Interview mit Lena Hoschek: "Heute heißt es in der Mode: je hässlicher, umso geiler"

Die österreichische Designerin Lena Hoschek liebt die Berlin Fashion Week, aber sie hasst die Entwicklung: Die Stadt weiß das Event nicht zu schätzen und Big Player kaufen Influencer und Stars für ihre Front Row. Was sich ändern muss, warum es heute Mut erfordert, sich schick anzuziehen und was es mit der tiefen Abneigung gegen Radlerhosen auf sich hat, verrät uns die 37-Jährige im exklusiven Backstage-Interview.

Die österreichische Designerin Lena Hoschek präsentierte ihre Herbst/Winter-Kollektion 2019/20 auf der Berlin Fashion Week. (Bild: Wolfgang Pohn)
Die österreichische Designerin Lena Hoschek präsentierte ihre Herbst/Winter-Kollektion 2019/20 auf der Berlin Fashion Week. (Bild: Wolfgang Pohn)

Yahoo Style: Auf der Berlin Fashion Week sehen wir mit dir, Rebekka Ruétz und Marina Hoermanseder geballte Österreich-Power. Welche Trends bringt ihr nach Deutschland?

Lena Hoschek: In Deutschland gibt es große kommerzielle Marken, die auf der Berlin Fashion Week vertreten sind, es sind aber leider kaum noch kleine Designer übrig. Die Österreicher stehen für Independent Fashion. Warum sollten wir in New York, Mailand oder London zeigen, wo Berlin doch quasi vor der Tür liegt? Zudem ist der deutschsprachige Markt weltweit einer der kaufkräftigsten. Das wird zu oft unterschätzt.

Von wem?

Vor allem von den deutschen Medien. Auf allen anderen Fashion Shows gibt es eine Beilage in den aktuellen Tageszeitungen. Alle Modestädte wissen ihre Schauen zu schätzen, nur Berlin nicht. Es sollten vor allem Nachwuchs-Designer berücksichtigt werden, nicht nur die üblichen Verdächtigen, die sich die Stars für die erste Reihe kaufen.

In der Front Row bei Marc Cain gab es viele prominente Gesichter. Alle gekauft? (Bild: Getty Images)
In der Front Row bei Marc Cain gab es viele prominente Gesichter. Alle gekauft? (Bild: Getty Images)

In Berlin werden Promis dafür bezahlt, sich in die Front Row zu setzen?

Ja, gratis kommt doch niemand. Es geht nicht mehr nur um Mode, sondern um einen Boris Becker, bzw. Leute, die mit Mode gar nichts zu tun haben, sondern dafür bezahlt wurden, sich in die erste Reihe zu setzen. Das Event hat sich aufgrund des Internets von B-to-B zu B-to-C gewandelt und dadurch an Exklusivität verloren. Das Geschäft hat sich extrem verändert.

Und du bist schon lange dabei. Du hast damals bei Vivienne Westwood ein Praktikum gemacht. Wie war das?

Es hat mir die Augen geöffnet. Als junger Mensch, der unbedingt in die Mode will, stellt man sich diese Welt so einzigartig und besonders vor. Dort angekommen, fragt man sich: Where is the f****** Glamour? Es war wichtig zu sehen, dass Vivienne, die ich selbst so verehrt habe, ein ganz normaler Mensch ist. Sie war jeden Tag im Büro, hat ihre Kaffeetassen selbst gespült, hat in letzter Sekunde die Sachen fertig genäht. Es ist kein Champagner geflossen, es war harte Arbeit.

Nun hast du schon längst dein eigenes Atelier…

Ja – und zwar das schönste der Welt! Kaum zu glauben, wie viel Geld ich in die Einrichtung investiert habe. Das Atelier ist mittlerweile fast 1500 Quadratmeter groß und sucht seinesgleichen. Die Räumlichkeiten transportieren uns in eine andere Zeit, in der man noch sehr viel auf das Handwerk geachtet hat. Das liebe ich und das inspiriert mich auch.

Deine Kollektionen inspirieren wiederum so viele Frauen. Gibt es denn einen Promi, bei dem du ausflippst, wenn er deine Sachen trägt?

Ja, Dita von Teese ist seit vielen Jahren unsere Kundin. Das habe ich mir schon immer gewünscht. Egal, was sie von welchem Designer trägt: Es sieht nach ihr aus – und nicht umgekehrt. Das ist es für mich, was echte Stilikonen ausmacht.

Berlin Fashion Week: Lena Hoschek wühlt ungeniert im Herren-Kleiderschrank

Hast du schon einmal darüber nachgedacht, eine günstigere Linie zu entwerfen, um noch mehr Frauen zu erreichen?

Es kaufen schon sehr viele Frauen bei uns ein, die normal verdienen. Sie kaufen dann nicht so viele andere Sachen und geben ihr Geld ein- bis zweimal im Jahr bei uns aus. Im Schnitt sind drei Zara-Kleider ein Lena Hoschek-Kleid. Natürlich sparen gerade Studentinnen zum Teil das ganze Jahr über, damit sie sich das leisten können. Es macht mich extrem stolz, wenn Leute, die das Geld nicht so locker haben, trotzdem bei mir einkaufen. Meine Kleider haben zudem einen tollen Wiederverkaufswert. Eine günstigere Linie wäre natürlich schön, aber nicht mit den Abstrichen, die ich in der Produktion machen müsste.

Welche wären das genau?

Ich möchte keine billigen Stoffe verwenden, verantwortungslos im fernen Osten oder in der Türkei produzieren oder Polyester-Berge entstehen lassen. Billig-Mode wird nicht für Generationen aufgehoben.

Berlin Fashion Week: Lena Hoschek schließt die Show mit einem besonderen Walk

Die Herbst/Winter-Kollektion 2019/20 von Lena Hoschek auf der Berlin Fashion Week. (Bild: Getty Images)
Die Herbst/Winter-Kollektion 2019/20 von Lena Hoschek auf der Berlin Fashion Week. (Bild: Getty Images)

Auf welche Besonderheiten dürfen wir uns in der Herbst/Winter-Kollektion 2019/20 freuen?

Die Stoffe. Wir haben sehr viele schöne Anzugstoffe aus Italien verwendet. Es gibt auch Stücke aus dem Harris Tweed, der immer noch in Schottland handgewebt wird. Wir haben auch Webstoffe aus traditionellen österreichischen Unternehmen. Die Hosenträger aus der Kollektion sind von einer alteingesessenen deutschen Firma, die Schuhe sind handgenagelt und kommen aus Italien. Die Gürtel werden von einem Ehepaar in Handarbeit gefertigt. Meine Kollektion ist ein bisschen wie ein Delikatessen-Geschäft. Wobei es beim Essen für viele wichtiger ist, wo die Zutaten wirklich herkommen. In der Mode steht dies leider noch nicht so im Vordergrund.

Berlin Fashion Week: Lena Hoschek hat die Hosen-(träger) an

Gibt es ein Kleidungsstück, das du niemals designen würdest?

Ja, Radlerhosen. Ich kann es nicht glauben, dass sie nun wirklich wieder da sind. Das ist so unfeministisch, weil dieses Kleidungsstück tatsächlich den perfekten Körper voraussetzt. Davon abgesehen ist der Anspruch von Mode heute oft: je hässlicher, umso geiler. Es ist kaum noch jemand so mutig, sich schick anzuziehen.