Demenz-Erkennung in 60 Sekunden? Ein Sprachtest soll es möglich machen
Ein Sprachtest soll innerhalb von 60 Sekunden Demenz bei Betroffenen erkennen. Alle Infos finden Sie hier.
Das Verlegen des Schlüssels, Probleme bei der Orientierung und erste Schwierigkeiten mit der Sprache sind Anzeichen dafür, dass jemand an Demenz erkrankt sein könnte. In Deutschland leben derzeit etwa 1,8 Millionen Menschen mit dieser Krankheit und Schätzungen zufolge könnten es bis zum Jahr 2050 2,8 Millionen sein.
Eine frühzeitige Diagnose ist von großer Bedeutung. Obwohl die Erkrankung bisher nicht heilbar ist, können Symptome durch medikamentöse und nicht-medikamentöse Maßnahmen verbessert werden, wie Jürgen Herzog, Neurologe und Chefarzt der Tagesklinik für Demenz in der Schön Klinik München, erklärt.
In nur 60 Sekunden: KI soll Demenz an Sprache erkennen
Ein ungarisches Forschungsteam unter der Leitung des Psychiaters János Kálmán hat ein Problem identifiziert: Warnzeichen für Erkrankungen werden oft erst bemerkt, wenn die Krankheit bereits fortgeschritten ist, was zu einer verzögerten Diagnose führt. Um dieses Problem zu lösen, haben die Wissenschaftler einen Sprachtest entwickelt, der sich auf zeitliche Parameter konzentriert.
Der sogenannte Speech-Gap-Test (S-GAP-Test) analysiert die Sprechgeschwindigkeit, das Zögern beim Sprechen, die Dauer des Zögerns und die Anzahl der Sprechpausen.
Laut Kálmán seien diese zeitlichen Sprachparameter zuverlässiger als semantische Teile der Sprachanalyse, da sie unabhängig von Kultur und Bildung seien. Das entwickelte Computerprogramm basiert auf künstlicher Intelligenz und wurde mit den Stimmen alter und dementer Menschen trainiert. Bereits eine 60-Sekunden-Sprachprobe soll ausreichend sein.
Sprachtest ist keine Diagnose
Im ersten Versuch im Jahr 2018 bestanden die Teilnehmer alle aus ungarischen Muttersprachlern und der Test wurde entsprechend in ungarischer Sprache durchgeführt. Inzwischen hat Kálmán gezeigt, dass er auch im Englischen und Deutschen funktioniert. Derzeit wird er im Spanischen getestet.
Der Zweck des Tests besteht nicht darin, eine sichere Diagnose zu stellen, sondern ein erstes Screening durchzuführen. Denn Hausärzte haben oft nur begrenzt Zeit. Mit diesem Sprachtest wollten die Forscher ein Instrument entwickeln, mit dem Hausärzte schnell und einfach erkennen können, welche Patienten weitere Demenztests benötigen. Diese könnten dann an Fachärzte überwiesen werden.
Demenz-Symptome lindern: Das sind die Möglichkeiten
Was passiert, wenn eine Demenz-Diagnose gestellt wird? "Man kann jetzt schon, besonders aber zukünftig, Symptome mit medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen verbessern", betont der Neurologe Herzog.
Medikamentöse Maßnahmen
Derzeit sind drei Arten von Medikamenten als Basistherapie zugelassen: Antidementiva (die kognitive Einbußen entgegenwirken und den Krankheitsverlauf verzögern sollen), Antidepressiva (wenn die Betroffenen auch psychisch belastet sind) und Neuroleptika (die eine beruhigende und antipsychotische Wirkung haben).
Es gibt auch neue Medikamente, sogenannte Antikörper, die Hoffnung machen. In den USA sind Lecanemab und Donanemab bereits zugelassen. "Beide wirken auf die Alzheimer-bedingten Eiweißablagerungen im Gehirn, die zum kognitiven Verfall beitragen", erklärt Herzog. Sie sollen den Verlauf der Demenzerkrankung deutlich verlangsamen. Lecanemab soll möglicherweise noch in diesem Jahr auch auf den europäischen Markt kommen.
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
Es gibt auch nicht-medikamentöse Maßnahmen, denen eine schützende Wirkung nachgesagt wird. "Wir wissen, dass etwa 40 Prozent der Risikofaktoren, ob Menschen eine Demenz bekommen oder nicht, beeinflussbar sind. Einen großen Anteil daran hat ein aktiver, gesunder Lebensstil", sagt Herzog. "Und zwar indem bekannte Risikofaktoren vermieden oder aktiv gemanaget werden."
Er bezieht sich dabei auf die zwölf Alzheimer-Risikofaktoren, die von der "The Lancet Commission on Dementia and Prevention" im Jahr 2020 aufgelistet wurden.
Frühes Lebensalter: schlechte Bildung
Mittleres Alter: Hörverlust, Bluthochdruck, Schädel-Hirn-Verletzungen, schädlicher Alkoholkonsum und Übergewicht
Höheres Alter: Rauchen, Depression, soziale Isolation, körperliche Inaktivität, Diabetes und Luftverschmutzung
Deshalb empfiehlt Herzog dringend, Altersschwerhörigkeit "auch im Hinblick auf die Demenzprävention" zu behandeln. Rauchen und Alkoholkonsum sollten vermieden werden. "Aber auch regelmäßige Bewegung und eine gesunde, ausgewogene Ernährung sind förderlich."
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