Psychologie verstehen: Warum sind nicht alle Menschen gleichermaßen belastbar?
Resilienz stärken: Prof. Dr. Petra Beschoner gibt Tipps für ein stabileres Leben, die Sie belastungsfähiger machen
Getty Images, MaskotEin Satz, den man immer wieder hört oder oft genug auch selbst sagt: "Wenn ich das schaffe, schaffst du das auch!" Aber stimmt das überhaupt? Was für die einen eine Nichtigkeit ist, stellt für andere Menschen eine enorme Belastung dar. Wieso das so ist, verrät Prof. Dr. med. Petra Beschoner, Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin und Ärztliche Leiterin der Akutklinik Bad Saulgau.
Unterschiedliche Belastbarkeiten der Psyche
Wenn man genau darüber nachdenkt, kann man sich die Frage von oben natürlich ziemlich leicht beantworten: Nein, das stimmt ganz und gar nicht. Denn so unterschiedlich wie die Menschen an sich sind, ist auch deren psychische Verfassung individuell. Woran das liegt, erklärt die Petra Beschoner und gibt wertvolle Tipps.
1. Einflussfaktor auf die Psyche: Individuelle Verletzlichkeit
Resilienz beschreibt die Fähigkeit, auf Herausforderungen und Probleme mit innerer Stärke und seelischer Widerstandskraft zu reagieren. Diese Eigenschaft ist bei Menschen unterschiedlich stark ausgeprägt und tritt besonders in Krisensituationen oder bei schweren Schicksalsschlägen deutlich zutage. Im Gegensatz dazu spricht man von Vulnerabilität, wenn jemand ein erhöhtes Risiko für seelische Verletzbarkeit aufweist. "Während jene mit ausgeprägter Resilienz beispielsweise ihre Trauer aufgrund einer Trennung, eines Jobverlusts oder eines verstorbenen Haustieres ertragen und bewältigen können, führen die gleichen Geschehnisse bei hoher Vulnerabilitätsrate teilweise zu schweren Depressionen oder anderen Erkrankungen", erklärt Prof. Beschoner.
Verschiedene Faktoren beeinflussen, wie jemand mit schwierigen Situationen umgeht. Dazu zählen genetische Veranlagungen, das soziale Umfeld, persönliche Lebensbedingungen, Selbstwahrnehmung sowie psychische Belastungen wie Traumata oder chronischer Stress.
2. Einflussfaktor auf die Psyche: Grenze der Belastbarkeit
Wenn Menschen etwas Schreckliches erleben, empfinden sie meist Emotionen wie Angst, Trauer, Verzweiflung oder Wut. Die Intensität und Häufigkeit dieser Reaktionen sowie die Auslöser unterscheiden sich jedoch von Person zu Person. Die Fachärztin veranschaulicht dies mit einer Fass-Metapher: "Man kann sich das bei uns Menschen wie bei einem Fass vorstellen, dessen Boden die Vulnerabilität, also die Anfälligkeit, symbolisiert. Da der Boden ganz niedrig gelegen ist, kann das Fass eine große Menge psychischer Stressoren aufnehmen. Bei jenen mit hoher Vulnerabilität ist der Boden jedoch verschoben und liegt zum Beispiel mittig im Fass, sodass weniger reinpasst. Demnach verarbeiten Menschen die gleichen Sorgen, Herausforderungen oder Rückschläge unterschiedlich gut."
3. Einflussfaktor auf die Psyche: Keine Kraft für Kleinigkeiten
Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen ist die Verletzlichkeit häufig besonders ausgeprägt. Schon alltägliche Belastungen können dazu führen, dass das sprichwörtliche Fass überläuft – große Lebenskrisen sind dafür oft gar nicht nötig.
Prof. Beschoner erklärt, dass scheinbar kleine Ärgernisse wie etwa die Absage eines langen geplanten Termins, eine Überstunde wegen eines unzufriedenen Kunden, Probleme mit dem Auto oder Kritik am Abendessen ausreichen können, um Betroffene in einen Zustand völliger Erschöpfung und Niedergeschlagenheit zu versetzen. In solchen Momenten kostet es sie enorme Anstrengung, selbst einfache Aufgaben wie Wäsche waschen, Telefonate führen oder eine Geburtstagsplanung anzugehen. Sogar sich zu angenehmen Aktivitäten wie einem Treffen mit einer guten Freundin zu motivieren, fällt dann oft schwer, so die Expertin.
Expertin gibt Tipps: So gehen Sie gestärkter durchs Leben
Um besser mit beruflichem und privatem Stress sowie sozialen Anforderungen umzugehen, sollte das eigene "Fassungsvermögen" erweitert werden – also die Resilienz gestärkt werden. Prof. Beschoner erklärt, dass dies durch verschiedene Maßnahmen gelingen kann:
Eine verbesserte Stressbewältigung ist ein wichtiger Ansatz, etwa durch Achtsamkeitsübungen wie Meditation oder Yoga. Genauso entscheidend ist die Pflege sozialer Kontakte, da emotionale Unterstützung hilft, Belastungen besser zu relativieren. Selbstfürsorge spielt ebenfalls eine wesentliche Rolle, sei es durch ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung oder regelmäßige Bewegung.
Darüber hinaus hilft es, positive Denkweisen zu entwickeln. Wer sich auf Lösungen konzentriert und Herausforderungen als Chancen zum Lernen sieht, stärkt sein Selbstvertrauen und seine Resilienz. Auf diese Weise kann ein stabileres und erfüllteres Leben entstehen.
Da psychisch Erkrankte oft nur wenig Kraft für solche Maßnahmen aufbringen können, empfiehlt Prof. Beschoner eine psychotherapeutische Begleitung. Diese Unterstützung hilft Betroffenen dabei, ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken und ihre Genesung aktiv zu fördern.