Skurrile Modetrends: Wie Chinesen sich vor Sonne und Smog schützen

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Knappe Bikinis? Fehlanzeige. Sogar das Gesicht wird beim Baden verhüllt. Foto: VCG/Getty Images

Der Burkini erhitzt in Europa die Gemüter. Schwer verständlich für die Besucher eines chinesischen Badeortes: Hier geht man noch einen Schritt weiter und trägt den Facekini, eine Ganzgesichtsverhüllung.

Die Hafenstadt Qingdao am Gelben Meer ist der ideale Ort für einen Badeurlaub: feiner weißer Sandstrand, eine 40 Kilometer lange Promenade, angenehmes Klima. Im Sommer muss man Glück haben, um mit seinem Handtuch eine freie Stelle an den beliebtesten Strandabschnitten zu ergattern. Doch eines sieht man hier fast nie: Frauen in Bikinis. Chinesinnen ist ihre weiße Haut heilig. Ein feiner Porzellanteint gilt als weiblich und wird hoch geschätzt. Ein Statussymbol. Die in Europa begehrte Bräune wird dagegen mit niederer Arbeit im Freien verbunden. Die Angst, am Strand zu viel Sonne abzubekommen, hat an Chinas Top-Badestrand zu einem erstaunlichen Modetrend geführt.

Facekini nennt sich die Maske aus Neopren, mit der Chinesinnen beim Baden das komplette Gesicht verhüllen. Sie erinnert an eine Sturmhaube. Erfunden hat den Ganzgesichtsschutz Zhang Shifan. Für sie stand ursprünglich ein ganz praktischer Gedanke dahinter: Die Maske sollte das Gesicht vor schmerzhaften Quallenstichen schützen. Ein riesiger Flop, zumindest am Anfang. Niemand wollte den Facekini tragen. Zhang Shifan änderte das Design und reduzierte den Preis. Heute ist der Gesichtsschutz umgerechnet ab 1,40 Euro zu haben. Mehrere Zehntausende hat Zhang Shifan inzwischen verkauft.

Kinder haben Angst vor dem Facekini

„Der Schutz vor Sonnenbräune war eigentlich nur zweitrangig, aber jetzt hat er für meine Kunden die größte Anziehungskraft“, sagte sie CNN. Ihre Kunden, das sind meist Frauen mittleren Alters. Sie schwören außerdem darauf, dass der Facekini Falten vorbeugt.

Längst nicht alle Chinesen sind von der Gesichtsverhüllung begeistert. Im Internet wird der Trend heftig kritisiert. Und auch Erfinderin Zhang Shifan räumte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters einen großen Nachteil ein: Die Maske mache Kindern Angst. „In der Vergangenheit wollte ich wirklich alles dafür tun, um Menschen nicht zu erschrecken.“ Deshalb hat sie ihre Masken noch einmal überarbeitet und mit den beliebten Motiven der traditionellen Peking-Oper versehen.

Turnschuh-Design gegen Smog

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Diese Atemschutzmaske war mal ein Turnschuh. Foto: Wang Zhijun

Mit Gesichtsschutz hat auch die Kollektion von Designer Wang Zhijun zu tun. Er fertigt aus Turnschuhen bekannter Marken wie Nike, Adidas oder Puma Atemschutzmasken. Wang Zhijun ist seit 2010 ein begeistertet Läufer. „Mir fiel auf, dass die Luftverschmutzung immer schlimmer wurde“, sagte er im Interview mit Yahoo. „Es ist nicht leicht eine Maske zu finden, die mich selbst schützt, passt und auch noch gut aussieht.“ Also entwarf er 2014 sein eigenes Design, das Material lag nahe: „Ich liebe es, Turnschuhe zu sammeln.“ Pro Maske verwendet er ein Paar Schuhe. Dabei wollte er nicht nur ein modisches Accessoire kreieren. „Es geht darum, unsere Einstellung und unser Verhalten zu ändern, um unsere Umwelt für uns und die nächste Generation zu schützen.“

Seine Turnschuh-Maske hat einen ernsten Hintergrund. Erst Ende des Jahres löste Peking Alarmstufe Rot aus – wegen Smog. In der Stadt wurden gefährliche Feinstaubwerte von teils über 250 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gemessen. Studien gehen davon aus, dass jedes Jahr weltweit mehr als drei Millionen Menschen vorzeitig an den Folgen von Luftverschmutzung sterben.

Blutige Schirme und riesige Nasenhaare

Nicht nur Wang Zhijun auch andere Designer hat die Luftverschmutzung schon beschäftigt. Liu Wei, Modedesignerin, hat das Thema vor zwei Jahren auf den Laufsteg der China Fashion Week geholt. Sie ließ als Krankenschwestern gekleidete Models mit Mundschutz und blutigen Regenschirmen laufen. Ihre Kollektion sollte nach eigenen Aussagen zeigen, dass man in China für den Smog einen blutigen Preis zahlen muss.

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Mode als politisches Statement - Designerin Liu Wei hat Smog zum Thema ihrer Kollektion gemacht. Foto: Lintao Zhang/Getty Images

Die Umweltorganisation WildAid versucht mit Humor, Menschen auf das Thema aufmerksam zu machen. In einem von ihr veröffentlichten Video wachsen Menschen überlange Nasenhaare, selbst einem Baby im Kinderwagen und bei einem Hund sprießen die Haare. Eine unheimliche Zukunftsvision: riesige Nasenhaare als einziges Mittel, um sich vor dem gefährlichen Dunst zu schützen. „Viele Menschen beschweren sich über die Verschmutzung in Peking und Shanghai, aber niemand weiß wirklich, was man selbst dagegen tun kann“, sagte eine Vertreterin der Organisation, May Mei, der BBC. Sie vermutet, dass mehr als 30 Prozent der Verschmutzung in Peking aus Verkehrsabgasen stammen. Wenn mehr Menschen Rad fahren oder zu Fuß gehen würden, wäre das ein großer Unterschied, sagte sie. Das Video endet mit einer Warnung: Ändere die Luftverschmutzung, bevor sie dich ändert.

Clu