Wenn die Menstruation wegen einer "zu gesunden Lebensweise" ausbleibt
Manche Frauen ernähren sich sehr gesund und treiben viel Sport. Und obwohl sie auf den ersten Blick ihren Körper im Griff zu haben scheinen, gibt es eine Sache, die sich ihrer Kontrolle entzieht: der weibliche Zyklus. Wenn die Periode monatelang ausbleibt, muss nämlich nicht immer eine Schwangerschaft dahinterstecken. Es könnte sich um eine ernstzunehmende Krankheit handeln: hypothalamische Amenorrhö. Was genau ist das und was kann man dagegen tun? Wir haben bei einer Expertin nachgefragt.
Wer einen Healthy Lifestyle verfolgt, auf gesundes Essen achtet und viel trainiert, fühlt sich meist unbesiegbar. Wie Hormon-Coach Julia Schultz uns im exklusiven Interview erklärt, übertreiben es manche Frauen aber leider mit dem gesunden Lebensstil. Die Folge: Ihre Periode bleibt aus – und das mehrere Monate lang. Viele Frauen vermuten PCOS (Polyzystisches Ovarialsyndrom) dahinter, obwohl sie eigentlich unter hypothalamischer Amenorrhö leiden.
Julia Schultz, Autorin des Buches "Hypothalamische Amenorrhö: Wenn die Periode trotz gesunden Lebensstils ausbleibt", verrät, was sich dahinter verbirgt, was man dagegen tun kann und wie man seinen Weg zu einem normalen Zyklus zurückfindet.
Yahoo Style: Was ist hypothalamische Amenorrhö?
Julia Schultz: Eine hypothalamische Amenorrhö beschreibt das komplette Ausbleiben der Periode von Frauen im gebärfähigen Alter. Der Grund dafür liegt in der hormonellen Schaltzentrale im Gehirn namens Hypothalamus, welche salopp gesagt die hormonelle Kommunikation zu den weiblichen Geschlechtshormonen herunterschraubt. Aus diesem Grund sind die weiblichen Geschlechtshormone Östrogen und Progesteron im Körper meist erniedrigt. Das passiert aufgrund von zu viel Stress, da der Hypothalamus hierauf ganz empfindlich reagiert und die Hormonproduktion herunterreguliert. Bei einer hypothalamischen Amenorrhö tritt der Stress meist aufgrund einer "zu gesunden“ Lebensweise auf.
Yahoo Style: Du sprichst davon, dass eine "zu gesunde Lebensweise" zu hypothalamischer Amenorrhö führen kann. Wie kann etwas zu gesund sein und trotzdem solch eine Krankheit auslösen?
Julia Schultz: Nicht alles, was wir als gesund wahrnehmen, ist es zwangsläufig auch für den weiblichen Körper. Wenn Frauen ihre Nahrungsaufnahme beispielsweise zu stark verringern und/oder sehr viel Sport betreiben, kann das für den Körper massiven Stress bedeuten. Auch eine drastische Gewichtsreduktion kann als Stress vom weiblichen Körper interpretiert und dem weiblichen Zyklus zum Verhängnis werden.
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Wir müssen uns klarmachen, dass der Menstruationszyklus einem einzigen Zweck dient: der Fortpflanzung. Eine Schwangerschaft sowie die Stillzeit danach bedeutet für den Körper eine enorme Herausforderung. Hier muss sich der Körper in der Sicherheit wissen, dass diese Monate des energetischen Mehraufwands einer Schwangerschaft einwandfrei überbrückt werden können. Dafür brauchen Frauen einen gewissen Körperfettanteil, ausreichend Nährstoffe (von Fetten, über Kohlenhydraten bis hin zu Mineralstoffen und Vitaminen) und auch eine relativ entspannte Lebensführung. Geraten diese Säulen aus dem Gleichgewicht, werden hormonelle Prozesse zurückgeschraubt.
Allein schon das viel angepriesene Intervallfasten kann für einige Frauen zu unregelmäßigen Zyklen führen. Besonders dann, wenn Frauen es mit einer geringen Kohlenhydrataufnahme kombinieren. Beides gilt als sehr gesund, aber nicht unbedingt für den weiblichen Körper. Eine hypothalamische Amenorrhö betrifft dementsprechend häufig sehr schlanke und sportliche Frauen. Nicht selten lag in der Vergangenheit eine Essstörung vor. Dennoch beobachte ich, dass auch Frauen mit Normalgewicht, welche nicht übermäßig viel Sport betreiben, davon betroffen sein können. Neben dem körperlichen Stress kann natürlich auch mentaler oder emotionaler Stress ein Grund für das Ausbleiben der Periode sein.
Yahoo Style: Wie macht sich hypothalamische Amenorrhö bemerkbar?
Julia Schultz: Bei einer hypothalamischen Amenorrhö bleibt die Periode meist komplett aus. Daran bemerkt man sie häufig als erstes. Allerdings kann die Periode auch aus anderen Gründen ausbleiben, z.B. aufgrund des PCO-Syndroms. Da es bei einer hypothalamischen Amenorrhö oft zu einem Mangel der weiblichen Geschlechtshormone Progesteron und Östrogen kommt, merkt man diese allerdings auch anderweitig: Haarausfall, trockene Haut und Schleimhäute, geringe Libido, nächtliches Schwitzen und Schlafprobleme. Dabei treten diese Symptome nicht immer gleichzeitig und bei allen Frauen auf. Es gibt außerdem ein erhöhtes Risiko für Osteoporose, welche sich beispielsweise durch Stressfrakturen im Sport bemerkbar machen kann.
Andere Symptome einer hypothalamischen Amenorrhö können sein:
Ständiges Kältegefühl
Wenig Energie
Vermehrter Hunger
Verdauungsprobleme wie Blähbauch
Depressionen und Ängste
Yahoo Style: Was ist der Unterschied zu PCOS?
Julia Schultz: Beim PCO-Syndrom kommt es viel mehr zu einem Überschuss an männlichen Geschlechtshormonen und Symptomen wie Akne, fettige Haut und Haare, männlicher Haarwuchs, Gewichtszunahme beziehungsweise Schwierigkeit, Gewicht zu verlieren. Zucker- und Fettstoffwechselstörungen treten hier ebenfalls häufiger auf. Auch auffällig: Während bei einer hypothalamischen Amenorrhö die Hypophysenhormone FSH (Follikelstimulierendes Hormon) und LH (Luteinisierendes Hormon) eher gering ausfallen, findet man bei PCOS sehr häufig sehr hohe Werte an LH im Blut.
Yahoo Style: Wann sollte man zum Arzt?
Julia Schultz: Generell sollte jede Frau zum Arzt gehen, wenn die Periode plötzlich länger als drei Monate ausbleibt. Das ist meist ein Zeichen, dass etwas mit den Hormonen nicht stimmt. Dann sollte nachgeschaut werden, warum genau die Periode ausbleibt. Wenn Frau die Antibabypille absetzt, kann es normal sein, dass die Periode danach nicht sofort wieder normal einsetzt. Hier rate ich zirka sechs Monate abzuwarten, da der weibliche Zyklus manchmal – nach Einnahme der Pille – etwas länger braucht, um sich wieder einzupendeln.
Yahoo Style: Wie viele Frauen leiden an hypothalamischer Amenorrhö?
Julia Schultz: Diese Frage lässt sich leider nicht so leicht beantworten, da sie im deutschsprachigen Raum noch nicht sehr bekannt ist. Hinzu kommt, dass viele Frauen eine falsche Diagnose bekommen (z.B. PCO-Syndrom) oder gesagt bekommen, dass mit ihnen eigentlich alles okay sei. Man geht aber davon aus, dass eine hypothalamische Amenorrhö einer der Hauptgründe für ausbleibende Periode ist. Schätzungen nach können ungefähr 30 Prozent aller Fälle von Amenorrhö auf die hypothalamische Amenorrhö zurückgeführt werden.
Yahoo Style: Was kann man effektiv dagegen tun und wie bekommt man seinen Körper langfristig wieder in den Griff?
Julia Schultz: Ich empfehle gängige Ernährungs- und Sporttrends regelmäßig zu hinterfragen und hinein zu spüren, ob sie für mich wirklich stimmen. Oft werden hier nämlich Studien zitiert, die an Männern oder postmenopausalen Frauen durchgeführt wurden, welche grundsätzlich hormonell komplett anders eingestellt sind als Frauen im Alter zwischen 13 und 45 Jahren. Bei uns funktionieren solche Maßnahmen dann meist nicht vollständig oder eben mit fatalen Nebeneffekten wie der hypothalamischen Amenorrhö, wenn wir sie übertreiben und nicht früh genug die Reißleine ziehen.
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Yahoo Style: Der beste Tipp für den Alltag?
Julia Schultz: In der Regel gilt, dass Frauen alle Makronährstoffe benötigen (dazu gehören auch Kohlenhydrate und gesunde Fette) – und das in jeder Mahlzeit. Mahlzeiten sollten nicht ausgelassen werden. Oft dürfen wir Frauen uns wieder erlauben, mehr zu essen. Auch beim Sport müssen wir uns nicht so sehr abmühen. Wir dürfen hier oft viel weniger und vor allem anders trainieren. Meine Devise: Train smarter, not harder! Grundsätzlich darf ich mich als Frau mit hypothalamischer Amenorrhö viel öfter fragen: Wie kann ich mehr Entspannung in mein Leben einladen und muss ich wirklich immer alles so perfekt machen?