Kommentar: Was wir im Umgang mit der Menstruation bei unseren Kindern anders machen
Wenn wir das Thema Menstruation von ihrem Stigma befreien und enttabuisieren wollen, müssen wir bei uns selbst anfangen. Denn unsere Autorin weiß: Oftmals liegt das Problem bei den Erwachsenen – nicht bei den Kindern.
Heutzutage bekommen Mädchen zwischen elf und 14 Jahren zum ersten Mal ihre Periode, manchmal auch etwas früher oder später, denn: Jeder Körper ist anders. Doch Studien haben ergeben, dass jede 5. menstruierende Person gar nicht genau wusste, was bei der ersten Regelblutung mit ihr geschah. Eine ungewöhnlich hohe Zahl, denn bewegt man sich in den sozialen Medien oder im Internet, gewinnt man den Eindruck, als sei die Menstruation endlich aus ihrer schambehafteten Ecke hervorgeholt worden. Die Kommunikation scheint offener geworden zu sein. Die Aufklärung rund um den monatlichen Zyklus enttabuisiert.
Aber ist dem wirklich so? Wie kann es sein, dass sich ein Drittel der befragten Studienteilnehmerinnen während ihrer Periode "unrein" fühlen und es für fast alle, nämlich 97 Prozent, der absolute "Worst Case" ist, Blutflecken auf der Kleidung oder Bettwäsche zu haben?
Expert:innen bemängeln nach wie vor, dass sowohl zuhause als auch in Schulen die Aufklärungsarbeit zum Thema Menstruation nicht ausreichend und informativ genug stattfindet. Dabei wären bei der Kommunikation besonders wichtig und entscheidend: Offenheit und Transparenz.
"Make Periods Great Again"
Bei uns zu Hause wurde das Thema Menstruation zwar nicht totgeschwiegen – aber einen offenen Umgang damit gab es auch nicht, zumindest kann ich mich nicht daran erinnern, dass es Gespräche, Aufklärung oder ähnliches gegeben hätte. Das lag allerdings auch an mir und dem Zustand, in dem man sich als Teenager während der Pubertät befindet: Mit den Eltern (Lehrer:innen oder Ärzt:innen) über solch Intimitäten sprechen – nein, danke! Wäre es mir leichter gefallen, wenn die Periode von klein auf ganz offen besprochen und gelebt worden wäre – vielleicht.
Teure Tage: Periode für viele Frauen nicht bezahlbar
Genau deshalb gibt es in unserer Familie beim Thema Menstruation keine Tabus: Alle Fragen sind erlaubt und werden, entsprechend des Alters des fragenden Kindes, beantwortet. Offen und ehrlich. Und ich sage mal so: Sowohl meine Tochter, inzwischen neun Jahre alt, als auch mein Sohn (5) wissen genau, was es mit der Periode auf sich hat. Alleine auf Toilette gehen ist mit Kindern in einer gewissen Altersklasse eh unmöglich – Eltern kennen das.
Es mag also schon vorgekommen sein, dass mein Sohn – mit zugegeben großen Augen – sehr genau beobachtet hat, wie das mit den Tampons funktioniert und mich mit offenem Mund und vollkommen fasziniert, als wäre ich die heimliche Schwester der "Ehrlich Brothers", fragte: "Jetzt ist es [das Tampon] verschwunden! Wo hast du das hin?!"
Let's talk Taboo: für mehr Normalität
Natürlich kann es angsteinflößend sein, wenn der Körper sich während der Pubertät verändert. Die Hormone tun ihr Übriges, was es für alle Beteiligten nicht einfacher macht. Genau deshalb müssen wir unsere Kinder besser auf diese große Umstellung und die verschiedenen Abschnitte des Erwachsenwerdens besser vorbereiten. Dazu gehören: informativer, nicht peinlicher Aufklärungsunterricht in den Schulen, der auch die Jungs mit einbezieht und ein Bewusstsein dafür schafft, dass die Menstruation etwas vollkommen Normales ist; eine offene Kommunikation und zwar nicht erst, wenn die erste Periode schon da ist.
Was in dem Zusammenhang auch entscheidend ist: das richtige Wording. Denn nur so kann mit der Scham, dem Tabu und den Stigmata gebrochen werden – auch und gerade unter Erwachsenen. Sprich, keine romantisierenden oder euphemistischen Begrifflichkeiten wie "Tante Rosa ist zu Besuch" oder die "Erdbeerwoche". Wieso ist man so peinlich berührt, nur weil eine Körperflüssigkeit aus einem herausläuft?
"Meine Mama blutet gerade!"
Auch ich, als Kind der 1980-Jahre definitiv geprägt von Schamgefühlen der Menstruation gegenüber, musste erst lernen, die Sache beim Namen zu nennen – aber um meinen Kindern einen offenen, normalen Umgang mit der Periode vorzuleben, führt kein Weg daran vorbei. So war es auch der damals Dreieinhalbjährige, der morgens im Kindergarten der Pädagogin freudestrahlend berichtete: Meine Mama blutet gerade!
Und ja, zugegebenermaßen wurde mir ein wenig heiß, aber nach einem ersten Moment des Unbehagens war ich sehr stolz auf meinen Sohn, mit welcher Selbstverständlichkeit er meine Periode betrachtet. Ich arbeite daran, dass meinen Kindern diese Natürlichkeit erhalten bleibt, dass mein Sohn niemals einen blöden Spruch ablassen wird und meine Tochter nicht mit einem schamhaft in der Faust versteckten Tampon zur Toilette huschen muss. Denn nur eine aufgeklärte Gesellschaft kann dazu beitragen, das Tabu der Menstruation endlich zu brechen.