Dritthäufigste Todesursache: Experte verrät, welche Gefahr hinter jedem Infekt lauert
Die Sepsis ist eine hochgefährliche Art von Infektionskrankheiten, die, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, zum Tod führen kann. Konrad Reinhart, ein Experte auf dem Gebiet der Sepsis, erläutert die Symptome, Risikofaktoren und Auswirkungen dieser Krankheit.
Sepsis: Was ist das und welche Symptome gibt es?
Sepsis ist die schwerwiegendste Form von Infektionskrankheiten und kann nicht nur durch Wundinfektionen verursacht werden. Sie tritt auf, wenn das Immunsystem nicht mehr in der Lage ist, die Ausbreitung einer lokalen Infektion zu stoppen und die Erreger in den Blutkreislauf gelangen. Bakterien sind die häufigsten Erreger, gefolgt von Viren wie Grippe und Covid-19, Pilzinfektionen und Malaria.
Der Körper reagiert auf diese lebensbedrohliche Situation, indem er alle verfügbaren Abwehrmechanismen, insbesondere das Immun- und Gerinnungssystem, aktiviert. Dies führt jedoch nicht nur zur Bekämpfung der Erreger, sondern auch zu Schäden an körpereigenen Organen wie Lunge, Herz und Nieren. Die Blutgerinnung in den kleinen Blutgefäßen führt oft zum Absterben von Gliedmaßen, die dann amputiert werden müssen. Wenn eine Sepsis nicht rechtzeitig erkannt und wie ein Herzinfarkt oder Schlaganfall als Notfall behandelt wird, kann es zu einem multiplen Organversagen und einem oft tödlichen septischen Kreislaufversagen kommen.
Wenn Sie folgende Krankheitssymptome haben, sollten Sie auf eine sofortige ärztliche Untersuchung bestehen, um eine Sepsis auszuschließen:
Ein bisher unbekanntes Krankheitsgefühl
Schwierige und beschleunigte Atmung
Starke Schmerze
Veränderung des Verhaltens / Verwirrtheit
Erhöhte Herzfrequenz und niedriger Blutdruck
Das Fehlen von Fieber schließt eine Sepsis nicht aus.
Prof. Dr. Konrad Reinhart, ein Experte auf dem Gebiet der Intensivmedizin und Anästhesie, hatte von 1993 bis 2016 die Position des Direktors der Klinik für Anästhesiologie und Intensivtherapie am Universitätsklinikum der Friedrich-Schiller-Universität Jena inne. Aktuell ist er als BIH Visiting Professor der Stiftung Charité tätig und hat den Rang eines Senior Professors an der Charité - Universitätsmedizin Berlin. Reinhart ist Mitglied der renommierten Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und war einer der Gründungspräsidenten der Deutschen Sepsis-Gesellschaft sowie der Global Sepsis Alliance. Sein beruflicher Werdegang ist stark von der Erforschung der Sepsis geprägt. Durch seine Arbeiten konnte er die medizinische und gesundheitsökonomische Bedeutung der Sepsis verdeutlichen und zu einer verbesserten Sicherheit von Medikamenten in der Sepsistherapie beitragen.
Sepsis: Das sind die Risikofaktoren
Jeder kann von Sepsis betroffen sein, aber es gibt bestimmte Personengruppen, die ein höheres Risiko haben. Dazu zählen Menschen über 60 Jahre, Neugeborene und Kinder, Patienten mit chronischen Krankheiten wie Lungen-, Leber-, Nieren-, Herz- oder Diabeteserkrankungen, sowie Menschen mit angeborenen oder erworbenen Immunschwächen, zum Beispiel durch das Fehlen der Milz, HIV/AIDS oder die Einnahme von immunsuppressiven Medikamenten zur Behandlung von Krebs, schwerer Rheumatoider Arthritis oder anderen Immunsystemerkrankungen.
Auch Menschen mit künstlichen Herzklappen, Gefäß- oder anderen im Körper implantierten Materialien wie Gelenkprothesen, Blasenkathetern, Luftröhrenschnitten und Trachealkanülen haben ein erhöhtes Risiko für Infektionen und damit auch für Sepsis.
Jede operative und andere medizinische Maßnahme, bei der die Schutzfunktion der Haut und Schleimhäute verletzt wird, birgt ein erhöhtes Infektionsrisiko. Dies gilt auch für kleinere Verletzungen wie Insektenstiche oder Nadelstiche.
Sepsis: Tests & Diagnose
Um die Therapie effektiv durchführen zu können, ist es wichtig, den Erreger und den Infektionsherd der Sepsis zu kennen. Antibiotika sind nur wirksam bei einer Infektion oder Sepsis, die durch Bakterien verursacht wird. Bei einer Virus- oder Pilzsepsis werden andere Substanzen benötigt, um gegen diese Erreger wirksam zu sein. Daher ist es immer erforderlich, vor Beginn der Therapie eine Blutkultur anzulegen.
Leider verfügen viele Krankenhäuser in Deutschland nicht über eigene mikrobiologische Labore und diese sind oft nicht rund um die Uhr besetzt. Im Bereich der Sepsis- und Blutkulturdiagnostik hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. Es gibt mittlerweile auch Infektions- und Sepsismarker, die helfen können, zwischen einer viralen oder bakteriellen Infektion oder Sepsis zu unterscheiden.
Bei 20-30 Prozent der Sepsisfälle ist zusätzlich zur Antibiotikabehandlung auch eine invasive Sanierung des Infektionsherdes erforderlich. Dies ist zum Beispiel bei Abszessen, einem Darmdurchbruch, einer Nierenbeckenentzündung aufgrund von Nierensteinen, entzündeten Herzklappen oder Fremdkörpern wie Gefäßprothesen oder künstlichen Gelenken der Fall.
Experten und auch die Sepsis Stiftung fordern daher, dass alle Akutkrankenhäuser, die Sepsis behandeln, rund um die Uhr über die entsprechenden diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sowie die erforderliche fachliche Expertise verfügen sollten, ähnlich wie es bei anderen Notfällen wie einem Herzinfarkt oder Schlaganfall seit Jahrzehnten Standard ist.
Sepsis: Behandlungsmöglichkeiten & Erfolgsaussicht
Eine weitere entscheidende Komponente bei der Behandlung einer Sepsis in der akuten Phase besteht darin, das Kreislaufsystem zu stabilisieren und die Störungen oder Ausfälle der körpereigenen Organe, die mit der Sepsis einhergehen, zu überbrücken. Dies betrifft verschiedene Organsysteme wie Lunge, Niere, Herz, Leber, Magendarmtrakt, Gehirn und das Nervensystem. Auch schwerwiegende Störungen des Gerinnungssystems und des Stoffwechsels müssen intensivmedizinisch behandelt werden.
Zu den zentralen, oft lebensrettenden intensivmedizinischen Maßnahmen zur Überbrückung der gestörten oder ausgefallenen Organsysteme gehören:
Unterstützung des Herzkreislaufsystems durch intravenöse Flüssigkeiten zur Auffüllung des Kreislaufsystems und Medikamente zur Stärkung der Herzfunktion
Verabreichung von Sauerstoff und maschinelle Beatmung, und in extremen Fällen der Einsatz von Herzlungenmaschinen (ECMO)
Blutwäsche (Dialyse) durch Nierenersatzverfahren
Künstliche Ernährung
Ersatz von Gerinnungsfaktoren
Studien zur Behandlung von virusbedingten Sepsisfällen im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie haben gezeigt, dass die medikamentöse Dämpfung einer übermäßigen Immunreaktion mit immunmodulatorischen Antikörpern die Überlebenschancen verbessert und Langzeitfolgen reduziert. Einige dieser Substanzen haben auch Notfallzulassungen von US-amerikanischen und europäischen Zulassungsbehörden erhalten.
Sepsis vorbeugen: Das können Sie tun
Man kann sich nicht direkt vor einer Sepsis schützen, aber vor den Infektionen, die zu einer Sepsis führen können. Bestimmte Maßnahmen können helfen, Infektionen vorzubeugen und damit das Risiko einer Sepsis zu verringern:
Es ist wichtig, sich gemäß den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) impfen zu lassen. Die Impfungen gegen das Sars-Cov-2 Virus haben gezeigt, dass sie die Überlebenschancen verbessern und die Langzeitfolgen reduzieren können.
Regelmäßige körperliche Aktivität wie Gehen, Fahrradfahren und Gymnastikübungen können das Risiko einer Infektion und einer Sepsis signifikant verringern.
Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung und Vermeidung von Alkohol- und Drogenmissbrauch ist wichtig.
Es ist wichtig, die geltenden Hygienemaßnahmen zu beachten.
Infektionen und Infektionskrankheiten sollten konsequent behandelt werden, indem man ärztlich verordnete Antibiotika oder andere Antiinfektiva korrekt einnimmt, um zu verhindern, dass sich diese zu einer Sepsis entwickeln.
Eine konsequente Behandlung von chronischen Krankheiten wie Lungenerkrankungen, Lebererkrankungen oder Diabetes kann das Risiko einer Infektion und einer Sepsis verringern.
Wunden und entzündete Insektenstiche sollten sorgfältig beobachtet, behandelt und gepflegt werden.
Sepsis: Mögliche Langzeitfolgen & Unterstützung
Etwa 360.000 Menschen überleben jedes Jahr in Deutschland eine Sepsis. Bei etwa 75 Prozent dieser Menschen treten teilweise lebenslange Folgeschäden auf, auch wenn die Sepsis nicht auf der Intensivstation behandelt wurde. Es gibt verschiedene Arten von Folgeerkrankungen, die das Gehirn, den Körper und die Psyche betreffen.
Oft treten diese Erkrankungen gemeinsam auf und führen bei fast einem Drittel der Betroffenen zu einer neuen Pflegebedürftigkeit. Die sozialen Auswirkungen sind oft weitreichend. Diese Folgeerkrankungen werden als Post-Sepsis-Syndrom bezeichnet. Es besteht eine weitgehende Übereinstimmung zwischen den Folgen von Long Covid und Sepsis. Der einzige Unterschied besteht in ihrem Ausmaß.
Die körperlichen Folgen umfassen Störungen der Herz-, Nieren- und Leberfunktion, chronische Müdigkeit, Atemprobleme, Muskelschwäche, Seh- und Sprachstörungen, chronische Schmerzen und Amputationen.
Die Folgen für das Gehirn beinhalten Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gleichgewichtsprobleme und Schwindel.
Psychische Folgen sind Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen, Albträume, Halluzinationen und posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS).
Soziale Folgen können aufgrund der Dauer der Krankheit entstehen, wie zum Beispiel Erwerbsunfähigkeit. Unverständnis für die Folgen einer Sepsis kann zu Belastungen im persönlichen Umfeld führen. Es ist wichtig anzumerken, dass die Folgen einer Sepsis oft nicht in den Leistungskatalogen von Krankenkassen und Rentenversicherungen definiert sind. Weitere Informationen dazu finden Sie auch auf der Website der Sepsis Stiftung.
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