Wie der Klimawandel den Geschmack von Wein ändert

Wein ist eines der sensibelsten Agrarerzeugnisse der Welt. Kleinste Veränderungen im Wetter wirkt sich auf die Beschaffenheit der Trauben und damit den Geschmack des fertigen Weins aus. Was also bedeutet der Klimawandel für Wein?

Die Beschaffenheit der Traube bestimmt den Geschmack von Wein - und das Klima hat darauf den größten Einfluss (Bild: Getty Images)
Die Beschaffenheit der Traube bestimmt den Geschmack von Wein - und das Klima hat darauf den größten Einfluss (Bild: Getty Images)

Seit den 1990ern beobachten Winzer und Weinbauern starke Veränderungen im Klima, was sich erheblich auf den Geschmack des fertigen Weins auswirkte. In bestimmten Gebieten - unter anderem in deutschen wie in Rheinhessen oder an der Mosel - hatte dies zunächst Vorteile, da wärmere Anbausaisons konstantere Topergebnisse in der Produktion erlaubten.

Doch auf Dauer hat der Klimawandel und die extremen Wetterperioden, die er mit sich bringt, bedenkliche Auswirkungen auf den Weinbau. Warnendes Beispiel ist das Jahr 2020, als weitläufige Brände in Kalifornien die dortige Weinernte teils ruinierten: Acht Prozent sämtlicher Trauben in der Weinregion verrottete.

Es ist bei Weitem nicht das einzige Mal, dass Hitzewellen, Flächenbrände und andere Klimakatastrophen Weinernten bedrohen oder ganz ruinieren.

Durch Hitze überreife Trauben einfach früher ernten? Auch das verändert den Wein

Doch auch, wenn die Reben nicht vollständig unbrauchbar werden, wirkt sich das veränderte Wetter auf die Trauben aus. Wärmere Temperaturen und nahegelegene Brände verändern den Geschmack von Wein, dessen Qualität und damit Identität von der empfindlichen Chemie der Trauben und deren Wachstumsgebiet abhängen. Vor allem von drei Faktoren hängt dies ab:

  • Zucker: Bei Wärme reifen Trauben schneller und bilden mehr Zucker, was einen höheren Alkoholgehalt im Wein zur Folge hat.

  • Säure: Je wärmer das Klima, desto geringer die Säure in den fertig gereiften Trauben. Säure gibt Wein Frische und fruchtige Geschmacksnoten und macht ihn haltbarer.

  • Sekundäre Bestandteile: Davon gibt es viele, die Geschmack, Farbe und Beschaffenheit des Weins formen. Farbstoffe namens Anthocyane beispielsweise zerfallen bei Hitze. Tannine, die dem Wein Fülle verleihen und seine Haltbarkeit verlängern, brauchen lange, um sich zu bilden. Werden die Trauben aufgrund großer Hitze zu früh geerntet, um zu starke Zuckerbildung zu vermeiden, haben diese sich womöglich noch nicht ausreichend gebildet. Auch andere Stoffe bilden sich erst mit der Zeit, was Weinbauern an einer frühen Ernte zugunsten von Zucker und Säure hindert.

Diese drei Dinge werden von diversen Umständen beeinflusst, von Bodenbeschaffenheit über Nebeldichte bis hin zur Regenmenge. Nicht zuletzt deswegen haben Weine je nach Region sehr spezifische Charakteristika. Den größten Einfluss hat jedoch das Klima, wie Weinchemikerin Anita Oberholster von der University of California BBC sagt.

Für weniger Zucker und mehr Säure müsste man die Trauben früher ernten - doch dann gehen sekundäre Pflanzenstoffe verloren (Bild: Getty Images)
Für weniger Zucker und mehr Säure müsste man die Trauben früher ernten - doch dann gehen sekundäre Pflanzenstoffe verloren (Bild: Getty Images)

Winzer fürchten um weltberühmte Charakteristika ihrer Weine

Je mehr sich das Klima einer bestimmten Region also ändert, desto mehr verändert sich auch der Wein, der dort angebaut wird. Viele Winzer fürchten um die Charakteristika, die ihre eigenen Weine teils weltberühmt macht.

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Dies macht sich bisweilen bereits bemerkbar. In französischen Weinen ist ein Anstieg des Alkoholgehalts festzustellen - ein bei vielen Kunden ein unerwünschter Effekt, weil auch dies den Geschmack verändert. Zudem sinkt der Säuregehalt, wie eine Sprecherin des Großen Rats der Bordeauxweine BBC erklärt.

Klimawandel macht die Weinernte unberechenbar

Abgesehen von der zunehmenden Erwärmung sorgen sich Winzer auch um einen weiteren Faktor, der den Klimawandel für ihre Branche so schwierig macht: Unberechenbarkeit. Erfahrene Weinbauern wussten einst genau, welchen Wein sie wann anbauen müssen, um ein bestmögliches Ergebnis zu erzielen. Das ist vielen nicht mehr möglich, wie Weinexpertin Karen MacNeil dem britischen Sender erklärt.

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Eine "Aschenbecher-Note" will in seinem Wein wohl niemand (Bild: Getty Images)

Hinzu kommen Naturkatastrophen wie die bereits erwähnten Wald- oder Flächenbrände. Der Rauch, der zu den Anbaugebieten zieht, hinterlässt seine Spuren, die selbst im Geschmack des fertigen Weins spürbar sind. Oberholster beschreibt dies als "charakteristische Aschenbecher-Note in der Kehle" und nennt die Noten "medizinisch" oder "Pflaster".

Die Zukunft des Weins in der Klimakrise

Sie vermutet, dass viel der 2020 zerstörten kalifornischen Ernte dennoch brauchbar gewesen wäre und rät Winzern zu einer probenweise Fermentation, um festzustellen, wie stark die Rauchverschmutzung gewesen ist.

Insgesamt würden Winzer neue Wege finden müssen, um die Effekte des Klimawandels auszugleichen, beispielsweise durch die Zugabe von Traubenkonzentrat. Viele Winzer stellen sich bereits mit neuen Tools und Methoden auf veränderte Gegebenheiten ein, und bislang scheint die Kundschaft den stärkeren, süßeren Wein anzunehmen.

Allerdings, wie Weinanbauexperte Kaan Kurtural warnt, ist der Gipfel von dem, was das Klima mit den sekundären Pflanzenstoffen in den Trauben - und damit mit dem Geschmack von Wein - anstellen wird, womöglich noch nicht erreicht.

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