Trystan Pütter im Interview zu seiner Off-Berlinale: „Ich liebe es, Menschen zusammenzubringen, von denen ich glaube, dass sie zusammengehören“
Zu den Highlights außerhalb des offiziellen Berlinale-Festivalprogrammes zählt 2025 wie schon in den Vorjahren die Off-Berlinale-Party, die Schauspieler Trystan Pütter ausgerichtet hat. Mit Harpersbazaar.de sprach er darüber, wie alles anfing und was für ihn zu einer gelungenen Partynacht gehört
Philip Nürnberger,Seit Donnerstag herrscht mit der 75. Berlinale wieder Trubel in der Hauptstadt. Wenn der offizielle Teil des Programmes beendet ist, geht es für einen auserlesenen Kreis abseits der Kinosäle weiter, bis in die frühen Morgenstunden: mit Partys, die zu den heimlichen Highlights für Filmschaffende und Schauspieler*innen zählen. Längst Kultstatus erreicht hat die Off-Berlinale-Party, die Trystan Pütter am Freitag bereits in ihrer fünfzehnten Edition ausgerichtet hat – zum vorerst letzten Mal. Mit uns sprach der Schauspieler im Vorfeld der Ausgabe 2025 im exklusiven Bazaar-Interview darüber, wie er zum legendären Gastgeber wurde, was auf seine Playlist kommt und welche Feier ihm in fünfzehn Partyjahren am meisten im Gedächtnis geblieben ist.
Schauspieler Trystan Pütter im Bazaar-Interview zu seiner längst Kult gewordenen Off-Berlinale
Ihre Off-Berlinale-Party findet ohne Presse und Fotos statt. Was hat es damit auf sich?
Trystan Pütter: Die Off-Berlinale, beziehungsweise die Idee dahinter, die vor inzwischen fünfzehn Jahren entstand, ist, ein Mysterium zu kreieren. „Talk of the Town“ sind wir seit langer Zeit. Wo wird es diesmal stattfinden? Wer hat die Nummer, wer hat sie nicht? Geladene Gäste müssen am Tag der Party eine Telefonnummer wählen, werden zu einem Anrufbeantworter geführt, der wiederum von einer prominenten oder ungewöhnlichen Persönlichkeit besprochen wurde. Über die Jahre hinweg waren das Udo Lindenberg, Udo Kier, Patti Smith, Haftbefehl und Rhys Ifans, um einige Highlights zu nennen. Personen, die sich mehr oder weniger in unserem Dunstkreis bewegen, aber irgendwie Legenden sind. Sie verkünden jeweils am Tag der Party den Veranstaltungsort.
Außer Ihnen.
T.P.: Genau. Das hat zum einen damit zu tun, dass wir eine selektierte Gästeliste haben. Hauptsächlich ist es jedoch der Spaß daran, um dieses Rätselraten. Jede*r versucht, an die Telefonnummer zu kommen. Das macht uns viel Freude. Und da wir jedes Jahr an einem anderen Ort sind, immer Off-Location, fragen sich alle: „Was zaubern sie jetzt wieder aus dem Hut?“. Weil wir wirklich schon an unglaublichen Orten waren.
Neben einem stets wechselnden Ort, welche weiteren Kriterien haben Sie bei Ihrer Wahl der Location? Einmal war es etwa ein leerstehendes Kaufhaus.
T.P.: Voriges Jahr haben wir einen Ort am Potsdamer Platz gefunden, direkt mit Blick auf den Roten Teppich des Berlinale-Palasts. Das war eine mehrstöckige Disco, die einst für Teenie-Partys genutzt wurde … ein ziemlich verrückter Unort. Mein Partner Henok war früher als großer Spaziergänger bekannt. Er lief durch die Stadt, schaute in besonderen Häusern, die ihm gefielen, ob die Fenster erleuchtet sind oder dort möglicherweise ein Leerstand sein könnte. In Vorjahren waren wir im LSD in der Kurfürstenstraße (red. Anm.: ein Erotikkaufhaus mit Kino, das vor dem Abriss steht), in einem Hochhaus in der Köpenicker Straße, vor zwei Jahren dann im Quartier 206. Gemeinsam mit Montblanc schufen wir dort einen glamourösen Ort, mitten in diesem Kaufhaus der 60er- und 70er-Jahre, mit absolutem Berliner Charme. Dieses Jahr werden wir auch an einem wirklich legendären Berliner Ort sein. Wenn man an Berlin denkt, fällt einem früher oder später dieser Ort ein. (red. Anm.: 2025 fand die Off-Berlinale in den Räumen des ehemaligen Kaffeehauses Kranzler am Ku'damm statt.)
Für dieses Konzept scheint Berlin die perfekte Stadt zu sein, mit vielen leerstehenden Gebäuden, wenngleich auch weniger davon als früher.
T.P.: Genau. Man fragt sich immer „Was fällt den Jungs als nächstes ein?“ Nicht zuletzt deswegen sagen wir, dass wir die Off-Berlinale vielleicht mal eine Weile sein lassen und es dieses Jahr die letzte sein wird. Da wir uns immer wieder selbst übertroffen haben. Vielleicht kommt nun also die Zäsur. Mal sehen.
Grundsätzlich war Freitag also die letzte Runde, aber Sie lassen das Ende offen?
T.P.: Ich würde schon sagen, das war es jetzt erst mal. Ich hoffe aber dennoch, dass den Leuten aus dem Team künftig wieder etwas einfällt! Wenn es zu langweilig wird, kann ich die Füße nicht stillhalten.
Wie kam es überhaupt dazu?
T.P.: Vor 15 Jahren, als ich noch keine Einladung zu Berlinale-Partys bekam, und man irgendwie versuchte, an Bändchen zu kommen, um mit einem Plus eins auf eine dieser Partys gehen zu können, bekam ich den Schlüssel zu einer großen Schöneberger Altbauwohnung des Oscar-Regisseurs Stephen Daldry. Er präsentierte damals seinen Film „Der Vorleser“ auf der Berlinale und reiste für die BAFTAs früher ab. Sein Regieassistent war ein Freund von mir und meinte „Hey Trystan, lad doch mal ein paar Freunde ein, wir können eine kleine Party machen.“ Aus der kleinen Party wurde ein wildes Fest … mit Leuten, die zu fünfzehnt in einer kleinen Sauna getanzt haben. In der Badewanne lagen vier Frauen, dazu wurden Brecht-Lieder gesungen. Aus diesem Spirit heraus ist das Ganze entstanden. Ich wollte es im nächsten Jahr wiederholen, hab es aber nicht geschafft, da ich nicht wusste, wie man so etwas organisiert. Dann lernte ich einen Freund kennen, Henok Tsehaye, der mein Partner wurde. Er ist viel im Nachtleben unterwegs und betreibt derartige Partys professionell – und das großartig. Mit ihm bin ich für fünfzehn Jahre auf die Reise gegangen und habe Berlin damit erobert.
In Ihrer Zeit am Theater in Bremen jobbten Sie in Discos. Entstand damals die Begeisterung, auf Seite der Partyorganisator*innen zu stehen?
T.P.: Ich liebe die Nacht, ich liebe das Nachtleben und den Exzess, Dinge, die in der Nacht passieren. Die im Club, auf der Tanzfläche geschehen. Wie durch eine Magie von Musik und die richtigen Menschen ein neuer Geist entsteht. Das ist etwas, das mich schon immer fasziniert und begeistert hat. Inzwischen gehe ich nicht mehr viel aus. Aber ich liebe es, Menschen zusammenzubringen, von denen ich glaube, dass sie zusammengehören. Und wenn daraus etwas entsteht, was über die Grenzen von „der ist prominent, der ist Arthouse, der ist kommerziell“ steht. Ohne Labels. Wenn durch die Atmosphäre des Raumes, die Musik und über die Auswahl der Gäste etwas geschaffen wird, das wie Magie ist. Ich glaube, das passiert vor allem, da wir eine „No Photo“-Policy haben und der Dresscode Abendgarderobe lautet. Es steckt immer eine Überraschung darin. Du bist als Gast an einem Ort, der dich von deinem eigenen Kontext befreit.
Das ist für Ihre Gäste wohl ein befreiendes Gefühl – zu wissen, man braucht sich nicht um mögliche Videos sorgen, die in den Sozialen Medien landen.
T.P.: Genau. Das funktioniert tatsächlich auch. Kristen Stewart war voriges oder vorletztes Jahr bei uns und hat zwei Stunden lang getanzt. Es ist davon kein Foto entstanden! Sie war begeistert und glücklich, dass so etwas möglich ist. Und … wer weiß: Ich bin schon an einigen Leuten für die Party dieses Jahr dran. Mal sehen, wer diesmal heimlich mit Mütze auf der Tanzfläche landet. Es gibt ein paar Kandidat*innen, die an diesem Abend in der Stadt sind.
In 15 Jahren Ihrer Off-Berlinale-Party, Ist Ihnen da ein Jahr besonders im Gedächtnis geblieben?
T.P.: Die Partnerschaft mit Montblanc hat das Ganze auf der Ebene des Glamours angehoben. Was wir gemeinsam gezaubert haben, war außerordentlich. Es ist ein Schritt hin zu einer gewissen Kommerzialität, weil man nicht mehr so „Underground“ ist und die Gästeliste damit strenger wurde. Aber nachdem ein großes, wunderschönes Dinner vorbei war, öffneten sich die Pforten, ganz Berlin und das Nachtleben, Künstler*innen und Schauspieler*innen strömten hinein und es wurde eine wilde Nacht. Ich mochte genauso die ersten Partys, bei denen wir noch mit Stromausfällen zu tun hatten, die Bars absolut überfordert waren und die Leute schließlich selbst Getränke ausgeschenkt haben. Es ist insgesamt immer ein familiärer und glücksspendender Ort. Weil die Personen, die auf die Party gekommen sind, es geschafft haben, einfach nur Lust auf das Feiern haben. Dadurch entsteht jedes Mal eine kleine Geschichte.
Haben Sie über die Jahre hinweg für sich Dinge definiert, die für eine gelungene Party ausschlaggebend sind?
T.P.: Wenn Abendgarderobe Pflicht ist, haben die Gäste meiner Erfahrung nach auch Lust, sich schön zu machen – vor allem in Berlin. Da gehst du üblicherweise in Hoodie und Sneakers feiern, das entspricht dem typischen Party Chic. Aber bei mir ist der Dresscode Abendgarderobe. Alle sehen schön aus, haben sich vorbereitet und Mühe gemacht. Es ist außerdem immer spannend, Schauspieler*innen an den Turntables auflegen zu sehen. Weil man kennenlernt, was deren Musikgeschmack ist. Ich habe zudem mit Schowi und meinem guten Freund William Minke zwei DJs, die seit 15 Jahren immer ab etwa 1 Uhr übernehmen. Die Tanzfläche ist mit ihnen garantiert voll. Auf Filmpartys wird normalerweise zu wenig getanzt und mehr geredet. Man kann sich auch auf meiner Party unterhalten, aber es wird vorrangig getanzt, die Leute sind ausgelassen. Man kann sagen, wir haben eine gewisse Kontinuität in der Unberechenbarkeit.
Und was darf auf Ihrer Party-Playlist nicht fehlen?
T.P.: Wir springen hinsichtlich der Musik in den Genres, auch die Altersstruktur der Gäste ist sehr durchmischt. Ich selbst komme aus der Hip-Hop- und R’n’B-Richtung, das darf also nicht fehlen. Aber ob Amapiano, House-Tracks oder Disco und ein Song von Queen – die Musik ist divers, unangestrengt und muss Spaß machen. Unsere Playlist ist gut kuratiert. Wir haben keinen Erziehungsauftrag, was ich manchmal bei DJs anstrengend finde – wenn sie mir erklären wollen, was man jetzt hört. Mit Schowi haben wir jemanden, der seinen Job sehr ernst nimmt und den Raum lesen kann.
Sie haben Diversität angesprochen, was sich auch auf Ihre Rollen und deren zeitlichen Kontext anwenden lässt. Wenn ich Ihnen eine Zeitmaschine geben würde, in welche Dekade und Partynacht dort würden Sie reisen?
T.P.: Das Berlin der 20er-Jahre hört sich für mich immer gut an. Ich glaube, das war die Zeit, in der Berlin am offensten war. In der die Nachtclubs voll waren mit den schrägsten Gestalten jeder Couleur und jeder Orientierung. Diese Stimmung war, denke ich, sehr offen, freundlich und frei. Und dem Exzess zugeneigt. Eine Nacht schaffe ich das glaube ich auch noch mit meinen 44 Jahren.
Lange Nächte haben Sie nicht nur durch Partys, sondern auch durch Drehtage. Was hilft Ihnen, nach stressigen Phasen wieder zur Ruhe zu kommen?
T.P.: Ich weiß, dass ich körperlich aktiv sein muss, damit es mir gut geht. Ich mache sehr viel Sport und versuche, zu meditieren, und achte darauf, dass mein Schlaf ausreichend lang ist. Nach stressigen Phasen verbringe ich viel Zeit draußen und bin mit meinem Hund unterwegs. Ich habe also Dinge, von denen ich weiß, dass sie mir körperlich guttun – und somit auch seelisch. Diese Ruhephasen sind sehr wichtig für mich. Sie halten mich „sane“.
Gibt es außer Ihrer Party Berlinale-Highlights, auf die Sie sich freuen?
T.P.: Ich freue mich auf den Eröffnungsfilm „Das Licht“ von Tom Tykwer, mit dem ich bei „Babylon Berlin“ sehr gerne zusammengearbeitet habe und der ein Freund geworden ist. Leider wird der Film von Timothée Chalamet am Abend meiner Party gezeigt, weshalb ich nicht zur Vorführung gehen kann. Ansonsten gibt es im Panorama spannende Filme, deutsche Filme, die ich versuchen werde, zu sehen.
Stichwort Filme: Woran arbeiten Sie gerade, was steht nach der Party an? Können Sie uns zum Schluss einen Ausblick geben?
T.P.: Nach der Party habe ich einen Drehtag in Spanien für einen Freund, bei dem ich einen kleinen Cameo-Auftritt übernehme. Anschließend werde ich meinen nächsten Kinofilm „Raging Moms“ mit Sonja Heiss beginnen. Zudem wird eine große Serie mit mir von Disney Plus namens „Vienna Game“ veröffentlicht. Darauf bin ich gespannt und glaube, das wird eine große Sache. Ich habe einen weiteren Film im Sommer, der noch nicht ganz spruchreif ist. Und von „Babylon Berlin“ filme ich derzeit meine letzten Drehtage für die finale Staffel, die großartige Drehbücher hat und alle Geschichten zum Ende bringt. Das wird zugleich ein Abschied von dieser großen „Babylon Berlin“-Familie.