Verfolgungsjagd: Mögliche psychologische Folgen für Prinz Harry nach Dianas Tod

Prinz Harry und Meghan Markle sagen, sie seien in eine „fast fatale Verfolgungsjagd“ verwickelt gewesen. Die Art und Weise, wie Diana starb, könnte bei Harry eine „übermäßige Wachsamkeit“ ausgelöst haben, so ein führender Psychologe.

Die „Verfolgungsjagd“ ereignete sich, nachdem Meghan Markle, Prinz Harry und Doria Ragland bei den Ms. Foundation Women of Vision Awards waren. (Getty Images)
Die „Verfolgungsjagd“ ereignete sich, nachdem Meghan Markle, Prinz Harry und Doria Ragland bei den Ms. Foundation Women of Vision Awards waren. (Getty Images)

Der Herzog und die Herzogin von Sussex – sowie Meghans Mutter Doria Ragland – sollen einer zweistündigen „unbarmherzigen Verfolgungsjagd“ ausgesetzt gewesen sein, in die laut des Sprechers des Paares am Dienstagabend in New York ein halbes Dutzend verdunkelter Fahrzeuge involviert gewesen sein soll.

Da die beiden stark polarisieren, haben viele Social-Media-User ihre eigene Meinung zu dem Vorfall kundgetan. Einige Twitter-Nutzer zweifelten sogar an der Ernsthaftigkeit der Verfolgungsjagd.

„Das sind einfach Harry & Meghan, wie sie für Netflix neues Material vorbereiten“, twitterte ein User.

„Bestand nicht der Großteil der ‚Verfolgungsjagd‘ daraus, bei 1-3 Meilen pro Stunde durch den Stau zu kriechen?“, äußerte jemand anderes.

„Hat noch das Gefühl, dass es bei dieser Prinz-Harry-Jagd ausschließlich um Aufmerksamkeit geht?“, sagte jemand anderes. „In dem Video, das die ‚Paparazzi‘ veröffentlicht haben, posierte seine Frau und sieht toll aus.“

Doch viele andere, darunter auch die Abgeordnete Jess Phillips, haben eine andere Sichtweise auf den Vorfall.

„Ich kann nicht glauben, dass ich mich zu diesem Thema äußere, da es ziemlich spekulativ ist, aber wenn meine Mutter bei einer Paparazzi-Verfolgungsjagd ums Leben gekommen wäre, als ich ein Kind war, hätte ich vermutlich eine andere Wahrnehmung (Traumareaktion) auf ein ähnliches Ereignis als andere“, twitterte sie.

„Dinge, die für andere völlig unsinnig erscheinen, können mir wirklich große Angst einjagen, seit mein Freund getötet wurde, weil er unsere Arbeit gemacht hat. Übermäßige Wachsamkeit ist sowohl ein Fluch als auch ein Schutz.“

Zu der Verfolgungsjagd soll es gekommen sein, nachdem Prinz Harry und Meghan die Women of Vision Gala am Dienstagabend in New York verlassen hatten. (Getty Images)
Zu der Verfolgungsjagd soll es gekommen sein, nachdem Prinz Harry und Meghan die Women of Vision Gala am Dienstagabend in New York verlassen hatten. (Getty Images)

Verfolgungsjagd könnte Prinz Harry mehr traumatisiert haben als das bei anderen der Fall wäre

Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass Promis vor Paparazzi fliehen, aber die Psychologin Barbara Santini glaubt, dass diese Erfahrung für Harry besonders traumatisch gewesen sein könnte, da er seine Mutter 1997 bei einem Autounfall verloren hat, als diese von Fotografen verfolgt wurde.

„Diese schlimme Erfahrung könnte tief verwurzelte Erinnerungen und Emotionen wieder wachgerufen haben, sodass er sich zutiefst unsicher fühlte“, erklärt sie. „Die Verfolgungsjagd hat wahrscheinlich den Schmerz und die Trauer über den Verlust seiner Mutter wieder aufleben lassen und seine traumatische Reaktion verstärkt.“

Santini weist darauf hin, dass das erneute Durchleben dieser traumatischen Erfahrung bei dem Herzog „übermäßige Wachsamkeit“ ausgelöst haben könnte und ihn sensibler auf mögliche Bedrohungen und unsichere Situationen reagieren lässt.

Der Herzog und die Herzogin von Sussex ziehen bei jedem Event, bei dem sie anwesend sind, die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich. (Foto: Getty Images)
Der Herzog und die Herzogin von Sussex ziehen bei jedem Event, bei dem sie anwesend sind, die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich. (Foto: Getty Images)

Der mögliche Einfluss von PTBS

Natürlich hat Prinz Harry schon früher darüber gesprochen, wie er nach dem Tod seiner Mutter von einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) „geheilt“ wurde und es ist möglich, dass dies auch bei der Wahrnehmung seiner Erlebnisse in dieser Woche eine Rolle spielte.

„Jeder, bei dem schon einmal eine PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) festgestellt wurde, kennt Situationen, die das Nervensystem aktivieren“, erklärt Claire Goodwin-Fee, Psychotherapeutin und Traumaexpertin, die die wohltätige Organisation FRONTINE19 leitet.

„Bei PTBS ist unser Nervensystem überaktiviert, sodass man das Leben als Bedrohung empfindet. Dies ist eine unterbewusste, oftmals starke Reaktion auf Einflüsse von außen, wie eine Verfolgungsjagd oder ein Autounfall.“

„Wie kleine Schalter im Gehirn verbinden wir bestimmte Dinge mit der traumatischen Erinnerung“, fährt sie fort. „Sagen wir einen Geruch, eine Farbe oder ein Gefühl. Die getriggerte Person hat keine Kontrolle über die Reaktion und kann sich überwältigt und nahe einer Panik fühlen.“

In diesem Fall glaubt Goodwin-Fee, dass der zweifache Familienvater angesichts seiner Offenheit in Bezug auf seine eigene psychische Gesundheit und sein Trauma durch diese Situation – insbesondere eine Verfolgungsjagd – getriggert worden sein könnte.

„Seine Reaktion könnte einen Schalter (Trigger) umlegen und obwohl er in dem Moment auf das reagiert, was seiner Meinung nach im Hier und Jetzt geschieht, wäre es eine Reaktion auf frühere Ereignisse/Erinnerungen“, erklärt sie.

„Das ist in dieser Art von Situation im Wesentlichen eine Traumareaktion.“

Laut Baldwin-Fee reagiert der Körper bei einem Trauma, als sei er auf Autopilot geschaltet und zwingt einen in den Überlebensmodus. Das wird oftmals als Angriff- oder-Flucht-Reaktion bezeichnet.

„Das bedeutet, dass man eine sehr viel stärkere Reaktion auf einen aktivierenden Vorfall haben kann, was auf den Erfahrungen aus der Vergangenheit basiert und weniger, was gerade hier und jetzt passiert“, erklärt sie.

Sowohl Meghan Markle als auch Prinz Harry ziehen die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich. (Getty Images)
Sowohl Meghan Markle als auch Prinz Harry ziehen die Aufmerksamkeit der Fotografen auf sich. (Getty Images)

Behandlung für PTBS

PTBS ist eine sehr einschränkende und einnehmende Erkrankung, die mit professioneller Hilfe behandelt werden kann.

  • Behandlungen wie Therapie oder bestimmte Techniken wie EMDR (Desensibilisierung und Aufarbeitung mithilfe von Augenbewegungen)

  • BWRT – Brain Working Recursive Therapy; kann wirklich helfen, Reaktionen, die an sich schon retraumatisierend sein können, abzuschwächen oder sogar zu lindern. Unbehandelt kann dies zu Suizidgedanken führen.

„Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass jeder von uns von PTBS, einem Trauma oder Ähnlichem betroffen sein kann und dass es viele Informationen und Unterstützung gibt, wenn man Probleme hat“, fügt Goodwin-Fee hinzu.

Marie Claire Dorking

Anmerkung der Redaktion: Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.