Fünf verwaiste Igelbabies – nur eines kam durch: Picksie

Astrid Hofmann, 47, lebt mit ihrem Mann Andreas und den drei Kindern in Burow im Nordosten der Mecklenburgischen Seenplatte. Jeden Herbst versorgt sie siebzig bis neunzig Igelbabies. Nicht alle schaffen es bis zum Winter. Aber Igelwaisenkind Picksie kommt durch, heute hat es die Augen geöffnet. 

Igelwaise Picksie in der ehrenamtlichen Hilfsstation von Astrid Hofmann (Bild: Privat)
Igelwaise Picksie in der ehrenamtlichen Hilfsstation von Astrid Hofmann (Bild: Privat)

Vor zwei Wochen brachte eine junge Frau Astrid Hofmann einen Karton mit fünf winzigen Igelsäuglingen, gerade mal einen Tag alt, die Augen noch fest verschlossen. „Als sie ihr Pferd zurück in den Stall geführt hatte, entdeckte sie eine Igelmutter mit ihren fünf Babies. Um die Igelfamilie vom Stall und Hof wegzulocken, setzte die Frau die Kinder kurzerhand in einen Karton und trug sie einfach ein Stück weg.“ Doch die Mutter konnte ihre Kinder nicht mehr finden und lief davon. Nun hatte die junge Frau doch ein schlechtes Gewissen.

Mit Wärmekissen und Welpenmilch versuchte Astrid Hofmann, die Kleinen durchzubringen. „Aber wenn sie in den ersten Tagen und Wochen keine Muttermilch bekommen, haben sie wenig Chancen. Die erste sogenannte Biestmilch ist entscheidend. Damit können sie ihr Immunsystem aufbauen.“ Vier Babies sind nacheinander gestorben, Picksie hat es geschafft. Sie ist jetzt zweieinhalb Wochen alt, öffnet heute grade die Augen und durfte deshalb wechseln vom Wärmenest in einen Meerschweinchenkäfig. „Sobald sie die Augen öffnen, fangen sie an, zu erforschen. Igel lernen nicht von der Mutter, sondern probieren einfach alles aus. Bald wird sie zum Futternapf laufen können.“

Vor sechs Jahren fand Astrid Hofmanns Mann Andreas ein geschwächtes Igelmädchen auf dem Hof, mit ihm fing alles an. Wenn Astrid Hofmann in mütterlichem Ton von ihrer kleinen Maggie erzählt, könnte man meinen, es geht um ihr eigenes Kind. „Ich hab ihr alle zwei Stunden Milch gegeben und war froh, als ich irgendwann wieder nachts durchschlafen durfte.“ Maggie wog anfangs nur 63 Gramm. Astrid Hofmann hat sie entfloht, entwurmt und auf die Wärmflasche gelegt. Drei Wochen später wog Maggie 300 Gramm. In der Zeit hatte sich Astrid Hofmann so viel Igel-Wissen angeeignet, dass sie beschloss, eine Igelstation zu öffnen.

Hauptsächlich im September und Oktober finden sich viele hilfsbedürftige Igel. Denn Ende August werden die Babies geboren, drei Wochen nach der Geburt öffnen sie die Augen und wenn sie sechs Wochen alt sind, geht die Mutter weg und sie müssen alleine zurecht kommen. Oft werden die Igelmütter vorher vom Auto überfahren, dann sind die Kinder hilflos. Oder Sie marschieren los und finden nicht genügend Nahrung. Weil in den Städten immer dichter gebaut wird, schwindet ihr Lebensraum. Außerdem sind die Gärten, die noch bleiben, oftmals so sauber „aufgeräumt“, dass Igel keine Nahrung mehr finden, Laufkäfer, Schmetterlingslarven, Ohrwürmer oder Mäusebabies. Im November droht dann Unterkühlung.

Wer einen Igel entdeckt, sollte ihn aber nur dann mitnehmen, wenn er wirklich in Not ist oder krank aussieht. Dann ist es sinnvoll, ihn mit Handschuhen anzufassen, in eine Schachtel zu setzen, die mit Zeitungen ausgelegt ist, und ihm Katzenfutter oder ungewürztes Rührei für den ersten Heißhunger zu geben. Und dann die nächste Igelstation anzurufen. Denn man kann viel falsch machen.

„Es geht dann erstmal darum, sie von Parasiten zu befreien“, erklärt Astrid Hofmann. Und zwar nicht mit Wasser. „Igel darf man niemals duschen oder baden. Sie können zwar schwimmen, tun es aber äußerst ungern und können vor lauter Wasser-Stress sterben.“ Igel fressen kein Obst, auch wenn sich die Legende hartnäckig hält, dass sie Fallobst mit ihren Stacheln auffangen und wegtragen, um es später zu verspeisen.

Astrid Hofmann hat auch schon zwei Füchse und Waschbären aufgepäppelt. Als die Tiere irgendwann Schuppen und Keller übervölkerten, schritt ihr Mann zur Tat und baute ein Holzhaus für die Tiere. „Er macht mir keine Vorwürfe wegen meinem ehrenamtlichen Engagement. Schließlich hat er das ganze ausgelöst, als er Maggie fand.“ Maggie lebte übrigens bis zu diesem Sommer in der Nähe von Astrid Hofmanns Hof und kam immer wieder zu Besuch. Findet die Igelmutter denn für jeden Igel einen passenden Namen? „Bei so vielen ist das unmöglich. Alle Mädchen heißen Picksie, alle Buben Borstel. Sie bleiben ja meist nur ein paar Wochen, bis sie groß und kräftig sind. Nur wenige überwintern bei uns.“

Auch Picksie wird in drei bis vier Wochen wieder in die Freiheit entlassen. „Dafür suche ich Streuobstwiesen oder entlegene Gärten.“ Warum darf Picksie nicht einfach aus dem Schuppen marschieren? „Bei fast 90 Igeln pro Saison wäre das ein Gewimmel auf dem Hof.“

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