Better Life: Ziehen sich Gegensätze in Beziehungen wirklich an?
Gegensätze ziehen sich an – so lautet ein altes Sprichwort. Doch für Paare gilt das offenbar nicht. Das haben Forscherinnen und Forscher in einer Studie herausgefunden.
Studie blickt mehr als 100 Jahre zurück
Der Liebe wird viel nachgesagt: Liebe macht blind, gleich und gleich gesellt sich gern, Liebe geht durch den Magen, Gegensätze ziehen sich an. Letzteres konnten Forschende der amerikanischen University of Colorado Boulder nun widerlegen. Im Rahmen einer Metastudie werteten sie 199 frühere Studien aus, die 22 Eigenschaften untersuchten. Die älteste Studie stammt aus dem Jahr 1903. Zusätzlich verwendeten die Forschenden einen Datensatz, der Informationen von fast 80.000 heterosexuellen Paaren aus Großbritannien enthielt. Innerhalb dieses Datensatzes analysierten sie 133 verschiedene Merkmale. Diese Merkmale umfassten verschiedenste Faktoren, darunter politische und religiöse Überzeugungen, Bildungsniveau und das Alter, in dem die einzelnen Partner*innen erstmals Geschlechtsverkehr hatten.
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift "Nature Human Behaviour" veröffentlicht.
Partnerwahl alles andere als zufällig
Das Resultat: In rund 89 Prozent der untersuchten Aspekte ließ sich eine Übereinstimmung zwischen den Partner*innen feststellen. Das heißt: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Paare Ähnlichkeiten anstatt Unterschiede aufwiesen, war signifikant höher. Ist unsere Partnerwahl also vielleicht gar nicht so zufällig, wie es uns im Leben manchmal vorkommen mag? Vermutlich nicht. Das meint auch der leitende Autor der Studie Matthew Keller. Er erklärt in einer Pressemitteilung zur Studie:
Viele Modelle in der Genetik gehen davon aus, dass die Paarung von Menschen zufällig erfolgt. Diese Studie zeigt, dass diese Annahme wahrscheinlich falsch ist.Matthew Keller, Verhaltensgenetiker
Die meiste Ähnlichkeit zeigt sich im Lebensalter
Kaum überraschend: Das Geburtsjahr war ein Merkmal, bei dem Paare am stärksten Ähnlichkeiten aufwiesen. Auf einer Skala von 0 (kein Zusammenhang) bis 1 (perfekter Zusammenhang) erreichte dieser Wert 0,87. Ein ebenfalls hoher Zusammenhang wurde bei politischen und religiösen Überzeugungen, Bildungsniveaus und IQ-Messungen festgestellt. Was sich außerdem zeigte: Menschen, die viel rauchen, viel trinken oder abstinent leben, finden sich besonders häufig in Beziehungen mit Personen wieder, die ähnliche Gewohnheiten haben.
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Manchmal ziehen Gegensätze sich tatsächlich an
Nur bei drei Aspekten des britischen Datensatzes konnten die Forscher einen schwachen negativen Zusammenhang feststellen: Beim Chronotyp, also der sogenannten "inneren Uhr" (Lärche oder Eule), bei der Neigung zu Ängstlichkeit und bei Hörschwierigkeiten. Bei diesen Merkmalen scheint es sich zu bewahrheiten, dass sich Gegensätze (zumindest ein wenig) anziehen. Auch andere Faktoren, wie Gewicht, medizinische Probleme oder die Größe können durchaus unterschiedlich sein.
Bei manchen Merkmalen, wie beispielsweise Extravertiertheit, gab es keinerlei Zusammenhang. Tanya Horwitz, Co-Autorin der Studie, erklärt in einer Pressemitteilung: "Die Menschen haben all diese Theorien, dass Extrovertierte Introvertierte mögen oder dass Extrovertierte andere Extrovertierte mögen. Aber tatsächlich ist es so, als würde man eine Münze werfen."
Forschung bei gleichgeschlechtlichen Paaren noch nötig
In die Untersuchung wurden keine gleichgeschlechtlichen Paare miteinbezogen. Die Autor*innen planen, diese separat zu analysieren.
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Singles finden Gegensätze tatsächlich attraktiver
Ist an dem Sprichwort also tatsächlich nichts dran? Nun ja, wie Forschende der tschechischen Karls-Universität herausgefunden haben, trifft die Volksweisheit - unter bestimmten Bedingungen - durchaus zu. In der Studie legte das Team um die Psychologin Jitka Lindová 130 Männern und Frauen Bilder von Personen vor. Die Teilnehmer*innen sollten die Attraktivität der abgebildeten Personen bewerten. Die Forschenden hatten die Bilder so bearbeitet, dass manche Personen auf den Fotos den Proband*innen ähnelten und andere wiederum nur wenig Gemeinsamkeiten mit ihnen hatten. Es zeigte sich, dass Singles dabei eher Gesichter anziehend und sexy fanden, die ihnen nicht ähnlich sahen – und zwar sowohl bei Menschen des gleichen wie auch des anderen Geschlechts. Personen, die in einer festen Beziehung waren, zeigten keine eindeutigen Präferenzen.
Eine mögliche Erklärung: Unser Beziehungsstatus beeinflusst offenbar, wen wir als attraktiv empfinden. Womöglich soll uns unser Sinn für Ästhetik in der Partnersuche unterstützen. Da es genetisch gesehen von Vorteil ist, wenn Partner*innen möglichst wenig Ähnlichkeiten mit uns aufweisen, werden möglichst unähnliche Personen womöglich bevorzugt. In festen Beziehungen könnte dieser Mechanismus möglicherweise unterdrückt werden. Dies könnte dazu dienen, die Beziehung stabil zu halten und uns davon abzuhalten, nach „besseren“ Alternativen zu suchen. Es sei laut Jitka Lindová aber auch möglich, dass Ähnlichkeit als ein Zeichen für Nähe und Verwandtschaft an Bedeutung gewinnt, wenn gegenseitige Unterstützung und sozialer Zusammenhalt in einer Beziehung immer wichtiger werden.
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