Manchen Eltern verwenden AirTags, um ihre Kinder zu überwachen. Sollte man das tun?

Manche Eltern stecken AirTags in die Rucksäcke ihrer Kinder, weil sie sich Sorgen um ihre Sicherheit haben. Aber sollten sie das wirklich tun oder lieber lassen? (Getty Images)
Manche Eltern stecken AirTags in die Rucksäcke ihrer Kinder, weil sie sich Sorgen um ihre Sicherheit machen. Aber sollten sie das wirklich tun oder lieber lassen? (Symbolbild: Getty Images)

Eltern finden immer kreativere Wege, um ihre Kinder mit AirTags auszustatten – sie verstecken sie in Schlüsselanhängern, Armbändern, Sicherheitsnadeln aus Silikon und sogar in Hochsteckfrisuren. Andere nähen den münzgroßen Ortungssender von Apple in die Schuhe, Taschen oder Rucksäcke ihrer Kinder ein. Aber sollten sie das wirklich tun oder lieber lassen? Und was bringt das eigentlich?

Um diese Frage zu beantworten, müssen Eltern zunächst verstehen, dass AirTags dazu gedacht sind, Gegenstände wie Schlüssel, Geldbeutel oder Gepäck zu orten, nicht aber Menschen. Im Gegensatz zu anderen Geräten zur Verfolgung von Kindern, wie z. B. dem Smart Tag von Jiobit oder einer Gizmo Watch, verfügen AirTags nicht über GPS. Stattdessen verwendet ein AirTag Bluetooth, um Geräte in der Nähe anzupingen. Das bedeutet, dass ein AirTag seinen Standort nur dann aktualisiert, wenn es von anderen Geräten umgeben ist. Das führt dazu, dass es in einer einsamen Straße, im Wald oder sogar im Park völlig nutzlos sein könnte, wenn niemand in der Umgebung ein Apple-Gerät mit Bluetooth-Funktion verwendet. AirTags sind außerdem nur mit Apple-Geräten kompatibel und die Nutzer müssen die FindMy-App aufrufen, um den Standort des Tags zu verfolgen.

Trotz dieser Einschränkungen entscheiden sich viele Eltern aufgrund der geringen Größe und des niedrigen Preises für AirTags zur Standortverfolgung. Im Gegensatz zu GPS-Tags und Smartwatches, die in der Regel weit über 100 Euro kosten und manchmal sogar einen monatlichen Mobilfunkvertrag erfordern, kosten AirTags nur rund 32 Euro (oder etwas über 100 Euro im 4er-Pack).

Kerry Zwierzko steckte ein AirTag in die Vordertasche des Rucksacks ihres Sohnes, als dieser letztes Jahr in den Kindergarten kam. Über ein Jahr später ist es immer noch da und funktioniert für seine Zwecke gut genug. Sie verwendet es hauptsächlich, um zu sehen, ob sein Bus von der Schule losgefahren ist, aber es ist nicht genau genug, um in Echtzeit zu verfolgen, in welcher Straße sich ihr Sohn gerade befindet. Das AirTag ist auch nützlich, wenn ihr Sohn nach der Schule zu einem Freund geht, denn dann kann sie sich vergewissern, dass er sicher angekommen ist. „Ein AirTag ist gut als allgemeines ‚Ich bin sicher, dass mein Kind noch in der Schule ist‘-Gerät, aber wenn [Eltern] ihre Kinder beim Radfahren und zu Fuß verfolgen und besser kontrollieren wollen, wo ihr Kind ist, wäre ein AirTag nicht die richtige Lösung“, sagt Zwierzko gegenüber Yahoo Life.

Es ist auch wichtig zu wissen, dass die Benutzerfreundlichkeit des Geräts auch davon abhängt, ob die Kinder es bei sich oder in ihrer Tasche tragen. Lama Mulki hat AirTags zum ersten Mal mit ihren beiden Kindern (14 und 6 Jahre alt) ausprobiert, als sie diesen Sommer in Europa unterwegs waren, weil sie Angst hatte, dass sie sich aus den Augen verlieren könnten. Wie Zwierzko fand auch sie, dass sie gut funktionierten, aber ihre Kinder weigerten sich schließlich, die AirTags anzulegen, weil es nach dem Schwimmen oder beim Umziehen lästig war. „Ich denke, es funktioniert gut, wenn man einen praktischen Weg findet, die Kinder damit auszustatten. Wenn man sie in ihre Taschen steckt, nehmen sie diese vielleicht nicht mit. Wenn man sie ihnen anlegt, behalten sie sie vielleicht nicht gerne dran. Bringt man sie an der Kleidung an, ziehen sie diese vielleicht aus“, erklärt Mulki gegenüber Yahoo Life.

Eltern sollten sich auch bewusst sein, dass AirTags eine Form der digitalen Überwachung sind. Aus diesem Grund fordert Leah Plunkett, Autorin von Sharenthood und Dozentin an der Harvard Law School, dass Eltern die Entscheidung, ihre Kinder mit AirTags zu versehen, als eine wichtige Entscheidung betrachten, die von den Werten der Familie abhängt. Zudem räumt sie ein, dass die Werte, die dabei eine Rolle spielen, kompliziert sind, da sie Privatsphäre und Vertrauen umfassen.

In Bezug auf den Datenschutz sollten sich Eltern darüber im Klaren sein, dass die Daten, die die Kinder weitergeben und die Eltern erhalten, „allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliegen, die durch geltende Gesetze und Vorschriften gestützt werden“. Diese „digitale Datenspur hat Auswirkungen auf die Privatsphäre der gesamten Familie“, so Plunkett gegenüber Yahoo Life.

Außerdem warnt sie die Eltern, dass „AirTags kein Ersatz dafür sind, dass Kinder Selbstvertrauen entwickeln und das, was wir zu meiner Zeit ‚Street Smarts‘ genannt haben.“ Eltern müssen ihren Kindern beibringen, dass sie in verschiedenen Situationen, z. B. auf dem Weg zur Schule, auf sich selbst aufpassen müssen. Kinder sollten nicht von der falschen Vorstellung abhängig werden, dass sie, weil sie ein Gerät tragen, nicht genau darauf achten müssen, wohin sie gehen oder wer um sie herum ist, weil sie denken, dass ein Erwachsener sie finden oder Hilfe holen kann, wenn etwas schiefläuft.

Person steckt ein Airtag in eine Ledertasche
Eltern verstecken AirTags bei ihren Kindern an den ungewöhnlichsten Orten (Bild. Getty Images)

Plunkett macht sich auch Sorgen über die größeren Auswirkungen auf die ‚digitale Mündigkeit‘ der Kinder. „Ich denke, wenn wir als Eltern unsere Kinder überwachen, besteht die Gefahr, dass wir ihnen direkt oder indirekt das Signal geben, dass sie die digitale Überwachung durch andere Akteure während ihres gesamten Lebens erwarten und tolerieren und vielleicht sogar begrüßen sollten“, so Plunkett gegenüber Yahoo Life.

Susan Linn, Psychologin und Autorin von Who's Raising the Kids? Big Tech, Big Business, and the Lives of Children, hat ähnliche Bedenken hinsichtlich der Gewöhnung von Kindern an die Überwachung und ist der Meinung, dass Eltern AirTags nicht verwenden sollten. „Ich denke, Eltern müssen verstehen, dass sie und ihre Kinder von großen Tech-Firmen und großen Unternehmen ausgenutzt werden, und zwar indem ihnen Produkte verkauft werden, die eigentlich unnötig sind. Die meisten Eltern haben zum Beispiel Angst davor, dass ein Fremder ihr Kind entführt, aber das ist ein extrem seltenes Ereignis.“

Außerdem behindert es die Entwicklung eines Gefühls der Unabhängigkeit bei Kindern, wenn ihre Eltern sie ständig überwachen. „Ein Teil des Erwachsenwerdens ist mehr Verantwortung und mehr Unabhängigkeit, und das wird untergraben“, sagt Linn gegenüber Yahoo Life. „Zudem kann es bei Kindern Ängste oder zumindest Misstrauen gegenüber der Welt auslösen, wenn ihre Eltern so besorgt um sie sind, wenn sie nicht bei der Familie sind, dass sie überwacht werden müssen. Das untergräbt das Selbstbewusstsein des Kindes und sein Vertrauen in die Welt.“

Für manche Familien ist ein AirTag jedoch eine weniger aufdringliche Form der Technologie, da es sich im Gegensatz zu einer Smartwatch oder einem Smartphone um eine einseitige Form der digitalen Kommunikation handelt. „Für Eltern, die die digitalen Aktivitäten ihres Kindes einschränken wollen, aber dennoch eine wichtige digitale Information erhalten möchten, nämlich wo sich ihr Kind gerade aufhält, ist ein AirTag eine sehr sinnvolle Option – mit dem Vorbehalt, dass es auch weiterhin andere Überlegungen und Kompromisse gibt, unabhängig von der Frage, wie viel digitale Aktivität man seinem Kind gestattet“, sagt Plunkett.

Letzten Endes sind AirTags, wie die Begrenzung der Bildschirmzeit, die Nutzung sozialer Medien und die Teilnahme an Online-Spielplattformen wie Roblox, nur eine weitere Entscheidung, die Eltern im Zusammenhang mit der Technologie ihrer Kinder treffen müssen. Plunkett hofft, dass Eltern diese Entscheidung wohl überlegt treffen. „Ich bin der festen Überzeugung, dass Eltern sich sehr genau, regelmäßig und ganzheitlich mit der Palette digitaler Hilfsmittel – sowohl Geräten als auch Diensten – auseinandersetzen sollten, die sie für ihre Familie zu einem bestimmten Zeitpunkt in Betracht ziehen.“

Sarah Hunter Simanson