Darf man Käserinde mitessen?
Ganz oder gar nicht – das ist die Devise bei der Käserinde.
Der Frühstückstisch ist gedeckt, der Käseteller steht bereit und es wird direkt zum Messer gegriffen. Die Rinde am Käse zu entfernen ist für viele Menschen bereits Standard. Dabei gibt es genug Käsesorten, bei denen das überhaupt nicht notwendig ist, da die Rinde keinerlei Gefahr darstellt.
Käse erfreut sich großer Beliebtheit in Deutschland, auch wenn der Pro-Kopf-Verbrauch von Käse laut der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Jahr 2022 auf 24,6 Kilogramm gesunken ist. Um das einmal in Relation zu setzen: Das allseits bekannte Billy Regal von Ikea, das sicherlich schon einigen zu genügend Stauraum verholfen hat, wiegt in einfacher Ausführung rund 21 Kilo.
Man isst also im Jahr mehr als ein ganzes Billy-Regal in Käseform. Ist aber auch nachvollziehbar: Weltweit gibt es etwa 4000 Käsesorten, aus denen man wählen kann. In Deutschland landet der Gouda auf Platz eins des Käse-Rankings: Laut einer Umfrage des Milchindustrie-Verbandes benennen 43 Prozent der Befragten diese Käsesorte als ihren Favoriten.
Auf einigen Packungen wird explizit darauf hingewiesen, dass die Käserinde auch zum Verzehr geeignet ist – auf anderen wiederum finden sich Angaben, die vom Verzehr der Rinde abraten. Um auf Nummer sicher zu gehen, schneiden viele die Rinde einfach mal auf Verdacht ab.
Dass das aber gar nicht notwendig ist, wird klar, wenn man sich ein bisschen mit dem Thema Käserinde beschäftigt – daher willkommen zum Käserinden-Basistraining.
Der Käselaib und das Salzbad: So entsteht Käserinde
Was Käserinde ist, wissen sicherlich alle. Aber wie diese entsteht und was sie für den Käse tut, ist sicherlich weniger bekannt. Käserinde bildet den Oberflächenschutz des Käses und bewahrt ihn vor Verschmutzungen, Schimmelbefall und schützt ihn vor Beschädigungen.
Zudem sorgt die Rinde dafür, dass der Käse nicht austrocknet. Das ist aber noch nicht alles, denn die Rinde hat auch Einfluss auf den Geschmack des beliebten Milchproduktes: Je nachdem welchem Prozess der Käse ausgesetzt wird, erhält der Käse durch die Rinde seinen typischen Geschmack.
So trägt die Käserinde beispielsweise beim Brie zum charakteristischen Aroma bei. Zu den Einflussfaktoren des Geschmacks zählen zudem die Dauer der Reife, die Oberflächenbehandlung und die Zutaten.
Zur Bildung der Rinde werden die Käselaibe einem Salzbad unterzogen und dort teilweise mit Salz bestreut. Was das erholsame Käse-Bad angeht, gibt es auch hier Unterschiede: Weichkäse darf nur etwa eine halbe Stunde im Salzbad entspannen - Hartkäse hingegen muss bis zu drei Tage im Bad ausharren.
Während der Käselaib im Salzbad liegt, dringt das Salz in den Käse ein und entzieht ihm Wasser. Die Folge: Die Oberfläche festigt sich – die Rinde entsteht. Das Wellness-Programm ist danach aber noch nicht abgeschlossen, denn der Käse lagert im Anschluss in Reifungskellern, wo das aufgenommene Wasser verdunstet und die Käselaibe während der Reifezeit regelmäßig gewendet, gebürstet und gewaschen werden.
Um sicherzustellen, dass der Reifeprozess perfekt verläuft, ist ein konstantes Klima im Käsekeller wichtig. Möchte man eine besonders harte Käserinde erreichen, ist es notwendig den Käse wiederholt mit Salzlake einzureiben. Wird die Käserinde nicht weiter behandelt, ist sie essbar. Generell gilt: Alle natürlich gereiften und unbehandelten Käserinden sind zum Verzehr geeignet.
Der Behandlungsprozess einer Käserinde kann mehrere Monate dauern – was einem sicherlich gar nicht so bewusst ist, wenn man die Rinde am Frühstückstisch eiskalt abschneidet.
Edelschimmel und Schmiere – auch diese Rinde ist essbar
Ein Grund für das Entfernen der Rinde kann aber auch der Geschmack sein: Denn durch den Reifeprozess können Gär- und Bitterstoffe entstehen, die nicht jedem schmecken. Gesundheitlich bedenklich sind diese Arten der Rinde aber nicht.
Ebenso zum Verzehr geeignet ist die Rinde von Käsesorten, die mit speziellen Schimmelkulturen versetzt werden. Dazu gehören Weichkäsesorten wie Brie, Camembert oder Edelschimmelkäse. Hier verleiht die Rinde dem Käse seinen einzigartigen Geschmack - sie zu entfernen würde einen großen Verlust für die eigenen Geschmacksknospen bedeuten. Ähnlich sieht es bei Käsesorten mit Schmiere aus.
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Zugegebenermaßen klingt "Schmiere" jetzt nicht wirklich lecker, aber eigentlich handelt es sich dabei nur um eine Käseschicht, der im Prozess Bakterienkulturen hinzugefügt werden, die bei bestimmten Käsesorten wie dem Rotschmierkäse vorkommen.
Bei Käsesorten, die mit Schimmelkulturen versetzt werden, kann es außerdem zum Einsatz von Pflanzenasche kommen, die den Käse vor Schimmelbefall schützen soll. Pflanzenasche klingt erst einmal so, als sollte man sie nicht essen – die Pflanzenkohle, oder auch Aktivkohle wird allerdings als E153 in der Zutatenliste genannt und kann verzehrt werden.
Klingt also alles so, als könne man ab jetzt wie verrückt Käserinde essen. Wenn das aber der Fall wäre, müsste man ja keinen ganzen Artikel darüber schreiben. Denn im Fall von Natamycin in der Käserinde, sieht die Sache schon etwas anders aus.
Natamycin in Käserinde: Unterschiedliche Ansichten bezüglich der Essbarkeit
Bei Natamycin handelt es sich um einen Lebensmittelzusatzstoff (E235), der zur Behandlung der Oberflächen verschiedener Käse- und Wurstsorten zugelassen ist und Schimmelbefall vorbeugen soll. Im Jahr 2003 hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) den Stoff nach gesundheitlichen Aspekten bewertet.
Damals hat sich das BfR gegen eine Anwendung von Natamycin außerhalb der Humanmedizin ausgesprochen. Hier kommt der Stoff aufgrund seiner Wirksamkeit gegen Pilzinfektionen zum Einsatz.
Die Sorge war, dass es bei einer Erweiterung des Anwendungsbereiches zu Resistenzbildungen kommen könnte. Seit 2009 liegt eine neue Bewertung von Natamycin vor – dieses Mal von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA).
Bei ihrer Analyse wurde die Problematik der Resistzenzbildung durch Natamycin genauer unter die Lupe genommen, mit dem Ergebnis, dass "die Resistenzproblematik durch Natamycin als vernachlässigbar" gilt. Dabei wird sich aber ausdrücklich auf den Einsatz des Stoffes als Lebensmittelzusatzstoff berufen.
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Dementsprechend kann Käserinde mit diesem Konservierungsstoff seitens der EFSA gegessen werden – das BfR spricht sich allerdings gegen den Verzehr aus und rät dazu "den Einsatz als Lebensmittelzusatzstoff so begrenzt wie möglich zu halten".
Man ist also auf der sicheren Seite, wenn man die Käserinde mit diesem Inhaltsstoff nicht mitisst. Auf der Verpackung muss erkenntlich sein, ob die Käserinde mit Natamycin behandelt wurde. Oftmals findet man laut Utopia nur den Hinweis "konserviert" auf der Verpackung oder an der Käsetheke – hier also Bestenfalls einmal nachfragen. Bio-Käse enthält kein Natamycin.
Landeszentrum für Ernährung in BaWü rät: Künstliche Rinde nicht mitessen
Neben Käserinde mit Natamycin gibt es aber auch noch weitere Formen der Käserinde, die nicht mitgegessen werden sollten. Diese werden wie das Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg erklärt, mit dem Hinweis "Kunststoffüberzug nicht zum Verzehr geeignet" gekennzeichnet.
Wer zu faul ist, die Verpackung jedes Mal gründlich auf Hinweise zu untersuchen, kann sich merken, dass das meist für feste und halbfeste Sorten wie Gouda gilt. Nach der Reifung können diese Käsesorten mit Paraffinen, einer Kombination aus Leinen- oder Kunstgewebe oder aber mit Wachs oder Kunststoff überzogen werden. Und das alles muss man nun wirklich nicht mitessen!
Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem sollten auf Käserinde verzichten
Neben dem Verzehr dieser künstlichen Rinde rät das Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg auch noch von einem grundsätzlichen Verzehr von Käserinde jeder Sorte für Schwangere und Menschen mit geschwächtem Immunsystem ab. Denn bei bei unbehandeltem Käse können sich auf der Rinde Bakterien wie Listerien bilden.
Dabei handelt es sich um stäbchenförmige Bakterien, von denen die Art Listeria monocytogenes für Menschen und Tiere als Krankheiterreger von größter Bedeutung ist. Bei gesunden Menschen verläuft eine Infektion laut dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit "meist unauffällig" oder "nimmt einen harmlosen Verlauf mit grippeähnlichen Symptomen".
Zu schweren und sogar manchmal tödlichen Formen kann es bei bestimmten Risikogruppen kommen, zu denen zum Beispiel ältere Personen, Säuglinge oder immungeschwächte Menschen zählen. Auch für Schwangere können die Bakterien ein besonderes Risiko darstellen, da eine Infektion schwerwiegende Konsequenzen für das ungeborene Kind haben kann. Deshalb sollten Schwangere vorsorglich auf den Verzehr von rohen Fleisch- und Milcherzeugnissen verzichten, sowie die Rinde am Käse entfernen.
Alle anderen können meist frei nach dem Motto "Rinde mitessen oder nicht? Das ist hier die Frage!" leben und müssen nicht unbedingt jeden Morgen kaltblütig die Rinde entfernen, nur weil man es schon immer so macht. Mit dem neuen Käse-Know-How lässt sich der Käse am Morgen sicherlich noch viel fundierter analysieren und wer weiß - vielleicht schmeckt er dadurch sogar plötzlich noch besser!