Better Life: Erreger aus Urzeiten - Experten warnen vor Gefahr durch Eisschmelze

Gletschereis und Permafrost schmelzen immer schneller. Dadurch könnten ausgerottet geglaubte Viren und Bakterien zurückkehren. Doch wie groß ist die Gefahr wirklich?

Was lauert im Permafrost in Sibirien?
Was lauert im Permafrost in Sibirien?

Ob Gletscher in Tibet oder der Permafrost in Sibirien: Durch den Klimawandel schmelzen feste Eisflächen - schneller als die Forschung zunächst angenommen hat.  

Die durch die Erderwärmung bedingte Schmelze betrifft nicht nur Tiere, deren Lebensraum bedroht wird. Auch für den Menschen könnte sie neben einer steigenden Anzahl von Naturkatastrophen ungeahnte Folgen haben.

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Infografik: Wasser - die größte Naturgefahr des 21. Jahrhunderts? | Statista
Infografik: Wasser - die größte Naturgefahr des 21. Jahrhunderts? | Statista

Schmelzwasser könnte ausgerottete oder unbekannte Krankheitserreger befördern

Wissenschaftler*innen fürchten, dass sich mit dem Schmelzwasser Krankheitserreger verbreiten, die seit Jahrhunderten oder gar Jahrtausenden im Eis eingeschlossen schlummern. Sie könnten, so die Sorge, ausgerottet geglaubte Krankheiten zurückbringen, gegen die die heutige Menschheit keine Resilienz mehr besitzt. Oder in Kontakt mit "heutigen" Mikroben unheilvolle Mutationen hervorbringen.

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Oder sie könnte bisher unbekannte Erkrankungen entfesseln, für die es noch keine Medikamente gibt. So wiesen 2022 chinesische Forschende in 21 tibetischen Gletschern fast Tausend mikrobielle Spezies nach, 98 Prozent davon waren bisher unbekannt. "Diese Mikroorganismen können neuartige Virulenzfaktoren tragen, die Pflanzen, Tiere und Menschen angreifbar machen", heißt es in der chinesischen Studie.

12-Jähriger starb an Milzbrand aus Permafrost

2016 sorgte ein Fall aus dem nördlichen Sibirien für weltweites Aufsehen. Ein zwölfjähriger Junge starb an Milzbrand, 70 weitere Menschen mussten ins Krankenhaus. Der Junge soll sich bei einem Rentier angesteckt haben. Dies wiederum hat sich mutmaßlich an einem Anthrax-Erreger infiziert, der aus dem geschmolzenen Permafrost gekommen sei. Die durch Bakterien ausgelöste Krankheit tritt normalerweise in wärmeren Regionen auf.

Schon vor über zehn Jahren wiesen Forschende des US-amerikanischen Instituts für Allergien und Infektionskrankheiten nach, dass sich auch Viren im Dauerfrost halten können. So entdeckten sie in Alaska bei einer Frau, die über 75 Jahre in einem unter zwei Metern Eis bedeckten Massengrab lag, Viruspartikel, aus der sie Erbinformationen der Spanischen Grippe extrahieren konnten. Gegen Ende des Ersten Weltkrieges raffte diese Influenza-Pandemie weltweit zwischen 20 und 50 Millionen Menschen dahin.

Kein Grund zur Panik

Besteht also Grund zur Panik? Überfluten bald mit dem Schmelzwasser etliche tödliche Krankheiten die Welt? Eher nicht. Viren, wie der Erreger der Spanischen Grippe, konnten nur unter Laborbedingungen wiedererweckt werden. Werden sie in der Natur freigesetzt, würden sie höchstwahrscheinlich sofort wieder sterben.

Um einen Menschen zu infizieren, müsse die Virenlast außerdem groß sein, wie der Hamburger Virologe Jonas-Schmidt bereits 2020 gegenüber dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" erklärte. Zudem nehme die Infektiosität von Viren über die Jahre ab, selbst unter einer Eisschicht konserviert.

Allerdings: Bakterien wie der Milzbranderreger sind robuster als Viren. Sie können länger überleben. Gerade Anthrax besitzt eine dicke Zellwand, die den Erreger vor Kälte und anderen Umwelteinflüssen schützt.

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