Better Life: Darum muss man aufs Klo, sobald man sich dem Zuhause nähert

Wer dringend auf die Toilette muss, wenn er oder sie nach Hause kommt, könnte an einer Schlüsselinkontinenz leiden. Das ist meistens harmlos und in vielen Fällen sogar selbst erlernt.

Viele Menschen gehen nur Zuhause auf die Toilette
Jetzt aber schnell: Viele Menschen gehen nur Zuhause auf die Toilette. (Symbolbild: Getty Images)

Es sind nur noch wenige Meter bis nach Hause, aber mit jedem Schritt nimmt er zu: der Drang, Pinkeln zu müssen. Viele Menschen kennen das Gefühl genau. Sobald sie sich ihrem Zuhause nähern, müssen sie auf die Toilette. Ganz plötzlich. Ganz dringend.

Woran liegt's?

Das Phänomen heißt latchkey incontinence, übersetzt Schlüsselinkontinenz. Manchmal wird es auch Last-Minute- oder Coming-Home-Inkontinenz genannt.

Ganz dringend Müssen zu müssen: Die Blase meldet sich bei vielen Menschen, sobald sie sich ihrer Haustüre nähern, den Schlüssel aus der Tasche ziehen und gerade aufschließen wollen. Dieser Vorgang ist wie ein Auslöser, auf den der Körper – in der Regel ganz unbewusst – reagiert.

Verbreitet ist die Schlüsselinkontinenz zwar eher bei Menschen, die ohnehin an einer überaktiven Blase leiden und häufigeren Harndrang haben. Aber es kann jeden und jede treffen, auch ohne zugrundeliegendes medizinisches Problem.

Das sagen Experten

Das Gehirn steuert die meisten Körperfunktionen. Dazu zählt auch die Blase. Das hat einen einfachen Grund: So wird sichergestellt, dass wir auf die Toilette gehen, wenn es sinnvoll ist. Und nicht während einer langen Autofahrt ohne Rastplatz oder inmitten einer wichtigen Besprechung. Dann signalisiert das Gehirn der Blase, stillzuhalten, bis es eine Möglichkeit zum Pinkeln gibt. Stillzuhalten ist dabei auch das richtige Stichwort: Das Gehirn schwächt gezielt die Kontraktionen der Blase und senkt so den Harndrang.

"Je näher man der Toilette kommt, desto schwächer werden aber die hemmenden Signale des Gehirns", erklärt Victor W. Nitti, Professor für Urologie, in der "Huffpost". Gleichzeitig, fährt der Experte fort, werde der Gedanke ans Wasserlassen immer stärker. Kein Wunder also, wenn man mit jedem Schritt heimwärts dringender pinkeln muss.

Im gleichen Beitrag kommt auch Jessica Stern zu Wort, sie ist Assistenzprofessorin für Psychiatrie. Sie erklärt, dass der Harndrang auf dem Heimweg aber auch antrainiert sein kann: "Je öfter man zu Hause ankommt und sofort auf die Toilette geht, desto mehr wird sich dieses Muster entwickeln." Die Forschung hat dieses Verhalten mit der pawlowschen Reaktion verglichen: Man bringe seinem Gehirn im Grunde bei, es sei an der Zeit zu Pinkeln, wenn die Haustür näherkomme.

Welche anderen Positionen gibt es?

Das sind aber nicht alle Erklärungsansätze. Es gibt auch Untersuchungen, die zeigen, dass das Zuhause – und dazu gehört auch die Toilette in den eigenen vier Wänden – ein Gefühl von Sicherheit und Vertrautheit hervorruft. Öffentliche Toiletten sind bei vielen Menschen hingegen Orte, die sie als unsicher, unhygienisch oder schwer zugänglich empfinden und deshalb meiden.

Aber es sind nicht nur Menschen, die den Komfort der eigenen Toilette schätzen und deshalb nicht unterwegs pinkeln wollen. Andere können es auch einfach nicht, weil sie unter Paruresis leiden – der umgangssprachlichen schüchternen Blase. Laut Paruresis.de sind in Deutschland etwa drei Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Sie können aufgrund dieser Angststörung "bei tatsächlicher oder gefühlter Anwesenheit anderer nicht urinieren". Wenn Betroffene den ganzen Tag unterwegs sind und nicht auf die Toilette können, ist ihr Harndrang beim Ankommen zuhause oft sehr hoch – sie müssen dann sofort aufs Klo. Und genau dieses Verhalten kann sich, wie zuvor erklärt, mit der Zeit verstärken.

Was kann man dagegen tun?

Wer sich Sorgen um seine Blasengesundheit macht, kann sich bei einem Facharzt oder einer Fachärztin durchchecken lassen. Die meisten Menschen aber müssen laut Jessica Stern nichts unternehmen. In den allermeisten Fällen sei es zwar "eine nervige, aber harmlose Macke".

Wer aber tatsächlich so stark unter Harndrang leide, wenn er oder sie nach Hause komme und der Umstand auch die Lebensqualität beeinflusse, der könne sich therapeutische Hilfe suchen: "Eine Verhaltenstherapie könnte dann sehr hilfreich sein", sagt Stern in der "Huffpost". Diese könnte Betroffenen helfen, sich beim Gang auf öffentliche Toiletten wohler zu fühlen oder sich mithilfe von Techniken abzulenken, wenn man nur noch wenige Schritte von Zuhause entfernt sei.

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