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Ex-GNTM-Kandidatin Lijana Kaggwa über Cybermobbing: "Es ging schlicht und ergreifend darum, zu überleben“

Lijana Kaggwa stieg im Finale von "Germany’s Next Topmodel“ 2020 plötzlich aus, weil sie monatelangem Cybermobbing ausgesetzt war und sogar Todesdrohungen bekam. Im exklusiven Interview mit Yahoo Style spricht sie über diese schwere Zeit und ihr neues Buch, das anderen Betroffenen Mut machen soll.

Lijana Kaggwa beim Fotocall zur Vorstellung der Finalistinnen von Germany's Next Topmodel 2020 in Berlin (Bild: ddp images/Steffens)
Lijana Kaggwa beim Fotocall zur Vorstellung der Finalistinnen von Germany's Next Topmodel 2020 in Berlin (Bild: ddp images/Steffens)

Der Schock war groß, als Lijana Kaggwa 2020 im Finale von "Germany’s Next Topmodel“ plötzlich ausstieg. Doch kennt man erst einmal ihre Geschichte, kann man nachvollziehen, warum sie das tat. Während ihrer Zeit bei GNTM hatte sie mit Cybermobbing zu kämpfen, bekam widerliche Nachrichten, ja, sogar Todesdrohungen. Das Cybermobbing war so schlimm, dass sie Polizeischutz benötigte und irgendwann anfing, nach Selbstmordmöglichkeiten zu googlen. Doch Kaggwa kämpfte dagegen an und kämpfte sich wieder ins Leben zurück. Nun hat die ehemalige GNTM-Kandidatin ihr erstes Buch veröffentlicht. Der Titel: "Du verdienst den Tod“. Ihre Mission: "Es war mir vor allem wichtig, ein Statement gegen Cybermobbing zu setzen und den betroffenen Kindern und Jugendlichen da draußen Mut zu machen.“

Denn: Jede fünfte Schülerin, jeder fünfte Schüler ist betroffen von Cybermobbing und nicht mal jeder Zweite öffnet sich einer erwachsenen Person. Lijana Kaggwa macht sich stark für solche Schüler*innen und ihr Buch ist dabei nur der Anfang. Im exklusiven Interview mit Yahoo Style spricht sie über ihre Zeit bei "Germany’s Next Topmodel“, wie es ihr gelang, alles zu verarbeiten, wie es ihr heute geht und was Betroffene gegen Cybermobbing tun können.

Yahoo: Du bist im Finale von "Germany’s Next Topmodel“ freiwillig ausgestiegen. Wieso hört man so kurz vor dem Ziel auf?

Lijana Kaggwa: Während des Finales von GNTM hatte ich monatelanges Cybermobbing hinter mir, das auch ins reale Leben übergeschwappt ist. In diesen Monaten ging es für mich nicht mehr darum, "Germany's Next Topmodel" zu werden, sondern schlicht und ergreifend darum, zu überleben.

Ich habe diese Show das erste Mal geguckt, da war ich ein Kind. Ich habe sie mit diesen Kinderaugen total idealisiert. Aber so geht es nicht nur mir, sondern so geht es Millionen junger Menschen, die jedes Jahr diese Show gucken.

Nicht nur ich bin betroffen von Cybermobbing, sondern Millionen von Schülern und Schülerinnen jeden Tag. Darum wollte ich meine Situation nutzen, um mich von dieser Show zu distanzieren. Es ging mir darum zu zeigen, dass ich anders bin im realen Leben. Ich bin nicht so, wie sich mich alle vorgestellt haben. Und es war mir vor allem wichtig, ein Statement gegen Cybermobbing zu setzen und den betroffenen Kindern und Jugendlichen da draußen Mut zu machen. Du bist stark und du definierst dich selbst, niemand sonst da draußen!

Yahoo: Dein Buch handelt von Cybermobbing. Du gibst an, Morddrohungen bekommen zu haben. Du hattest sogar Polizeischutz. Was war der Auslöser und was waren die schlimmsten Nachrichten, die du bekommen hast?

Lijana Kaggwa: Der Auslöser für das Cybermobbing war die Ausstrahlung bei "Germany's Next Topmodel“ und meine Darstellung in der Show. Und „die schlimmste Nachricht“ gibt es eigentlich nicht, weil es so unfassbar viele schlimme Nachrichten gab, dass man gar nicht von der schlimmsten Nachricht sprechen kann. Das ging von "Bring dich um“, über "Geh zurück in dein Land, du Affe!“ bis hin zu "Du bist der ekelhafteste, widerwärtigste Mensch! Wenn ich dich sehe, schlag ich dir die Fresse ein“. Das waren typische Nachrichten, die ich bekommen habe. An eine kann ich mich auch noch besonders erinnern: "Deine Mutter ist eine Hure und du bist der größte Fickfehler von allen!“

Yahoo: Ab welchem Punkt hast du Angst bekommen?

Lijana Kaggwa: Richtig Angst bekommen habe ich zu dem Zeitpunkt, als der Cyberhass auf meine Familie übergeschwappt ist, also als die Täter und Täterinnen wirklich gezielt die Kontaktdaten meiner Familie rausgesucht haben. Auch die Instagram-Profile meiner Familie recherchiert haben, um ihnen dort Hass-Nachrichten zu schicken.

Und ganz besonders extrem wurde es, als ich das erste Mal auf offener Straße angepöbelt, mein Auto zugemüllt und mir vor allen Dingen auch zu Hause aufgelauert wurde. Das waren die Momente, in denen ich gemerkt habe: Ich bin im realen Leben nicht mehr sicher.

Yahoo: Wie hat/haben dir der Sender bzw. die Produzenten der Show geholfen?

Lijana Kaggwa: Ich habe meines Erachtens keine Unterstützung von dem Produzenten bekommen, die in irgendeiner Art und Weise geholfen hätte. Ja, sie haben mir einen Psychologen beiseitegestellt, der von der Show angestellt war, und bei dem ich das Gefühl hatte, dass er nicht in meinem Interesse handelt, sondern im Interesse der Show. Deswegen konnte ich mich ihm nicht öffnen und der Psychologe war für mich keine Hilfe. Und sie haben, nachdem ich alles öffentlich gemacht habe, einen Anti-Mobbing-Spot gedreht in Kooperation mit dem Bündnis gegen Cybermobbing. Das Bündnis hat den Verantwortlichen dann auch ganz konkrete und weiterführende Maßnahmen angeboten, das wollten sie aber nicht. Daher blieb es nur bei diesem einen Spot, der nichts verändert.

Lijana Kaggwas Buch "Du verdienst den Tod" setzt sich mit den Folgen von Cybermobbing auseinander:

(Bild: Komplett Media)
(Bild: Komplett Media)

Zum Buch "Du verdienst den Tod"

Yahoo: "Anfangs habe ich noch geduscht, irgendwann stellte ich auch das ein. Es war so, als hätte das Leben die Wohnung und mich verlassen. In und um mich herum war totale Leere“ und "Ich überlegte mir ernsthaft, wie und wann ich aus dem Leben gehen würde. Ich hatte nach Selbstmordmöglichkeiten gegoogelt“ – Du hattest Depressionen und suizidale Gedanken. Was hat dir geholfen, das alles zu verarbeiten?

Lijana Kaggwa: Auf der einen Seite als allererstes die professionelle Hilfe von Expert*innen. Von Peter Sommerhalter vom Bündnis gegen Cybermobbing, der genau weiß, wie sich Betroffene fühlen und auch weiß, wie die Dynamik von Cybermobbing ist. Der hat mich erstmal stark gemacht und mir gezeigt, wer ich wirklich bin, und dass ich mich nicht vom Hass definieren lassen sollte, sondern dass ich die Macht habe, selbst zu entscheiden, wer ich bin. Das ist die einzige Macht, die ich habe, aber auch die mächtigste Macht.

Dann kam psychologische und psychotherapeutische Unterstützung, die mir geholfen hat, mit meinen Depressionen und Suizidgedanken fertig zu werden. Und zu begreifen, dass die Depression, die ich damals hatte, nicht einmalig war. Wenn man einmal unter Depressionen leidet, läuft man die Gefahr, dass das immer wieder passiert. Die Psychologen haben mir gezeigt, wie ich in Zukunft frühzeitig erkennen kann, dass ich Gefahr laufe, in eine Depression zu rutschen.

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Und da ist meine Familie mein wichtigster Anker. In meiner Familie sprechen wir generell enorm viel über unsere Emotionen. Reden hat mir total geholfen, zu wissen, ich kann meine Gefühle nach außen transportieren und dann meldet sich kein Gedankenkarussell. Denn das Gedankenkarussell ist das Gefährlichste für mich gewesen.

Yahoo: Was können Betroffene gegen Cybermobbing tun?

Lijana Kaggwa: Als allererstes ist es wichtig, darüber zu sprechen. Jede fünfte Schülerin, jeder fünfte Schüler ist betroffen von Cybermobbing und nicht mal jeder Zweite öffnet sich einer erwachsenen Person. Darum ist mein Plädoyer an die Kinder: Sprich darüber, schäm dich nicht, verurteile dich auch nicht dafür, dass es dich trifft.

Dann ist es wichtig zu erkennen, welche Macht man hat und welche Macht man eben nicht hat. Man hat nicht die Macht zu entscheiden, was andere über einen denken oder sagen, aber man hat die Macht zu entscheiden, was man selbst über sich denkt und vor allem wie man darauf reagiert.

Das heißt auch: Umgib dich mit Menschen, die dir positiv entgegentreten. Lösche außerdem Hassnachrichten. Sammle natürlich davor Beweise, das ist ganz wichtig, aber lösche sie dann alle sofort und blockiere und melde die Accounts. Und, provoziere nicht, denn das bringt nichts. Also gieße kein Öl ins Feuer, das ist ganz wichtig. Und was auch wichtig ist, wenn es ganz schlimme Beleidigungen, ganz schlimmer Hass, ist: Stelle konsequent Strafanzeige.

Yahoo: Wie geht es dir heute?

Lijana Kaggwa: Mir geht es wunderbar, meine Lebensaufgabe, gegen Cybermobbing vorzugehen, und anderen zu helfen, erfüllt mich sehr. In den letzten Jahren hat sich ja immer mehr gezeigt, wie wichtig dieses Thema ist und wie sehr die jungen Menschen das brauchen. Ich bin sehr dankbar, sie dabei unterstützen zu können. Und ja, ich selbst habe noch einen weiten Weg vor mir. Ich bin auch immer noch nicht bei hundertprozentigem Selbstvertrauen, aber jeden Tag traue ich mir ein Stück mehr zu.

Lijana Kaggwa setzt sich gegen Cybermobbing ein (Bild: Lars Ternes)
Lijana Kaggwa setzt sich gegen Cybermobbing ein (Bild: Lars Ternes)

Yahoo: "Du wusstest doch, worauf du dich einlässt“, diesen Satz hast du ständig gehört. Wusstest du es wirklich?

Lijana Kaggwa: Nein. Mir war Cybermobbing vor meiner Teilnahme nie wirklich ein Begriff. Ich wusste nicht, was es war und dass es mich erwarten könnte. Und alleine, dass ich das nicht wusste, zeigt ja schon, dass ich nicht wissen konnte, worauf ich mich da wirklich einlasse. Dass Cybermobbing in dieser Art und Weise eine Gefahr für mich darstellen könnte, habe ich nicht gedacht.

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Außerdem war ich der festen Überzeugung, dass jede Kandidatin es selbst in der Hand hat, wie sie sich verhält und was sie von sich zeigt. Das heißt, ich war mir sicher, kein Hass-Objekt werden zu können, wenn ich einfach ich selbst bin. Dass man aber natürlich so viel Drehmaterial hat, um jede Person in jedem Licht darzustellen, das wusste ich nicht. Die Macht des Schnittes und die Macht von vielen Filmaufnahmen waren mir vorher nicht bewusst.

Yahoo: Wann wurde dir klar, dass dein GNTM-Casting anders war als andere Model-Castings?

Lijana Kaggwa: Das war bei der allerersten Catwalk-Show, als Kandidatinnen die Füße eingecremt wurden. Da war mir recht schnell klar, dass es hier anders ist und dass man vorsichtig sein muss in dieser Show.

Yahoo: Wie ist Heidi Klum hinter den Kameras?

Lijana Kaggwa: Ich kenne Heidi Klum nicht. Ich habe sie nur in den wenigen Minuten gesehen, wo gedreht wurde und da hat sie zu mir kaum einen Satz mehr gesagt als das, was man im Fernsehen gesehen hat. Das heißt, ich weiß nicht wie sie ist.

Yahoo: Deine eigene Mutter sagte im Laufe ihrer GNTM-Karriere: "Auf einmal erkannte ich in der Person, die ich auf dem Bildschirm sah, nicht mehr meine eigene Tochter wieder“ und "Mir kam es vor, als ob sie eine Rolle wie in einem Theaterstück spielt.“ Beschreibe, wie du im Fernsehen dargestellt wurdest und wie du in Wirklichkeit bist?

Lijana Kaggwa: Im Fernsehen wurde ich als sehr ehrgeizig und als aggressive Zicke dargestellt, die in ihrem Leben nichts anderes möchte, als "Germany’s Next Topmodel“ zu werden. Und als jemand, der diesen Traum über jedes Wohlbefinden von anderen Kandidatinnen stellt.

Wie ich in Wirklichkeit bin, ist tatsächlich eine sehr gute Frage. Das lässt sich so nicht einfach beantworten, weil ich heute ein anderer Mensch bin als vorher oder während GNTM. Was man aber auf jeden Fall sagen kann über mich: Während GNTM war ich ein unglaublich gutgläubiger und naiver Mensch. Das ist natürlich ein bisschen verloren gegangen, aber ich bin auch heute noch ein Mensch, der in jedem das Gute sieht.

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Ich bin nie davon ausgegangen, dass mir irgendwer in irgendeiner Art und Weise jemals etwas Böses wollen würde. Von daher habe ich alles gemacht, was man mir geraten hat, weil ich im Glauben war, dass das nur für mein Bestes sein wird. Das heißt, ich war da super naiv und bin auf alle Manipulationen der Redaktion hinterm Set eingegangen und ich habe dann alle Handlungsstränge, die sie mir quasi vorgeschlagen haben, auch mitgemacht. Im Endeffekt war das sehr, sehr nachteilig für mich.

Yahoo: Was glaubst du, warum du nur von dieser Seite gezeigt wurdest?

Ich glaube, dass bei "Germany's Next Topmodel“ jede Kandidatin gewisse Charaktereigenschaften zugewiesen bekommt und diese im Laufe der Show künstlich ausgebaut werden. Um Spannung in das Geschehen zu bekommen, das ist meine Vermutung. Bei mir war es die Charaktereigenschaft der ehrgeizigen Zicke und man konnte im Laufe der Ausstrahlung dann kein anderes Bild von mir zeichnen.

Yahoo: Welchen Tipp würdest du den Models der aktuellen GNTM-Staffel geben?

Ich würde vor allen Dingen erstmal Models den Tipp geben, nicht zu GNTM zu gehen, weil das, wenn du wirklich Model werden willst, wahrscheinlich eher etwas ist, das dir Steine in den Weg legt. Ansonsten glaube ich, habe ich den Kandidatinnen viele wertvolle Tipps in meinem Buch und in meinen Enthüllungsvideos mit auf den Weg gegeben. Ich glaube, sie wissen jetzt besser, worauf sie sich einlassen und gehen nicht mehr so naiv an die Sache ran wie ich das gemacht habe.

Anmerkung der Redaktion: Suizidgedanken sind häufig eine Folge psychischer Erkrankungen. Letztere können mit professioneller Hilfe gelindert und sogar geheilt werden. Wer Hilfe sucht, auch als Angehöriger, findet sie etwa bei der Telefonseelsorge unter der Rufnummer 0800 – 1110111 und 0800 – 1110222. Die Berater sind rund um die Uhr erreichbar, jeder Anruf ist anonym und kostenlos.