Alkoholfrei ins neue Jahr: Was bringt der «Dry January»?

Mannheim (dpa/tmn) - Weihnachtsfeier, Heiligabend, Silvester und der ganze Stress drumherum: In den vergangenen Wochen gab es einige Anlässe, Alkohol zu trinken. Mit dem neuen Jahr kommen dann die guten Vorsätze: Wir möchten die Gelage der letzten Wochen ausgleichen. Das kann heißen, auf Alkohol zu verzichten, zumindest im Januar - «Dry January» («trockener Januar») nennt sich das.

Eine gute Gelegenheit, nicht nur die strapazierten Organe zu entlasten, sondern auch, um sich ein paar Gedanken zu machen, findet der Suchtforscher Prof. Falk Kiefer.

Frage: Prof. Kiefer, in den vergangenen Wochen haben viele von uns einiges an Alkohol getrunken. Was bringt da ein «Dry January»?

Falk Kiefer: Körperlich ist es am gesündesten, überhaupt nichts zu trinken. Also jedes Gramm Alkohol, auf das man verzichtet, ist gesünder, als dass man es trinkt.

Geringe Mengen Alkohol sind zwar nicht sonderlich schädlich. Das Risiko kann man in Kauf nehmen, wir tun viele ungesunde Sachen im Leben. Man darf aber nicht denken: Wenn ich ein Glas Rotwein trinke, tue ich mir etwas Gutes. Es ist für alle, also auch für Wenigtrinker, gesünder, keinen Alkohol zu trinken als Alkohol zu trinken. Auch einen Monat lang.

Viele Organe erholen sich dann, Magen, Herz und vor allem die Leber. Gleichzeitig es ist wichtig, die eigenen Risiken zu kennen.

Frage: Also für den Körper ist es schon mal gesund, nichts zu trinken. Stichwort Risiken: Das klingt so, also wäre da noch ein Aspekt?

Kiefer: Ja. Ich würde jedem empfehlen, eine Alkoholpause einzulegen, um einfach zu gucken: Wie sehr fehlt mir das? Etwa die Wirkung von Alkohol, dass er enthemmt und die Sorgen weniger werden lässt. Und auch den Zusammenhang von Feiern und Alkohol zu betrachten. Sich also zu fragen: Gehe ich auf die Feier, um Freunde zu treffen? Oder gehe ich auf die Feier, um Alkohol zu trinken?

Viele Menschen sagen: Ich kann einen Monat nichts trinken, also habe ich kein Problem mit Alkohol. Aber das ist falsch. Auch wer sich durch einen Monat «durchkämpft» und danach wieder trinkt, kann ein problematisches Verhältnis zum Alkohol haben.

Frage: Und wenn man merkt, dass einem der Alkohol fehlt? Dass man kämpft, Verzicht schwerfällt?

Kiefer: Dann hat man ein Problem erkannt und kann handeln. Suchtmittel wie Alkohol greifen ein System in unserem Gehirn an, das evolutionär uralt ist: die emotionale Steuerung unseres Verhaltens, die Motivation. Aber Menschen sind nicht dazu gezwungen, ihren subjektiven Motiven und Impulsen zu folgen.

Menschen haben die einmalige Fähigkeit, bewusst und selbstverantwortlich Entscheidungen zu treffen. Sie können sich über Impulse, die auf kurzfristige Belohnungen anspringen, hinwegsetzen, bewusst und achtsam sein. Auch über ein paar Wochen hinaus.

Wenn man etwa Alkohol auch genutzt hat, um Stress oder Ängste zu bekämpfen, also als Selbstmedikation, dann ist es mit Verzicht nicht getan. Dann muss diese Lücke anders gefüllt werden. Da gibt es auch Mittel und Wege: etwa wieder körperlich aktiver werden, Musik, Entspannung oder die Menschen treffen, mit denen man auch mit klarem Kopf Spaß haben kann.

Zur Person: Prof. Dr. Falk Kiefer ist Ärztlicher Direktor der Klinik für Abhängiges Verhalten und Suchtmedizin am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim. Zudem ist er Inhaber des Lehrstuhls für Suchtforschung der Universität Heidelberg und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie. Gemeinsam mit Nathalie Stüben schrieb er das Buch «Frauen und Alkohol».