Ist Olivenöl wirklich so gesund für uns? Was Experten sagen

Über den Nährwert von Olivenöl scheiden sich die Geister. Fans der mediterranen Ernährung schwören auf Olivenöl, während andere sagen, es sei schlecht für das Herz. Wer hat nun recht?

Olivenöl schmeckt lecker. Da sind sich alle einig. Ob es aber auch gesund ist? Da scheiden sich die Geister. (Bild: Getty Images)
Olivenöl schmeckt lecker. Da sind sich alle einig. Ob es aber auch gesund ist? Da scheiden sich die Geister. (Bild: Getty Images)

Natives Olivenöl ist der Liebling der hochkarätigen mediterranen Ernährung, es verleiht Speisen nicht nur einen seidigen Geschmack, sondern hat sich in wissenschaftlichen Studien auch zum Superfood entwickelt. Wie die US-amerikanische Onlinezeitung Huffpost berichtet, wurden Forschungsergebnisse im New England Journal of Medicine, The BMJ und The Journal of American College of Cardiology veröffentlicht, die alle einen Konsum von nativem Olivenölextrakt mit einem verringerten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und andere schwere Krankheiten in Zusammenhang bringen. Die Food and Drug Administration empfiehlt, zwei Esslöffel pro Tag zu sich zu nehmen.

Sollten wir alle Olivenöl essen?

Nicht so schnell, so Dr. Caldwell Esselstyn, Herzchirurg und Autor des 2008 erschienenen Buches Prevent and Reverse Heart Disease. Esselstyn, der in der Dokumentation Forks Over Knives zu sehen war, hat Patienten mit schweren Herzerkrankungen eine ölfreie Vollwertkost auf Pflanzenbasis verschrieben. Esselstyn ist unnachgiebig: "kein Öl". Er ist der Meinung, dass der Konsum von Öl – sogar natives Olivenölextrakt – die Endothelzellen schädigt, die den Blutfluss regulieren.

Öl oder nicht Öl? Das ist hier die Frage

Esselstyn stützt sich auf eine Studie aus dem Jahr 1990 sowie auf seine eigenen Ergebnisse, die er unter dem Titel "A Way to Reverse CAD" (Koronararterienerkrankung) veröffentlichte. Beide Studien legen nahe, dass der Ölkonsum die flussvermittelte Vasodilatation reduziert – also eine Verlangsamung des Blutflusses nach sich zieht.

Ölfrei ist aber nicht gleich fettfrei. Fett ist einer der Makronährstoffe, die unser Körper für eine optimale Funktion benötigt, und Esselstyn schlägt nicht vor, alle Fette wegzulassen. Stattdessen sagen Esselstyn und seine Kollegen, darunter Dr. Dean Ornish und Dr. T. Colin Campbell, dass Fette aus vollwertigen Lebensmitteln stammen sollten, die reich an gesunden Fetten sind, wie Avocado, Nüsse und Samen. Das gibt dem Körper sowohl Fett als auch nützliche Ballaststoffe.

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Ballaststoffe würden uns helfen, die Verdauung und Aufnahme zu regulieren, glaubt der Ernährungswissenschaftler Jay Ziebart. Die meisten Amerikaner hingegen würden nicht die vom US-Landwirtschaftsministerium empfohlene Tagesdosis an Ballaststoffen erreichen.

Öl jeglicher Art ist kalorienreich - aber muss das gleich schlecht sein? (Bild: Getty Images)
Öl jeglicher Art ist kalorienreich - aber muss das gleich schlecht sein? (Bild: Getty Images)

Was allerdings niemand bestreitet, ist der reichhaltige Geschmack von Olivenöl. Einige Befürworter der ölfreien Ernährung sagen sogar, dass es ein Problem ist, dass Olivenöl das Essen so gut schmecken lässt. So würde es zu übermäßigem Essen anregen. Zahlreiche Studien widersprechen dem, vielmehr würde ein wenig Olivenöl helfen, sich satt zu fühlen.

Ziebart hingegen glaubt, dass sich Öl für ihre Kunden nicht lohne, wenn sie versuchen, Gewicht zu verlieren. Ziebart und Forks Over Knives empfehlen, Olivenöl beim Kochen durch Wasser oder Gemüsebrühe zu ersetzen. Apfelmus oder Bananenpüree seien ein guter Ersatz beim Backen. So gebe es sogar Rezepte für eine ölfreie Lasagne.

Hier sind sich die Mittelmeerdiät und Forks Over Knives-Fans einig

Beide Lager glauben, dass verarbeitete Lebensmittel dem Körper keinen Gefallen tun. Die gesündesten Lebensmittel sind minimal verarbeitete Vollwertkost – also Produkte wie Bohnen, Vollkornprodukte, Nüsse und Samen.

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Öl jeglicher Art ist kalorienreich und kommt auf etwa 120 Kalorien pro Esslöffel. Wenn also schon Öl verwendet werden muss, ist es besser, auf natives Olivenölextrakt zu setzen als auf ungesättigtes Fett. Dies sei sogar gesünder als Kokosöl. Wie Connie Diekman, Ernährungswissenschaftlerin und Autorin von The Everything Mediterranean Diet Book erklärte, sei Kokosöl wegen seines Gehalts an gesättigten Fettsäuren kein gesundes Öl.

Die Vorteile von Olivenöl

Diekman und andere Befürworter der Mittelmeerdiät bestreiten gar nicht, dass Olivenöl viele Kalorien enthält. Sie weisen vielmehr auf den positiven Aspekt davon hin. Und der nennt sich: Polyphenole.

Sie seinen das Wichtigste, glaubt etwa Dr. Simon Poole, Autor von The Olive Oil Diet und The Real Mediterranean Diet. Polyphenole seien Pflanzenstoffe mit einzigartigen Eigenschaften. In unserem Körper dienen sie als Antioxidantien und somit als Entzündungshemmer. Und natives Olivenölextrakt ist voll davon. Wir können Polyphenole in Olivenöl sogar schmecken, glaubt Poole. Und zwar an der leicht bitteren, pfeffrigen und scharfen Qualität, die von Verkostern so geschätzt werde.

Eines der Olivenöle mit dem höchsten Polyphenolgehalt, Olio Piro aus der Toskana, hat über 20 Auszeichnungen erhalten, darunter den besten Flos Olei 2021 in der Kategorie gemischtes, mittelfruchtiges, natives Olivenölextrakt. Die Oliven werden von Hand geerntet, um Druckstellen zu vermeiden, und am Tag der Ernte zerkleinert, wodurch die Nährstoffe erhalten bleiben. Während die meisten Supermarktmarken zwischen 20 Milligramm und 100 mg Polyphenole pro Kilogramm enthalten, liegt Olio Piro bei 700 mg.

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Olio Piro-Hersteller Romain Piro, seine Frau Livia und ihre beiden Kinder würden selbst jedes Jahr etwa 50 Liter extra natives Öl verbrauchen. Wie genau unser Körper Polyphenole verstoffwechselt und wie Polyphenole mit anderen Pflanzennährstoffen interagieren, wird noch untersucht. Die Familie Piro jedenfalls erfreut sich strahlender Gesundheit – die beste Werbung für ihr Produkt. Aber auch Esselstyn, der jahrelang eine ölfreie WFPB-Diät gemacht, ist mit 88 Jahren noch ziemlich rüstig.

Beide Diäten haben gute Argumente

Poole sagte, es gebe gute Gründe für Frieden zwischen den streitenden Parteien. Es gelte herauszufinden, was gemeinhin als gute Diäten bezeichne werden könne. Ein Ansatz dafür wäre, sich einfach auf Bereiche zu konzentrieren, in denen WFPB und die mediterrane Ernährung übereinstimmen: Vollwertkost ist gut für uns, und das Thema Olivenöl steht noch immer zur Debatte.

Esselstyn hingegen ist sich sicher, dass eine vollwertige, pflanzliche Ernährung ohne Öl nicht nur Herz-Kreislauf-Erkrankungen stoppe, sondern sie sogar rückgängig machen könne. Und so bleibe er bei seiner Meinung.

Und vielleicht haben sie beide recht? Es gebe eben keine Allround-Diät für alle, betont Diekman. Vielmehr gehe es darum, dass jeder sein eigenes Gesundheitsrisiko kenne und ein gesundes Essverhalten für sich selbst finde.

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