Luigi Mangione und Brian Thompson: Der mutmaßliche Mörder, der Chef eines Gesundheitskonzern und Pretty Privilege

Es muss schon ein ganz besonderes Verbrechen sein, wenn Medien aus der ganzen Welt über die Ermordung von UnitedHealthcare-CEO Brian Thompson berichten. Thompson selbst spielte auf der Weltbühne keine große Rolle, auch der mutmaßliche Täter, Luigi Mangione, hätte es normalerweise nur als Randnotiz in die Zeitungen geschafft. Doch die Tat löste eine Welle der Empörung über das amerikanische Gesundheitswesen aus. Denn dieses Verbrechen unterscheidet sich von anderen – das wird besonders durch den Umgang mit dem Tatverdächtigen in den sozialen Netzwerken und den Medien sowie durch den Karriereweg des Opfers deutlich.

Ein Mord in New York: Was über Luigi Mangione und Brian Thompson bekannt ist

Ein Mann erschießt einen anderen und wird dafür bejubelt. Was über Luigi Mangione bekannt ist – und wieso er so viele Fans hat.

Mord in New York: eine Chronologie der Ereignisse

Bisher wurden in New York City in 2024 mehr als 350 Morde verübt. Aber das Verbrechen, das Anfang Dezember verübt wurde, sorgte für weltweite Schlagzeilen.

• Am 4. Dezember 2024 wurde Brian Thompson, der CEO von UnitedHealthcare, in New York City erschossen. Der Angriff ereignete sich in den frühen Morgenstunden vor Thompsons Wohnhaus, als dieser zu seiner Arbeit aufbrechen wollte. Der Täter, der laut Überwachungskameras eine dunkle Kleidung und eine Kapuze trug, wartete unauffällig in der Nähe und eröffnete das Feuer mit einer Pistole, die mit einem Schalldämpfer ausgestattet war. Brian Thompson erlag noch am Tatort seinen Verletzungen.

• In den Stunden nach dem Mord begann die Polizei sofort mit den Ermittlungen und wertete Videoüberwachungen sowie Zeugenaussagen aus. Durch die Aufnahmen und technische Analysen konnte der Verdächtige bald als Luigi Mangione identifiziert werden. Ein landesweiter Haftbefehl wurde ausgestellt, und die Suche nach Mangione begann.

• Am 5. und 6. Dezember intensivierten die Behörden ihre Fahndung. Hinweise führten darauf hin, dass Mangione von New York aus in Richtung Pennsylvania unterwegs gewesen war. Seine Familie äußerte in den Medien ihre Überraschung und Hilflosigkeit gegenüber den Anschuldigungen, denn seine Mutter hatte ihn schon Wochen zuvor als vermisst gemeldet.

• Am 9. Dezember 2024 wurde Luigi Mangione schließlich in Altoona, Pennsylvania, festgenommen, als er in einem Fastfood-Restaurant erkannt wurde. Er hielt sich in einem kleinen Motel auf, wo er unter falschem Namen eingecheckt hatte. Bei seiner Festnahme stellte die Polizei eine nicht registrierte Schusswaffe, einen Schalldämpfer und ein handschriftliches Manifest sicher. Die Waffe soll er mit einem 3D-Drucker selbst hergestellt haben.

• Das Manifest von Luigi Mangione, das bei seiner Festnahme gefunden wurde, enthält eine scharfe Kritik am US-Gesundheitssystem, insbesondere an den profitorientierten Praktiken großer Gesundheitsunternehmen wie UnitedHealthcare. In dem Manifest drückt Mangione seine Verachtung für das System aus, das seiner Meinung nach den Zugang zu medizinischer Versorgung einschränkt und auf finanzielle Gewinne ausgerichtet ist, anstatt das Wohl der Patienten in den Vordergrund zu stellen.

Luigi Mangione und Brian Thompson: Das ist über den vermeintlichen Täter und das Opfer bekannt

Als Täter glaubt die Polizei von New York Luigi Nicholas Mangione identifiziert zu haben. Der junge Mann wurde 1998 in Towson, Maryland geboren, wuchs in einer angesehenen Familie auf, die in der Immobilienbranche tätig war und für ihr soziales Engagement bekannt ist. Nach seinem Abschluss als Jahrgangsbester der Gilman School in Baltimore 2016 studierte er an der University of Pennsylvania. Dort erwarb er 2020 sowohl einen Bachelor als auch einen Master in Computertechnik und Informationswissenschaften mit Schwerpunkt auf künstliche Intelligenz und einem Nebenfach in Mathematik. Beruflich begann Mangione seine Karriere als Dateningenieur. Im Sommer 2023 unterzog er sich einer Wirbelsäulenoperation, die durch eine schmerzhafte Erkrankung erforderlich geworden war. Danach zog er sich zunehmend zurück, brach den Kontakt zu seiner Familie ab und verschwand schließlich aus den sozialen Medien. Im November 2024 meldete seine Mutter ihn als vermisst, da sie seit Monaten nichts von ihm gehört hatte. 
Brian Thompson war der CEO von UnitedHealthcare, einem der größten und profitabelsten Gesundheitskonzerne in den USA. In seiner Rolle als Unternehmenschef trug er maßgeblich zur Umsetzung und Durchsetzung von Geschäftspraktiken bei, die den Fokus auf wirtschaftlichen Gewinn legten. Dies umfasste unter anderem umstrittene Entscheidungen wie die Erhöhung von Versicherungsprämien, die Einschränkung von Leistungen sowie Kostensenkungen im Bereich der Patientenversorgung. Diese Maßnahmen führten zu Kritik, insbesondere von Patient*innen und Gesundheitsexpert*innen, die den Konzern für soziale Ungerechtigkeiten und Ungleichheit im US-Gesundheitssystem mitverantwortlich machten. Luigi Mangione, der mutmaßliche Täter, sah Thompson offenbar als symbolische Figur für die Missstände und die aus seiner Sicht unmenschlichen Strukturen innerhalb des profitorientierten Gesundheitswesens.

Luigi Mangione wird in den sozialen Netzwerken gefeiert

Der Mord an Brian Thompson, CEO von UnitedHealthcare, durch Luigi Mangione hat in den USA eine kontroverse Debatte ausgelöst, die weit über die Tat selbst hinausgeht. Während die Brutalität der Tat und die Kritik am US-Gesundheitssystem die öffentliche Diskussion dominieren, spielt ein anderes Phänomen eine auffällige Rolle: der Umgang der Medien und der Gesellschaft mit Luigi Mangione unter dem Stichwort Pretty Privilege – den unbewussten Vorteil, den attraktive Menschen oft genießen. Luigi Mangione, ein junger, gutaussehender Ivy-League-Absolvent mit makellosem akademischem Lebenslauf, wird von vielen Medien auf eine Weise dargestellt, die ihm einen gewissen Bonus durch sein Erscheinungsbild einräumt. Statt ihn vorrangig als möglichen Täter und Mörder zu präsentieren, konzentrieren sich Berichte häufig auf seine frühere Brillanz, seine Erfolge und die tragischen Umstände, die ihn zu dieser Tat getrieben haben sollen. Es entsteht der Eindruck, dass Mangione als Opfer der Umstände dargestellt wird, während die Perspektive des Opfers – Brian Thompson – häufig in den Hintergrund tritt. Dazu kommen, dass vor allem Frauen, den jungen Mann anschmachten.

Kim Kardashian, die sich oft für Straftäter*innen einsetzt, wird hundertfach getaggt, sie möge Mangione vertreten und ihn dann zum Model ihrer Kampagne machen. Insbesondere in sozialen Medien äußern Kritiker*innen, dass Luigi Mangiones Attraktivität und sein Hintergrund zu einer milderen Wahrnehmung der Tat führen. Olivgrüne Jacken mit Kapuze und auffälligen Brusttaschen sind derzeit ein Renner in den amerikanischen Warenhäusern, denn das trug Mangione, als er bei der Tat gefilmt wurde. Wäre der Täter jemand gewesen, der nicht in das gängige Schönheitsideal oder gesellschaftliche Normen passte, so die Argumentation, wäre die Berichterstattung schärfer, verurteilender und weniger empathisch ausgefallen. Befürwortende dieser Kritik sehen in der medialen Reaktion ein Zeichen für tief verwurzelte gesellschaftliche Vorurteile. Sie werfen den Medien vor, Mangione eine gewisse „Menschlichkeit“ zuzuschreiben, die anderen Tätern oft verwehrt bleibt – vor allem jenen, die aus weniger privilegierten Verhältnissen stammen oder nicht den Standards des äußeren Erscheinungsbildes entsprechen. Gleichzeitig weisen sie darauf hin, dass die Opfer solcher Taten, wie in diesem Fall Brian Thompson, oft zu bloßen Nebenfiguren in der öffentlichen Erzählung werden. Der Fall Mangione hat damit nicht nur eine Debatte über Gewalt und das Gesundheitssystem in den USA ausgelöst, sondern auch über die Art und Weise, wie Gesellschaft und Medien Täter*innen je nach Erscheinungsbild und sozialem Status unterschiedlich behandeln. Während einige Luigi Mangione als Symbol eines fehlerhaften Systems sehen, das Einzelne in Verzweiflung treibt, warnen andere davor, durch Pretty Privilege eine Tat zu verharmlosen, die letztlich einem Menschen das Leben kostete.

Wie geht der Fall um Luigi Mangione nun weiter?

Der Fall von Luigi Mangione, der mutmaßlichen Mörder von Brian Thompson, befindet sich in einem frühen Stadium. Mangione wurde am 9. Dezember 2024 in Altoona, Pennsylvania, festgenommen. Am 10. Dezember 2024 fand eine erste Anhörung zur Auslieferung nach New York statt, wo er wegen Mordes an Thompson angeklagt wird. Weitere Anhörungen sind für den 23. Dezember 2024 geplant. Mangiones Anwältin, Karen Friedman Agnifilo, ist eine erfahrene Strafverteidigerin, die zuvor als Staatsanwältin tätig war. Sie ist bekannt für ihre Arbeit in hochkarätigen Fällen. Agnifilo ist zudem mit Alex Spiro, dem Anwalt von Sean „Diddy“ Combs, verheiratet, was für zusätzliche mediale Aufmerksamkeit sorgt. Mangione bleibt bis zur Entscheidung über die Auslieferung in Haft.