Vom Supermodel zur Königin der Pilze – unterwegs mit Saimi Hoyer in den finnischen Wäldern

Pilzexpertin Saimi Hoyer

Saimi Hoyer gilt als prominenteste Pilzkennerin. Und veranstaltet nach einer Karriere als Model heute Pilzkurse. Wir waren mit ihr in den finnischen Wäldern von Saimaa unterwegs – und haben gelernt, dass Pilzesammeln weit mehr als Ernten ist

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Dass sie jetzt hier mit einem Korb, Wanderstiefeln, weißer Bluse und Dior-Brille im Haar durch den Wald stapft, hätte Saimi Hoyer selbst wohl am wenigsten vermutet. Schließlich lief sie früher über die Laufstege dieser Welt. Lebte in Tokio, Paris und Florenz, modelte für Givenchy und Burberry und startete in den 2000ern eine schillernde TV-Karriere. Ihr helles Gesicht mit den elfenweißen Augenbrauen und den feuerroten Locken vergisst man nicht so leicht. Ja, das Kameralicht hat sie glücklich gemacht. Hat ihr Energie geschenkt. Und Freiheit. Bis sie als 37-Jährige zwei Jahre in einem Krankenhauszimmer eingesperrt war.

Eine Autoimmunkrankheit mit dem komplizierten Namen Hypogammaglobulinämie schwächte Saimi Hoyers Abwehrkräfte so sehr, dass sie einen Infekt nach dem nächsten bekam: Salmonellensepsis, Adenovirus… Als es ganz kritisch wurde, kam ein Priester zur letzten Salbung. Aber sie überlebte. Zwei lange Jahre sah die gebürtige Finnin vor dem Fenster ihres Krankenzimmers nur einen einzigen Baum. Und schwor sich: „Ich werde leben, bis ich in Punkaharju bin; zurück in meinem Seelenort, in den weiten Wäldern meiner Kindheit.“ Aus diesem Versprechen an sich selbst entstand ihr zweites Leben. „Meine eigentliche Bestimmung auf dieser Erde“, wie die 50-Jährige heute sagt.

Pilzexpertin Saimi Hoyer

Forscher gehen von 3,5 bis 6 Millionen Pilzarten aus. Nicht alle bilden Fruchtkörper, die wir aus dem Wald kennen. Als essbar gelten rund 2500

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„Durch all die Medikamente konnte ich nicht mehr riechen. Nichts schmecken. Nichts fühlen“, erinnert sich die heute 50-Jährige. Mit tauben Fingern sammelte sie ihre ersten Pilze rund um ihr Cottage in Punkaharju. Zum Beispiel einen Hygrophorus camarophyllus, der nach Honig, Weihrauch und Muskat duftet. Oder den zierlichen grünblauen Clitocybe odora, aus dem sie am liebsten ein Sorbet mit Anis-Aroma zubereitet.

300 Pilze hier in der Region Saimaa sind essbar

Mehr als 5500 verschiedene Pilzsorten wachsen in ihrer Heimat, der finnischen Seenplatte namens Saimaa. Immer in der Nähe von Bäumen, denn in ihnen und mit ihnen leben sie in Symbiose. 300 davon sind essbar. „Wenn ich heute durch die Birkenwälder streife, habe ich immer Öl sowie Salz und Pfeffer dabei – roh schmecken einige Arten am besten!“. Wer die Mutter zweier fast erwachsener Söhne bei ihrer Suche begleitet, teilt bald ihre Faszination für die magische Welt der Pilze. „Sie haben ihre ganz eigene Schönheit und Gestalt. Sind Wunderknollen mit zig verschiedenen Aromen, ein unterirdisches System, das Bäumen hilft miteinander zu kommunizieren.“

Pilzexpertin Saimi Hoyer

Die 50-Jährige Finnin Saimi Hoyer gilt als prominenteste Pilzkennerin. Und veranstaltet nach einer Karriere als Model heute Pilzkurse

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Sie sind nicht immer zu sehen – und doch ist das größte Lebewesen auf der Erde ein Pilz

Biologisch betrachtet gehört Pilzen neben Tieren und Pflanzen ein eigenes Reich. Allerdings erst seit 1969. Im Mittelalter glaubte man noch, Pilze seien keine Lebewesen. Später wurden sie den Pflanzen zugeordnet. „Ist es nicht verrückt?“, staunt Saimi Hoyer, „Pilze werden bis heute völlig unterschätzt. Dabei sind Schimmelpilze als Penicillin eine unserer stärksten Waffen gegen Krankheiten. Und ein Hallimasch im amerikanischen Oregon ist das größte Lebewesen der Welt: 400000 Kilo schwer, bis zu 8500 Jahre alt, neun Quadratkilometer groß – ein Riesenpilz.“ Dank ihrer winzigen Sporen sind Fungi allgegenwärtig und doch selten augenscheinlich. Viele wachsen verborgen als fein verästeltes Geflecht, das sogenannte Myzel. Wir nehmen häufig aber nur jene Arten wahr, die Fruchtkörper bilden. „Dabei umgeben Pilze uns überall, wir atmen sie, wir haben sie sogar im Körper“, weiß Saimi Hoyer.

98 Prozent aller Pilze in den finnischen Wäldern werden nicht geerntet

Während sie sonst allein bis zu zwölf Stunden durch den Wald läuft und sich dabei „der Natur und mir näher als je in meinem Leben fühlt“, bietet die Pilzexpertin und erfolgreiche Buchautorin im Herbst Wanderungen und Workshops, kulinarische Abende und Kreuzfahrten an. Ihre Heimat Saimaa ist die größte Seenplatte in Westeuropa, über 13000 Seen machen die Region zu einem Naturparadies. „Das finnische Jedermannsrecht erlaubt das Sammeln. 98 Prozent aller Pilze des Landes werden aber nicht geerntet“, weiß sie.

Pilzesammeln ist wie Waldbaden – nur mit Ernte

Was für ein Schatz! Als Nahrungsquelle, als Rohstoff für Kleidung oder in der Medizin. „Ich trinke jeden Morgen einen Tee aus getrocknetem Birkenschwamm. Das stärkt mein Immunsystem“, ist Hoyer überzeugt. Aber es sind nicht nur die Nährstoffe in den Pilzen, die die wachsende Faszination für die Knollen ausmacht. Auch die damit verbundenen Spaziergänge begleitet von den ätherischen Ölen der Baumharze machen das Pilzesammeln immer beliebter. Wie Waldbaden, nur mit Ernte. Und vielleicht sogar eine Wanderung zu sich selbst – wie bei Saimi Hoyer. Oder um es in ihren Worten zu sagen: „Pilze lehren uns, dass alles mit allem verbunden ist.“

Termine für eine Pilzsuche mit Saimi Hoyer in den finnischen Wälder von Saimaa auf Instagram unter: instagram.com/saimihoyer oder im Internet unter: visitmikkeli.fi/de