Experten()Wissen: Was man bei Bienen- und Wespenstichen unbedingt beachten muss

Dr. med. Utta Petzold und Lehrrettungsassistent Ralf Sick im exklusiven Interview

Bienen und Wespen sind gleichermaßen wichtig für ein funktionierendes Ökosystem. Trotzdem erfreuen sich gerade Letztere nicht unbedingt großer Beliebtheit. Denn der giftige Stachel, den die Tiere zur Verteidigung einsetzen, kann beim Menschen starke Schmerzen verursachen und bisweilen zu lebensbedrohlichen Situationen führen. Die Dermatologin Dr. med. Utta Petzold und der Lehrrettungsassistent Ralf Sick von den Johannitern erklären im Interview, wie man sich bei Bienen- und Wespenstichen am besten verhält, was Schmerzen lindert und wie man reagieren sollte, wenn eine allergische Reaktion auftritt.

Wespen sind besser als ihr Ruf. Trotzdem können ihre Stiche ganz schön unangenehm sein. Wer richtig reagiert, kann Schmerz, Schwellung und Juckreiz deutlich verringern. (Bild: Getty Images)
Wespen sind besser als ihr Ruf. Trotzdem können ihre Stiche ganz schön unangenehm sein. Wer richtig reagiert, kann Schmerz, Schwellung und Juckreiz deutlich verringern. (Symbolbild: Getty Images)

2023 war nicht unbedingt das beste Jahr für Wespen und Bienen. Der nasskalte Frühling hat dazu geführt, dass die Populationen in diesem Sommer eher rückläufig sind. Was besonders Allergiker*innen freuen dürfte, birgt für das Ökosystem einige Nachteile. Dass Bienen durch ihre Bestäubungstätigkeit unerlässlich für die Vermehrung von Pflanzen und damit letzten Endes das Fortbestehen der Menschheit von großer Bedeutung sind, hat sich inzwischen rumgesprochen.

Aber auch auf Wespen können wir weniger verzichten, als uns lieb ist. Die schwarz-gelb-gestreiften Hautflügler fressen nämlich liebend gern Larven von Schädlingen, die sich bei zu geringer Wespenpopulation ungestört verbreiten können.

Überlebenskampf: Darum werden Wespen gegen Ende des Jahres "aggressiver"

Allerdings reicht ja manchmal schon ein einzelnes Exemplar aus, um einem den Zwetschgenkuchen auf der Terrasse gehörig zu vermiesen. Besonders gegen Ende des Sommers scheinen Wespen nämlich immer einen Zahn zuzulegen und geradezu aggressiv zu werden. Das liegt daran, dass die Tiere im Juni und Juli damit beschäftigt sind, ihren Nachwuchs zu füttern, von dessen Ausscheidungen sie sich ernähren. Im Augst sind die Larven groß und aus satten, zufriedenen Wespen werden hungrige Herumschwirrer im Überlebenskampf.

Kein Wunder, dass es da bei Kollisionen mit Menschen manchmal zu Missverständnissen kommt und die Tiere sich nur durch ihr Gift zu verteidigen wissen, dass sie mit Hilfe eines Stachels unter die Haut injizieren. Das tut für kurze Zeit ganz schön weh, dann folgt ein nerviger Juckreiz. Gefährlich kann es werden, wenn Menschen allergisch gegen das Wespen- und/oder Bienengift sind. Im Interview erklären die Dermatologin Dr. med. Utta Petzold und Ralf Sick, Ausbilder bei den Johannitern, was bei einem Bienen- oder Wespenstich zu tun ist.

Yahoo Life: Wie reagiert man auf einen einfachen Bienen- oder Wespenstich?

Die Reaktion auf Bienen oder Wespenstiche kann unterschiedlich stark ausfallen. In der Regel kommt es zu einer schmerzhaften Schwellung und Überwärmung des umliegenden Gewebes. Wenn diese Reaktion zwei an den Stichort angrenzende Gelenke mitumfasst (Beispiel: Stich in den Unterarm, Ellbogen und Handgelenk ebenfalls geschwollen), sollte zu einem späteren Zeitpunkt eine Allergie ausgeschlossen werden.

Ausschlaggebend für die Reaktion auf den Stich ist die Wirkung des Gifts auf das Immunsystem. Günstig ist es, so wenig Gift wie möglich mit dem Immunsystem reagieren zu lassen. Das kann man erreichen, indem man einen hängengebliebenen Giftsack einer Biene beim Entfernen des Stachels nicht mit ausdrückt oder indem man unmittelbar nach dem Stich das Gift in der Haut durch Überwärmung zerstört. Das Gift besteht vor allem aus Eiweißstoffen, die ab einer Temperatur von ca. 42 Grad beginnen zu zerfallen.

Hitzegeräte, die die Haut kurzzeitig am Stich überwärmen, zerstören das Gift weitgehend und mildern so die Reaktion ab. Von selbst erwärmten Teelöffeln ist abzuraten, weil damit die Temperatur nicht genau genug gesteuert werden kann und Hautverbrennungen drohen.

Kühlung der Haut hilft, die Durchblutung im betroffenen Gebiet zu drosseln und so das Ausschwemmen des Giftes in den Kreislauf zu vermeiden. Aber auch hier sollten nur kühlschrankkalte Hilfsmittel verwendet werden. Die direkte Auflage von Eis auf die Haut kann zu Erfrierungen der Haut führen.

In welchen Fällen (abgesehen von Allergien) reicht eine eigene Versorgung des Stiches nicht aus?

Im Mund-Rachen-Raum kann ein Insektenstich zu Schwellungen führen, die die Atemwege erheblich verengen beziehungsweise an Engstellen verschließen können. Das betrifft besonders kleine Kinder.

Mit einem Eis kann man Stiche im Mund gut von Innen kühlen. (Symbolfoto: Getty Images)
Mit einem Eis kann man Stiche im Mund gut von Innen kühlen. (Symbolfoto: Getty Images)

Wie verhält man sich am besten bei einem Stich im Mund-Rachen-Raum?

Am besten sollte man den Stich im Mund von außen und – nach Möglichkeit – auch von innen kühlen. Dabei sollte man zum Beispiel einen Kühlakku nicht direkt auf die Haut legen, sondern in ein Geschirrtuch wickeln, um Erfrierungen zu verhindern. In der Hausapotheke kann man auch Sofortkühlkompressen für diesen Fall vorhalten: durch einmaliges Drücken werden die kalt.

Was tun: Darf man ein Wespennest entfernen?

Beim Kühlen von Innen kann zum Beispiel Eislutschen helfen; das geht aber nur solange die betroffene Person vollständig bei Bewusstsein ist. Trübt ihr Bewusstsein ein, besteht die Gefahr, dass Flüssigkeiten in die unteren Atemwege "angeatmet" werden. Bei bewusstlosen Personen also nur von außen kühlen und diese in die stabile Seitenlage bringen.

Woran erkennt man eine allergische Reaktion auf einen Bienen- /Wespenstich?

Es beginnt mit einer lokalen Reaktion auf den Bienen-/Wespenstich: eine schmerzhafte Schwellung im Bereich des Stichs und eine Überwärmung des umliegenden Gewebes.

Dann können Auswirkungen auf das gesamte Herz-Kreislauf-System folgen bis hin zum anaphylaktischen/allergischen Schock. Wie bei einer normalen Reaktion der Immunabwehr werden bei einer allergischen Reaktion zum Beispiel Blutgefäße durchlässiger. Dadurch kann Flüssigkeit aus dem Blut mit darin enthaltenen, für die Immunabwehr wichtigen Bestandteilen ins umliegende Gewebe gelangen.

Bei einer allergischen Reaktion geschieht das allerdings in einem überschießenden Maß. Durch die breit im Körper stattfindende Verlagerung von Flüssigkeit aus den Blutgefäßen in das umliegende Gewebe, verringert sich das für das Herz-Kreislaufsystem zur Verfügung stehende, zu pumpende Blut. Diese Kreislaufstörung wird "Schock" genannt. Zeichen für einen Schock sind:

Die betroffene Person

• hat blasse, kalte und nasse Haut.

• hat (vielleicht) blaue Lippen.

• atmet schnell und flach.

• atmet vielleicht laut ein und schwer aus.

• ist unruhig und hat Angst.

• hat einen schnellen, flachen Puls.

Bei einer allergischen Reaktion können auch die Atemwege beteiligt sein. Es ist zum Beispiel allergisch bedingt ein Asthmaanfall.

Wie verhält man sich richtig im Falle einer allergischen Reaktion?

Zunächst sollte man den Stich ganz normal wie oben beschrieben behandeln. Wenn das alleine sofort hilft, ist kein Notruf notwendig. Wenn ein Bereich mit den beiden angrenzenden Gelenken betroffen ist, sollte anschließend ärztlich eine Allergie ausgeschlossen werden.

Bei Schockzeichen oder Zeichen für eine Störung der Atmung sollte man unverzüglich den Notruf 112 wählen. Zeigt jemand Anzeichen für einen Schock, aber eine Störung der Atmung liegt nicht vor, sollte man die betroffene Person in die sogenannte Schocklage bringen, also die Beine höher als den Kopf lagern.

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Wenn tatsächlich Störungen der Atmung vorliegen, zum Beispiel ein Asthmaanfall (Erschweren der Ausatmung; Atemgeräusche wie Giemen und Brummen; blasse, kalte, nasse Haut und gegebenenfalls blaue Lippen), dann muss der Oberkörper höher gelagert werden. Außerdem sollte man beengende Kleidung öffnen, Frischluft zuführen und beruhigende Atemanweisungen geben.

Ist bei einer bekannten Allergie ärztlich bereits eine Notfallpräparat, zum Beispiel ein Asthmaspray oder ein Pen zur Injektion von Adrenalin verschrieben, dann kann dies in den mit der Ärztin/dem Arzt besprochenen Fällen durch in die Handhabung eingewiesene Personen eingesetzt werden.

Unsere Experten:

Dr. med. Utta Petzold ist Fachärztin der Dermatologie. Ralf Sick, M.A., ist Lehrrettungsassistent und verantwortlich für die Bildung der Johanniter auf Bundesebene

VIDEO: Bienen- oder Wespenstich? Das kannst du dagegen tun