Glücksforschung: Ein Psychologe erklärt, wieso Sie häufiger richtig staunen sollten

Als Kind gehört ein ausgedehntes "WOOOOW" zum Standardwortschatz. Denn wenn man die Welt und alles, was damit zusammenhängt, gerade erst entdeckt, ist natürlich auch alles superaufregend. Mit zunehmendem Alter wird aus dem lauten "WOOOOW“ dann ein leises "Wow", später ein kurzes "Ah" und es endet in einem "keine Zeit dafür" oder völliger Ignoranz. Wie wichtig es jedoch ist, auch mal wieder komplett begeistert zu sein, etwa von der Schönheit der Natur, dem Klang einer Melodie oder den Mut einer anderen Person, beschreibt jetzt der US-Psychologe Dacher Keltner. In seinem Buch "Awe: The New Science of Everyday Wonder and How It Can Transform Your Life" erklärt er, warum "ehrfürchtiges Staunen" der schnellste Weg ist, um die eigene Stimmung deutlich zu verbessern. Er sagt außerdem, dass jeder Mensch üben kann, dieses Gefühl zu empfinden – hier lesen Sie, wie.

Was löst Ehrfurcht aus?

Dacher Keltner und sein Kollege Yang Bai sammelten für ihre Arbeit in 26 Ländern insgesamt 2600 persönliche Ehrfurchtsgeschichten von Menschen aus unterschiedlichsten Kulturkreisen und in unterschiedlichsten Lebenssituationen. Diese wurden von den beiden Glücksforschern zunächst übersetzt und dann nach bestimmten Motiven katalogisiert. Daraus extrahierten Sie schließlich acht "Wunder des Lebens", also acht Erlebniskategorien, bei denen Menschen Ehrfurcht spüren:

1. Moralische Schönheit: Beschreibt die Ehrfurcht, wenn Menschen bei anderen Menschen Mut, Selbstlosigkeit, Freundlichkeit, Selbstüberwindung, selbstlose Stärke oder den Einsatz füreinander erleben.

2. Kollektives Bewusstsein: Diese Erfolgsgeschichten handeln von starken Gemeinschaftserlebnissen wie Sportereignisse, Tanzen bis zu religiösen Riten oder politischen Bewegungen.

3. Natur: Hierbei geht es um atemberaubende Landschaften oder faszinierende Naturphänomene.

4. Musik: Menschen berichten dabei von Klängen, die sie tief berühren.

5. Visuelles Erleben: Dinge wie Kunst und Architektur.

6. Spiritualität und Religion: Rituale oder Glaubenserfahrungen.

7. Leben und Tod: Berührende Momente, die unser Verständnis des Lebens verändern.

8. Offenbarungen: Das sind alle Momente, in denen Menschen plötzlich große Zusammenhänge des Lebens verstehen.

Der Unterschied zwischen Glück und Ehrfurcht

Als Glücksforscher ist für Keltner Ehrfurcht ein wichtiges Gefühl mit viel Potenzial. Bei Glück, so der Experte, geht es darum, wie gut das eigene Leben läuft sowie um verschiedenste Dinge, die zu einem erfüllten Leben beitragen, etwa gutes Essen, soziale Kontakte oder die gesellschaftlichen Umstände, in denen man lebt, ob man arm oder reich ist. Ehrfurcht beschreibt er als einen Weg zum Glück, der für alle Menschen leicht zugänglich ist. Ehrfurcht beruhigt und macht gegenüber den eigenen Absichten im Leben wachsam.

Der "Staun-Spaziergang": Ein einfaches Rezept für mehr Lebensfreude

In einer Studie schickten der Psychologe und die Neurowissenschaftlerin Virginia Sturm 60 ältere Menschen über 75 Jahre, jeweils für acht Wochen auf wöchentliche Spaziergänge. Die eine Hälfte der Teilnehmenden sollte dabei gezielt auf Momente achten, die Staunen auslösen, die anderen sollten einfach nur laufen und hier und da mal ein Foto von sich machen. Das Ergebnis: Die Gruppe, die darauf achtete, aktiv zu staunen, fühlte sich nach ihrem "Staun-Spaziergang" deutlich besser. Es gab auch keine Abnutzung des Gefühls, sondern das Staunen nahm mit der Zeit sogar zu. Das bestätigten auch die Fotos. Die Gesichter der Proband*innen rückten zunehmend in den Hintergrund, und man konnte immer deutlicher andere Dinge auf den Bildern erkennen, die sie zeigen wollten.

Staunen macht Menschen weniger selbstbezogen

Dacher Keltner betont, dass das häufige Erleben von Ehrfurcht Menschen weniger narzisstisch macht, da es beruhigt und offener für größere Zusammenhängemacht. Eine Forschung während der Corona-Pandemie zeigte zusätzlich: Selbst kleine Momente des Staunens – etwa ein gutes Gespräch oder ein schönes Lied – können Stress reduzieren.

Probieren Sie es doch auch mal aus! Ein "Staun-Spaziergang" ist ein sehr einfacher Weg, um die eigene Stimmung deutlich zu verbessern. Sie müssen sich nur darauf einlassen. Gehen Sie offener durchs Leben und vergessen Sie nicht, auch mal innezuhalten und die Welt um sich herum zu achten.