Experten( )Wissen: Vor allem jetzt in der kalten Jahreszeit: Wie hilft man Obdachlosen richtig?

Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission im exklusiven Interview

Jetzt in der kalten Jahreszeit ist für obdachlose Menschen das Leben auf der Straße noch härter also sonst. Wie hilft man als Passant am besten? Wir haben bei Barbara Breuer von der Berliner Stadtmission nachgefragt.

Vor allem im Winter brauchen Obdachlose Hilfe. (Bild: Getty Images)
Vor allem im Winter brauchen Obdachlose Hilfe. (Bild: Getty Images)

Auch im Winter sieht man oft Obdachlose in Unterführungen, vor Geschäften oder in Hauseingängen. Warum gibt es so viele Menschen, die auf der Straße leben?

Barbara Brauer: Auseinandersetzungen in der Familie oder Schicksalsschläge wie der plötzliche Tod eines geliebten Menschen werfen manche Menschen aus der Bahn. Andere haben schon als Kind in Heimen gelebt und nirgends richtig Fuß gefasst.

Psychische Krankheiten, Sucht oder ein Gefängnisaufenthalt können genauso zum Verlust der eigenen Wohnung beitragen wie ein Einkommen, das nicht mehr ausreicht, um die steigenden Mieten zu zahlen. Wachsen manchen Menschen die Probleme über den Kopf, verlieren sie den Mut, den Überblick und kommen ihren Pflichten nicht mehr nach. Wer seine Miete nicht mehr zahlt, erhält irgendwann eine Räumungsklage.

Wie kann man als Passant diesen Menschen helfen?

Es ist wichtig, respektvoll miteinander umzugehen, egal, ob jemand eine Wohnung hat oder nicht. Wer täglich an derselben obdachlosen Person vorbeigeht, kann beispielsweise freundlich grüßen. Auf dem Weg in den Supermarkt kann man auch fragen, ob der- oder diejenige etwas benötigt, vielleicht einen Kaffee oder Tee möchte, und das dann kaufen und mitbringen.

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Auch Spenden sind oft willkommen. Sie ermöglichen dem obdachlosen Menschen, sich einen kleinen Wunsch zu erfüllen, wie vielleicht mal wieder eine Pizza zu essen.

Manche Menschen scheuen sich vor Geldspenden, weil sie denken, dass der Beschenkte mit dem Geld Drogen kaufen könnte …

Auch manche Kolleg*innen von mir lehnen es aus diesem Grund ab, Geld zu geben. Ich denke, geschenkt ist geschenkt. Wenn ich etwas von Herzen gebe, kann der Beschenkte darüber frei verfügen und damit machen, was er oder sie möchte.

Oft heißt es, man kann ja auch Essen spenden … Ist das besser?

Stimmt. Das kann man machen. Aber auch da ist die Voraussetzung, dass man vorher fragt. Wenn mir jemand ungefragt einen Kaffee oder eine Salamipizza schenkt und dann erwartet, dass ich mich freue, wird enttäuscht. Ich trinke keinen Kaffee und bin Vegetarierin. Auch Obdachlose sind Menschen mit Vorlieben und unterschiedlichen Bedürfnissen.

Wo schlafen obdachlose Menschen im Winter?

Soziale und kirchliche Initiativen wie die Berliner Stadtmission organisieren im Winter häufig Notübernachtungen. Die gut erreichbaren Angebote sind allerdings häufig überfüllt, es ist laut und riecht streng. Der Standard ist in der Regel sehr einfach, geschlafen wird in Mehrbettzimmern, manchmal sogar nur auf Isomatten.

Alle Einrichtungen der Kältehilfe sind dringend auf Unterstützung angewiesen. Wer helfen möchte, kann Zeit spenden und ehrenamtlich helfen, Sachspenden wie Kleidung oder Lebensmittel vorbeibringen oder auch Geld spenden.

Gibt es bei Schnee und Frost zusätzliche Hilfsangebote für Obdachlose?

Von November bis Ende März gehen auch die Kältebusse von der Berliner Stadtmission auf lebensrettende Fahrten. Sie bringen obdachlose Menschen in der Nacht in Notunterkünfte oder verteilen heißen Tee und Schlafsäcke. Tagsüber bieten Tagestätten Schutz vor der Kälte. Sie werden so gut es geht von Ehrenamt und Spenden getragen und fangen zusätzlich die deutlich gestiegene Stadtarmut auf. Allerdings gibt es von solchen Angeboten viel zu wenige.

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Welche Hilfe brauchen Obdachlose am dringendsten?

An erster Stelle steht alles, was das Überleben sichert: Essen und Trinken, Schutz vor Kälte und Nässe sowie vor Gewalt. Wichtig ist der Zugang zu einer grundsätzlichen finanziellen Absicherung, einer sicheren Unterkunft und zu medizinischer Versorgung. Darüber hinaus sind auf lange Sicht auch die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft und das Gefühl, gebraucht zu werden, lebensnotwendig. Viele Betroffene wollen dringend eine Arbeit finden.

Nicht wegschauen, sondern helfen: So erreichst du den Kältebus deiner Stadt

Das Blog govolunteer listet die folgenden wichtigen Telefonnummern auf, über die obdachlosen Menschen bei Kälte und starker Witterung Hilfe gerufen werden kann:

Augsburg: 0821 50808030 (Kältebus SKM, 20:00 – 22:00 Uhr)

Berlin: 030 690 333 690 / 030 600 300 1010 (Stadtmission, 20:00 – 2:00 Uhr / DRK Berlin, 18:00 – 24:00 Uhr)

Düsseldorf: 01578 3505152 (gutenachtbus, 21.00 – 01.00 Uhr)

Frankfurt a. M.: 069 43 14 14 (Frankfurter Kältebus, 21:30 – 5:00 Uhr)

Hamburg: 0151 / 65 68 33 68 (Kältebus CaFée mit Herz, 19:00 – 24:00 Uhr)

Köln: 0221 259 74 244 oder 0176 240 71 312 (Kältebus Freunde der Kölner Straßen)

Leipzig: 0152 33661087 (Kältebus Stadt Leipzig, 18:00 – 23:00 Uhr)

Ulm: 0171 2991898 (Kältebus DRK Ulm, 19:00 – 22:30 Uhr)

Mainz/Wiesbaden: 0163 6867137 (Verein zur Förderung sozial und gesundheitlich benachteiligter Menschen)

Stuttgart: 0711 21954776 (Kältebus DRK Stuttgart, 22:00 – 02:00 Uhr)

Die Kältehilfe der Berliner Stadtmission in Aktion. (Bild: Berliner Stadtmission)
Die Kältehilfe der Berliner Stadtmission in Aktion. (Bild: Berliner Stadtmission)

Unsere Expertin: Barbara Breuer

Barbara Breuer ist Pressesprecherin der Berliner Stadtmission. Seit 1877 setzt sich der selbstständige Verein unter dem Dach der Evangelischen Kirche für Menschen am Rande der Gesellschaft ein. Für die Berliner Stadtmission engagieren sich etwa 1.000 haupt- und 1.500 ehrenamtliche Mitarbeiter an über 70 Standorten. Im Winter bietet die Organisation Notübernachtungsplätze an, drei Kältebusse sind auf den Straßen unterwegs.

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