"Sephora Kids": Ärzte warnen vor neuem TikTok-Trend

Psychische und physische Konsequenzen

Sephora Kids steht für einen Trend, der Ärzte und Psychologen beunruhigt (Symbolbild: Getty Images)
Sephora Kids steht für einen Trend, der Ärzte und Psychologen beunruhigt. (Symbolbild: Getty Images)

Soziale Medien haben ein besonderes Talent dafür, jungen Menschen Probleme an ihrem Aussehen einzureden, die gar nicht existieren. Nun werden diese Menschen immer jünger - und der neueste Social-Media-Trend hat unmittelbare gesundheitliche Folgen für Kinder und Teenager, wie Dermatologen warnen.

Denn mittlerweile sind es nicht mehr allein die Twenty-Something-Influencer, die auf TikTok und Co. mit zurückgebundenem Haar ihre Schmink-Tipps teilen oder ihre Beauty-Routine vorzeigen, bei der sie ihr Gesicht waschen, peelen, pflegen und mit Anti-Age-Produkten eincremen, sondern acht- bis zwölfjährige Kinder.

Besonders beliebte Marken sind hierbei den Social-Media-Clips zufolge der Kosmetik-Hersteller Drunk Elephant sowie die französische Marke Sephora. Von dieser haben die Kinder auch ihren Spitznamen auf TikTok erhalten: Sephora Kids.

Dermatologen schlagen Alarm

Abgesehen von den psychischen Konsequenzen hat dieser Trend von jungen Kindern, sich kosmetisch wirkungsvolle Cremes und Lotionen ins Gesicht zu schmieren, auch gesundheitliche. Der US-Dermatologe Danilo Del Campo sagte der Nachrichtenagentur AFP, dass die Besuche in seiner Praxis wegen falschem Gebrauch solcher Kosmetika zugenommen habe. Viele Inhaltsstoffe darin seien für Kinderhaut nicht geeignet, doch der Hautarzt erklärt: "Viele der Influencer genießen ein größeres Vertrauen als Ärzte. Und die meisten Eltern sind sich der Risiken nicht bewusst."

Wie die Dermatologin Dr. Sabine Kurzidem dem Schweizer Magazin 20min.ch erklärt, sei beispielsweise Retinol ein "super Inhaltsstoff, aber ganz klar auf Anti-Aging ausgelegt. Zehn- bis Zwölfjährige brauchen ihn noch nicht - und selbst Personen im richtigen Alter müssen mit der richtigen Dosierung aufpassen". Denn Retinol könne die Haut schnell reizen und mache sie zudem lichtsensibler. "Wer am nächsten Tag nicht an den Sonnenschutz denkt, schadet seiner Haut mehr, als dass er ihr etwas Gutes tut. Gerade in einem so jungen Alter ist Retinol kein Produkt, das man braucht." Andere Inhaltsstoffe wie AHA (Fruchtsäure) könnten sogar die Hautbarriere schädigen.

Beide betonen, dass Kinder Anti-Aging-Produkte - abgesehen von dem ohnehin gesundheitlich wichtigen Sonnenschutz - nicht brauchen, und Del Campo verweist auch auf den psychologischen Aspekt davon, wenn Kinder solche Produkte konsumieren oder Videos davon sehen: "Sie denken, sie müssten Schönheitsfehler korrigieren, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt."

Sephora Kids: Die Unternehmen sind der Kundschaft nicht abgeneigt

Auf TikTok findet sich unter dem Hashtag #SephoraKids zwar bereits eine entnervte Gegenbewegung, die sich jedoch zu einem nicht gerade kleinen Teil insbesondere an der Kaufkonkurrenz, die einigen Erzählungen zufolge bisweilen anderen Kunden die Produkte buchstäblich aus den Händen reißen würde, zu stören scheint. Dass Kinder nun auch in die Kosmetikabteilungen und Sephora-Läden stürmen, ist aber auch den dortigen Verkäufern ein Dorn im Auge. Eine postete ein Beispiel davon, wie verwüstet Kinder die Tester-Theken teilweise hinterlassen.

Wie sehr sich die Unternehmen selbst an der neuen, jungen Welle an Kundschaft mit elterlichem Geld in der Hand stören, steht auf einem anderen Blatt geschrieben. Die bei den Jüngsten beliebte Marke Drunk Elephant hat vor Kurzem unverblümt deklariert, viele Produkte speziell auch für Kinder herzustellen.

Viele Marken würden sich inmitten des Sephora-Kids-Trends an steigenden Verkaufszahlen erfreuen, wie Marketing-Professor Denish Shah von der Georgia State University's Robinson College of Business der BBC sagt. "Die Kinder und Jugendlichen mögen einerseits die Sephora-Läden überrennen, aber sie kaufen auch viele Produkte online. Dieser Bereich erfährt gerade einen gewaltigen Verkaufsanstieg." Als Beispiel nennt er die kalifornische Marke e.l.f., deren Aktie im vergangenen Jahr um 203 Prozent gestiegen sei. "Und schaut man sich deren Marketing an, zielt es vornehmlich auf die junge Tween-Zielgruppe ab."

Eltern unterschätzen die Auswirkungen

Eltern scheinen den Trend noch zu unterschätzen und mit harmlosen Spielen zu verwechseln, bei denen die Tochter mal die Creme oder den Lidschatten der Mama ausprobiert. Doch Solène Delecourt von der University of California, Berkeley, hat umfassende Forschung zur Auswirkung von Online-Bildern auf geschlechtsspezifische Vorurteile geführt und sieht den Sephora-Kids-Trend kritisch: "Es geht hier nicht um Frauen, sondern um kleine Mädchen, die bereits diesem starken sozialen Druck ausgesetzt sind", wird sie von AFP zitiert.

Noch härter drückt es der Psychoanalytiker Michael Stora aus: "[Diese Mädchen] spielen nicht mit Puppen, wie man es in ihrem Alter erwarten würde - sie sind die Puppen."