnis, dass nicht jede Art von Nähe zum Verlust von Unabhängigkeit, Einengung und Panik führt, theoretisch der so einfache Schlüssel raus aus der Bindungsangst. Theoretisch. Praktisch sieht das Ganze dann jedoch eher so aus, dass Betroffene sich ab dem Zeitpunkt, in dem das Miteinander von schön zu beängstigend umschlägt, in eine Abwehrhaltung begeben. Sie lassen Nähe um keinen Preis mehr zu, reden sich sogar selbst ein, es würde wieder genauso enden und stoßen damit die Person wieder und wieder weg.

Wie löst man als betroffene Person das Problem? Das ist alles andere als einfach, sowohl als Person MIT Bindungsangst, als auch als Partner*in, der/die das Ganze erlebt. Einige Anhaltspunkte finden Sie hier, auch wenn Sie sich immer bewusst machen müssen, dass der Prozess natürlich nicht einfach und linear ist:

1. Selbstreflexion und Akzeptanz

  • Erkennen Sie die Ursachen Ihrer Bindungsangst, z. B. traumatische Erlebnisse oder unsichere Bindungen in der Kindheit.

  • Akzeptieren Sie, dass diese Ängste Teil Ihrer Realität sind, aber nicht dauerhaft sein müssen.

2. Offene Kommunikation

  • Sprechen Sie ehrlich mit Ihrem Partner/Ihrer Partnerin oder einer vertrauten Person über Ihre Gefühle und Ängste.

  • Erklären Sie, was Sie brauchen, um sich sicher zu fühlen, und setzen Sie klare, respektvolle Grenzen.

3. Schrittweises Vorgehen

  • Gehen Sie Beziehungen in Ihrem eigenen Tempo an und vermeiden Sie Überforderungen.

  • Setzen Sie sich kleine, erreichbare Ziele, um langsam Vertrauen aufzubauen.

4. Therapeutische Unterstützung

  • Ziehen Sie eine Therapie in Betracht, insbesondere eine kognitive Verhaltenstherapie oder eine Therapie, die auf Bindungsprobleme spezialisiert ist.

  • Wenn Sie in einer Beziehung sind, könnte eine Paartherapie helfen, ein besseres Verständnis und eine engere Verbindung aufzubauen.

5. Selbstfürsorge und Entspannung

  • Pflegen Sie Ihr Selbstwertgefühl, indem Sie Ihre Stärken betonen und Aktivitäten nachgehen, die Ihnen Freude bereiten.

  • Nutzen Sie Entspannungstechniken wie Meditation, Yoga oder Atemübungen, um Stress und Ängste abzubauen.

6. Bildung über Bindungstypen

  • Informieren Sie sich über verschiedene Bindungstypen und deren Einfluss auf Beziehungen.

  • Dieses Wissen kann Ihnen helfen, Muster zu erkennen und bewusste Veränderungen vorzunehmen.

7. Geduld und Mitgefühl

  • Seien Sie geduldig mit sich selbst und gestehen Sie sich Zeit zu, um Veränderungen zu bewirken.

  • Erwarten Sie auch von Ihrem Partner/Ihrer Partnerin Geduld und Verständnis, da ein unterstützender Umgang essenziell ist.