„Bread and Roses“: Diese ergreifende Apple TV+-Doku über den Widerstand afghanischer Frauen macht deutlich, warum Frauenrechte alles andere als selbstverständlich sind
Die traurige Wahrheit: Es mangelt derzeit nicht an Weltkrisen. Deshalb ist es kein Wunder, dass das grausame Schicksal afghanischer Frauen nach der Machtübernahme der Taliban 2021 in den letzten Jahren mehr und mehr in Vergessenheit geraten ist. Umso wichtiger ist die neue, von Hollywoodstar Jennifer Lawrence produzierte Dokumentation „Bread and Roses“ (zu sehen auf Apple TV+ ab dem 22. November), die mit bewegender Intensität daran erinnert, dass auf Fortschritt in puncto Frauenrechte und Gleichberechtigung kein Verlass ist.
Sie fängt das Leben von modernen afghanischen Frauen ein, die sich in den letzten 20 Jahren mehr und mehr Rechte und Freiheiten erkämpft und als Juristinnen, Poetinnen und Ärztinnen die Zukunft des Landes mitgestaltet haben. Bis die islamistische Terrorgruppe Taliban am 15. August 2021 in Kabul einmarschiert ist. Genau hier beginnt die Dokumentation und das Ende jeglicher Frauenrechte in Afghanistan.
Der Film begleitet drei mutige Protagonisten, die mit allen Mitteln den Widerstand gegen die Terrorgruppe organisieren. Mit Aufnahmen, die heimlich gefilmt wurden und die unter die Haut gehen. Rohe Gewalt bei den Demonstrationen, nächtliche Streifzüge begleitet von Angst und Schrecken und Auseinandersetzungen mit der eigenen Familie. Aber diese furchtlosen Frauen geben nicht auf, schreiben ihren Protest in den Schnee, sprühen ihn an Hauswände und malen ihn in ihre Handflächen.
Ernüchternde Bestandsaufnahme
Die derzeitige Lage für Frauen in Afghanistan könnte kaum verzweifelter sein: Mädchen dürfen ab der 5. Klasse nicht mehr zur Schule gehen, Frauen dürfen weder studieren noch arbeiten. Und sie dürfen nur im Notfall das eigene Haus verlassen – und wenn dann nur mit Burka, also vollständig verschleiert. Das neuste, gerade von der fundamentalistischen Taliban erlassene Verbot: Frauen dürfen nicht mal mehr die Stimmen anderer Frauen (die nicht zur Familie gehören) hören. Das gilt sogar für Gebete!
Das klingt absurd, aber genauso werden Frauen systematisch isoliert, unterdrückt und jeglicher Hoffnung beraubt. Jeder noch so kleinste weibliche Widerstand wird grausam bestraft. Nicht selten mit Folter oder sogar Todesstrafe. Drakonische Maßnahmen, die Frauen in Afghanistan zu Gefangenen in ihrem eigenen Zuhause macht. Ohne Perspektive, ohne Hoffnung, ohne Beistand. Die Selbstmordrate in Afghanistan ist dramatisch gestiegen.
Gemeinsam gegen die Unterdrückung von Frauen
„Diese gnadenlose Gewalt gegen Frauen hat mich so niedergeschlagen, ich wollte irgendwie helfen“, erinnert sich Hollywoodstar Jennifer Lawrence. Also machte sich die US-Schauspielerin mit ihrer Produktionsfirma „Excellent Cadavar“ auf die Suche nach einer afghanischen Filmemacherin und entdeckte Sahra Mani. Die afghanische Regisseurin befand sich gerade auf einem Filmfestival in Europa, als die Taliban in Kabul einmarschierte. Seither lebt sie im Exil. Mit Hilfe eines Kamerateams vor Ort und ganz persönlichen Videoaufnahmen der drei Protagonistinnen gelang der Regisseurin eine ernüchternde Bestandsaufnahme grausamer Ungerechtigkeit gegen Frauen.
Frauenrechte müssen weltweit gestärkt werden, weil sie leider längst noch keine Selbstverständlichkeit sind. Und trotz aller Fortschritte immer wieder von patriarchischen Machtstrukturen bedroht werden. Auch in demokratischen Ländern!
Im Mittelpunkt stehen: Zahra Mohammadi, 33, eine frisch verheiratete Zahnärztin, deren Praxis sich schnell in einen Treffpunkt für andere Aktivist*innen verwandelt. Taranom Seyedi, 39, eine Frauenrechtsaktivistin, die ins Exil ins benachbarte Pakistan gezwungen wird. Und Sharifa Movahidzadeh, 31, eine Regierungsangestellte, die nun an ihr Haus gefesselt ist. Auch mit an Bord ist Malala Yousafzai als Produzentin. Die Nobelfriedenspreisträgerin und Aktivistin hat die brutale Unterdrückung der pakistanischen Taliban selbst hautnah erleben müssen. Sie wuchs in einer Region in Pakistan auf, in der die Terrororganisation Frauen und Mädchen das Leben zur Hölle machte und setzte sich schon im Alter von elf Jahren mit einem Blog für das Recht auf Bildung für Frauen ein. Das wurde ihr zum Verhängnis: Sie entging 2012 nur knapp einem Attentat und überlebte einen Kopfschuss.
Viele Szenen in „Bread and Roses“ sind schwer auszuhalten, aber der Zusammenhalt unter den Frauen ist auf bewegende Art und Weise auch ermutigend. Und ein wichtiger Appell an uns alle, sich bei jeder Gelegenheit für Frauenrechte und Gleichberechtigung stark zu machen. Frauenrechte müssen weltweit gestärkt werden, weil sie leider längst noch keine Selbstverständlichkeit sind. Und trotz aller Fortschritte immer wieder von patriarchischen Machtstrukturen bedroht werden. Auch in demokratischen Ländern! Man denke nur an die Vereinigten Staaten, in denen das Recht auf Abtreibung 2022 nach fast 50 Jahren wieder aufgehoben wurde. Wir dürfen nie vergessen: Ungerechtigkeit gegen Frauen hat verheerende Folgen. Für uns alle. Egal wo!