Experten( )Wissen: Was bedeutet es, wenn man davon träumt, dass Zähne ausfallen?

Traumforscher und Psychologe apl. Prof. Dr. Michael Schredl klärt auf

Du sitzt da, ohne etwas Böses zu ahnen – und plötzlich passiert es: Zahn für Zahn löst sich aus deinem Gebiss und fällt nach und nach aus. Panik überkommt dich, du bekommst keine Luft mehr und dann wachst du auf. Puh, Glück gehabt, es war alles nur ein Traum! Doch was bedeutet es, wenn wir von ausfallenden Zähnen träumen? Und wieso können wir uns manchmal daran erinnern und manchmal nicht? Ein Traumforscher liefert die Erklärung.

Rothaarige Frau schläft
Was bedeutet es, wenn wir von ausfallenden Zähnen träumen? (Symbolbild: Getty Images)

Mal träumst du, dass du in die Tiefe fällst und einfach nicht auf dem Boden aufkommst, bevor du völlig panisch wach wirst. Mal träumst du, dass dich jemand verfolgt und du dich nicht von der Stelle bewegen kannst. Doch zu den skurrilsten Träumen gehört vermutlich der Traum, in dem einem die Zähne ausfallen.

"Das Ausfallen von Zähnen im Traum bezeichnen wir als typisches Traumthema. Nicht, weil es sehr häufig vorkommt, sondern weil viele verschiedene Menschen so ähnliche Träume haben“, erklärt apl. Prof. Dr. Michael Schredl, wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim.

Doch wieso träumen wir so etwas Furchtbares überhaupt und welche Bedeutung hat dieser Traum?

"Früher hatte man immer die Vorstellung, dass der Traum etwas vorhersagt, das passieren könnte“, sagt der Psychologe. Doch der Traum spiegle keine Vorhersage wieder, sondern die Angst, dass etwas passieren könnte. Das Traumbewusstsein greife die Dinge auf, mit denen sich auch das Wachbewusstsein beschäftigt, nur eben in einer anderen Form. "Die Themen und die Umgangsweisen und was da sonst so alles vorkommt – da gibt es viele Parallelen. Der Traum stellt die Ängste und Sorgen, die man hat, nicht abstrakt dar, sondern versucht sie wie ein guter Filmregisseur in packenden Bilder zu zeigen“, so apl. Prof. Dr. Schredl.

"Natürlich fallen Zähne auch im Wachzustand aus, aber man geht davon aus, dass solche Träume einen psychischen Sachverhalt des Wachzustandes darstellen – allerdings in einer dramatisierten Form“, erklärt der Traumforscher. "Beim Zähneausfallen geht etwas kaputt, was mit einem selbst zu tun hat, das man nicht so leicht wieder reparieren kann. Es geht um die Angst, dass etwas passieren könnte, das langfristige Folgen nach sich zieht und was man nicht einfach so in den Griff kriegt“, so der Experte.

Was genau das ist, sei bei jeder Person unterschiedlich. "Man muss sich immer fragen, wer den Traum geträumt hat und wie der Kontext ist“, sagt apl. Prof. Dr. Schredl. Das kann vieles sein. Der Traum könnte die Angst davor wiederspiegeln, dass eine Beziehung in die Brüche gehen könnte, aber auch die Sorge davor, dass ein Arbeitsverhältnis beendet werden könnte. "Das Interessante ist, dass viele aufwachen, bevor sie – wie sie es im Wachzustand wahrscheinlich machen würden – daran denken, ihren Zahnarzt anzurufen.“

„Wenn es uns gutgehen würde, gäbe es keine Zahnausfallträume“

Träumen neigen dazu, Verlustängste, die man vielleicht hat, massiv zu übertreiben. "Im Wachzustand ist die Angst gar nicht so groß, aber im Traum wird sie zugespitzt“, erklärt Dr. Schredl. "Der Traum bezieht sich auf unser Wachleben. Wenn es uns gutgehen würde und alles total entspannt wäre, gäbe es keine Zahnausfallträume.“

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Macht es eigentlich einen Unterschied, ob ich träume, dass mir die Zähne ausfallen, oder ob ich davon träume, dass sie jemandem anderen ausfallen? Auch darauf hat der Traumforscher eine Antwort: "Das macht auf jeden Fall einen Unterschied, weil das Erleben anders ist. In einem Fall betrifft es mich selbst und im anderen Fall geht es um das Mitgefühl, weil man denkt, dass eine nahestehende Person von etwas betroffen ist.“

Was, wenn ich aufwache und reale Zahnschmerzen habe?

Der Traumforscher und seine Kollegen haben Schmerzträume von Rückenschmerzenpatienten untersucht. Da kam es tatsächlich vor, dass der Schmerz nachts während des Schlafens auftrat und den Traum beeinflusste. "Wir hatten auch Fälle, dass es im Traum wehtat, doch als der Patient aufwachte, der Schmerz weg war“, erklärt der Psychologe. Man könne den Schmerz also träumen oder ein realer Schmerz, der während des Schlafes vorliegt, könne im Traum eingebaut werden. "Da wir das nicht sicher unterscheiden können, macht es auf jeden Fall Sinn, einen Zahnarzt aufzusuchen, wenn man fünf Minuten nach dem Aufwachen immer noch Zahnschmerzen hat.“

Frau mit entzündetem Zahnfleisch
Was, wenn ich aufwache und wirklich Zahnschmerzen habe? (Symbolbild: Getty Images)

Wieso kann ich mich an manche Träume erinnern und an andere wiederum nicht?

Die Traumerinnerung hängt damit zusammen, dass das Gehirn vom Schlafzustand auf den Wachzustand umschalten muss. Das Träumen als subjektives Erleben während des Schlafes ist immer vorhanden. Die Frage ist nur: Kann ich mich noch nach dem Aufwachen an das erinnern, was vor dem Aufwachen erlebt wurde. "Dadurch, dass das Gehirn umschalten muss, wird es tatsächlich schwierig, sich zu erinnern; dieses Umschalten ist notwendig, weil das Gehirn im Schlaf bestimmte Aufgaben hat“, erklärt der Experte. Da werden beispielsweise Gedächtnisinhalte verbessert abgespeichert usw. Im Wachzustand müsse man die Augen offenhalten, gucken, entscheiden, tun, machen, planen und, und, und. Man müsse also ein bisschen umschalten. "Und während dieses Umschaltvorgangs gehen viele – oder fast alle – Träume verloren.“

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Es sei denn, es gibt ein paar Faktoren, die es begünstigen, sich an die Träume zu erinnern. Schreckt man beispielsweise mit riesiger Angst direkt aus einem Albtraum auf, dann könne man sich in der Regel recht gut an den Traum erinnern.

Je länger man schläft, umso größer ist die Chance, sich an den Traum zu erinnern

Doch auch die Schlafphase, in der man sich befindet, wenn man gerade träumt, entscheidet darüber, ob wir uns an den Traum erinnern oder ihn gleich wieder vergessen. "In der Regel ist es so, dass im REM-Schlaf das Gehirn sowieso schon sehr aktiv ist und praktisch die Umschaltphase zum Wachzustand dadurch etwas – salopp gesagt – kürzer ist“, so der Traumforscher. Wenn man aber jemanden aus dem Tiefschlaf weckt, dann braucht die Person erst mal eine halbe Minute, bis sie überhaupt erst richtig wach wird. Das Gehirn braucht also viel länger, bis es vom Schlafzustand in den Wachzustand umschaltet. "Die Chance, dass der Traum da verloren geht, ist also viel größer“, sagt der wissenschaftliche Leiter des Schlaflabors.

Michael Schredl ist seit 30 Jahren in der Traumforschung tätig (Bild: Zentralinstitut für Seelische Gesundheit/Referat für Kommunikation und Medien)
Michael Schredl ist seit 30 Jahren in der Traumforschung tätig (Bild: Zentralinstitut für Seelische Gesundheit/Referat für Kommunikation und Medien)

Im Schlaflabor habe man das bereits untersucht. "Die meisten Personen, die aus der Non-REM-Schlafphase, also aus dem normalen Schlaf und Tiefschlaf, geweckt werden, haben ungefähr 60 Prozent Traumerinnerung. Bei REM-Weckungen sind es in der Regel 95 bis 100 Prozent“, so Dr. Schredl. Die Menschen befinden sich am Anfang der Nacht im Tiefschlaf und die REM-Schlafphasen werden mit der zunehmenden Schlafdauer im Verlauf der Nacht immer länger. "Das bedeutet, dass diejenigen, die nur sechs Stunden lang schlafen, eine geringere Chance haben, aus dem REM-Schlaf aufzuwachen, als diejenigen, die acht Stunden schlafen.“ Im Klartext heißt das: Wer länger schläft, hat auch eine größere Chance, sich an den Traum zu erinnern.

Unerfüllte sexuelle Wünsche – was ist dran an Sigmund Freuds These?

In seinem Werk "Die Traumdeutung" beschäftigte sich auch Tiefenpsychologe Sigmund Freud mit der Bedeutung von ausfallenden Zähnen in Träumen. Er war der Meinung, dass Träume vom Zahnausfall auf unerfüllte sexuelle Wünsche im Wachzustand hinweisen. Doch stimmt das? "Man muss bedenken, dass Freud aus einer anderen Zeit stammt, in der nicht so offen über Sex geredet werden durfte wie heute“, meint Dr. Schredl. "Damals hatte man auch die Idee, dass die Vagina im Traum Zähne hat und den Penis abbeißen könnte.“ Freud habe sehr viel auf das Thema Sex bezogen, weil das zu dieser Zeit ein Problem war. "Sexuelle Probleme waren furchtbar damals. Heute geht man zu Pro Familia, lässt sich beraten und kriegt alles relativ schnell wieder in den Griff“, so der Traumforscher. Heute haben Zahnträume sehr wahrscheinlich ganz andere Bedeutungen.

Was tun, wenn die Zahnausfallträume nicht mehr weggehen?

Laut dem Traumforscher können Menschen, die häufig die gleichen unangenehmen, unvollendeten Träume haben, sich eigenständig therapieren, indem sie sich im Wachzustand eine Strategie zurechtlegen. „Wenn Sie jede Nacht extreme Zahnausfallträume hätten, dann würde ich Sie anleiten, sich vorzustellen, dass sie zum Telefon laufen und Ihren Zahnarzt anrufen, der glücklicherweise auch in der nächsten Stunde einen Termin frei hat. Sie fahren hin, der Zahnarzt schaut sich Ihre Zähne an und erklärt Ihnen, dass er sie reparieren könne. Dann haben Sie praktisch die Situation gelöst. Wenn man das dann über ca. 2 Wochen lang jeden Tag für 5 bis 10 Minuten übt, dann verändern sich die Träume.“

Die Tipps von apl. Prof. Dr. Michael Schredl seht ihr in diesem Video:

Sich Hilfe zu suchen, sei natürlich auch für den Wachzustand ein guter Tipp. "Auch, wenn das Problem rein gar nichts mit Zähnen zu tun hat, kann es doch sein, dass es mal hilft, den Freund oder die beste Freundin um Rat zu fragen.“

Unser Experte: apl. Prof. Dr. Michael Schredl

apl. Prof. Dr. Michael Schredl ist wissenschaftlicher Leiter des Schlaflabors am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim. Er ist Psychologe und seit rund 30 Jahren in der Traumforschung tätig. Schredl ist auch Herausgeber einer Zeitschrift zur Traumforschung namens "International Journal of Dream Research“, die öffentlich zugänglich ist und von der Universität Heidelberg gehostet wird. Er hat auch einen Leitfaden zum Umgang mit Albträumen veröffentlicht.