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Eine Woche ohne ... Zucker

Unsere Yahoo-Redakteure üben sich in Verzicht. Sieben Tage lang. Wie es ihnen dabei ergeht, erzählen sie in unserer Reihe "Eine Woche ohne...". Diese Woche war die Redakteurin Jennifer Caprarella dran.

Zucker ist wie eine Droge, so warnen viele Ernährungswissenschaftler. Wie lebt es sich auf Entzug? (Symbolbild: Getty Images)
Zucker ist wie eine Droge, so warnen viele Ernährungswissenschaftler. Wie lebt es sich auf Entzug? (Symbolbild: Getty Images)

Früher war es das Fett, dann die Kalorien ganz allgemein, heute hat man den wahren Gesundheitskiller identifiziert: den Zucker. Er macht dick, er macht müde, er macht krank, er macht süchtig - und vor allem ist er unvermeidlich. Oder etwa nicht? Es gibt sie doch, die tapferen Verzichtler, die Zucker komplett aus ihrem Leben verbannt haben. Schaden würde es mir, dem wandelnden Beweis, dass Vegetarismus nicht automatisch für einen gesunden Lebensstil steht, sicher nicht.

Frei nach Loriot ist ein Leben ohne Schokolade möglich, aber sinnlos, deswegen kommt ein lebenslanger Verzicht nicht in Frage. Wenn aber mein Kollege es eine Woche ohne Kaffee aushält - und das, ohne die gesamte Belegschaft erdolcht zu haben - dann gelingt mir das auch ohne Zucker. Nach dem Studieren einiger Blogs merke ich, dass die Grenzen hier nicht klar definiert sind. Die einen streichen lediglich Raffinade-Zucker aus ihrem Speiseplan, andere verzichten zudem auf sämtliche Ersatzprodukte wie Honig, Agavendicksaft und wie sie noch alle heißen. Wiederum andere verbieten sich obendrein Obst, Weizenmehl und auch nur annähernd süßliche Gemüsearten wie Karotten. Schluck. Um nicht in eine Essstörung abzugleiten, entscheide ich mich für den Mittelweg: Natürlich vorkommender Zucker ist erlaubt, jedoch keinerlei zugesetzte Süße.

Tag 1

Ich beginne an einem Samstag, um gleich mit dem Einkauf starten zu können. Bewaffnet mit allerlei Tipps aus dem Internet und einem gesunden Frühstück aus Quark mit Blaubeeren im Magen geht es in den Supermarkt. Da es am Eingang keine Einkaufskörbe mehr gibt, muss ich einen von der Kasse holen und betrete den Markt also nicht von der grünen Seite, sondern laufe als erstes an den Süßigkeiten vorbei. Obwohl ich noch nicht einmal seit 12 Stunden auf Zuckerentzug bin, läuft mir beim Anblick von Keks und Co. das Wasser im Mund zusammen. Ist mein innerer Schweinehund wirklich so ein Riesenbaby, dass er beim kleinsten Verbot sofort zu quengeln anfängt, als hätte ich ihm gerade ein Spielzeug weggenommen?

Der nächste Frust kommt auf, als ich mir an meiner ersten geplanten Mahlzeit fürs Wochenende die Zähne ausbeiße. Für mein Ofengemüse mit Knoblauch-Dip brauche ich Mayonnaise. Die gibt es in allen, wirklich allen Varianten: Bio, vegan, fettarm, Bio-vegan-fettarm - aber nicht zuckerfrei. Das Gemüse schmeckt auch mit Balsamico-Creme - doch, wie ein Blog mich gelehrt hat, ist die im Grunde nichts anderes als Sirup.

Verboten, verboten, verboten... einkaufen auf Zuckerentzug ist vor allem eins: frustrierend (Symbolbild: Getty Images)
Verboten, verboten, verboten... einkaufen auf Zuckerentzug ist vor allem eins: frustrierend (Symbolbild: Getty Images)

Fast vergeht mir die Lust aufs Kochen, doch bei den Fertiggerichten gebe ich die Suche nach einer zuckerfreien Option nach wenigen Minuten auf - hoffnungslos! Es gibt also - ganz simpel - Spargel. Natürlich ohne die liebliche Hollandaise aus der Packung, stattdessen mit zerlassener Butter und Parmesan.

Tag 2

Es gibt Kaffee und (Schokoladen!-)Kuchen mit der Familie. Meine Schwägerin hat mir liebenswerterweise Muffins aus Bananen und Datteln mitgebracht. Die sind lecker, aber süßer als jeder Kuchen, den ich je probiert habe - oder kommt mir das nach anderthalb Tagen Zuckerentzug nur so vor? Als mein kleiner Neffe uns allen später freudestrahlend übriggebliebene Ostereier schenkt, droht mein Experiment zum ersten Mal zu scheitern, doch ich bleibe standhaft - trotz seines etwas enttäuschten Gesichtsausdrucks, als ich meines als Einzige “für später” aufhebe. Beim Serien-Abend mit Freunden mache ich mich ähnlich unbeliebt, als ich gesunde Snacks mitbringe, obwohl meine Freundin extra für mich Salzstangen gekauft hatte. Sie konnte freilich nicht wissen, dass der darin enthaltene Malzextrakt einer von rund 55 Begriffen ist, die letztlich nichts anderes als Zucker bedeuten.

Tag 3

Dass die soziale Komponente der Essenskultur eine komplette Ernährungsumstellung weitaus deutlicher erschwert als mangelnde Willenskraft sollte ich in meiner Sugarfree-Woche noch öfter bemerken. In der Kantine lassen sich die meisten Zuckerfallen zwar einigermaßen umschiffen, sonderlich viel Spaß machen Auflauf ohne Soße und Salat ohne Dressing allerdings nicht. Ich gucke etwas säuerlich auf den Nachtisch der Kollegen. Am Nachmittag knabbere ich im kläglichen Versuch, den Heißhunger zu bekämpfen, ein paar Mandeln und beschließe, den Besuch in der Tapas-Bar am Abend abzusagen. Für einen Tag habe ich mein inneres Schweineferkel genug gequält.

Tag 4

Körperliche Entzugssymptome bemerke ich keine, doch langsam bekomme ich ziemlich schlechte Laune. Die Kopfschmerzen kommen wohl eher weniger vom Zuckerentzug als von einer anfliegenden Erkältung - oder von der Anspannung im Nacken, weil ich immer wieder zu meinem Gummibärchen naschenden Kollegen rüberschiele. Von einem wahrhaften Entzug bemerke ich jedenfalls nichts, wohl aber von einer psychischen Abhängigkeit, denn noch nie war mein Verlangen nach Süßem größer als jetzt.

Tag 5

Um den Restaurantbesuch komme ich jetzt nicht mehr herum: In der Mittagspause geht’s in ein Burger-Lokal. Meine Quellen verraten mir, dass ich nicht nur auf Ketchup, Mayo und Sauce verzichten muss, sondern auch auf das Burgerbrötchen. Ich werde also zu einem Gast der Marke Extrawurst: Nummer 2 bitte. Vegetarisch. Im Vollkornbrötchen. Und ohne Soße auf dem Burger. Und schon gar kein Ketchup auf den Pommes. Vollkorn gibt es leider nicht, also schäle ich den trockenen Veggie-Patty aus dem Brötchen und esse dazu Pommes Frites ohne alles. Und träume von einer Zeit, in der Essen Spaß gemacht hat.

Der traurige Rest meines trockenen Mittagessens (Bild: Jennifer Caprarella)
Der traurige Rest meines trockenen Mittagessens (Bild: Jennifer Caprarella)

Tag 6

Die Mittagspause bleibt unbefriedigend, doch während ich vor wenigen Tagen noch Heißhunger auf Süßes, Schokoladiges und Zuckriges hatte, denke ich nun kaum noch darüber nach. Ist mein Körper tatsächlich schon so entwöhnt, dass er kein Verlangen mehr nach Süßem verspürt?

Tag 7

Der letzte Tag vergeht wie im Flug. Längst habe ich gelernt, dass der morgendliche Haferbrei auch ohne den gewohnten Esslöffel Ahornsirup schmeckt, im Supermarkt greife ich schon viel routinierter nach den erlaubten Lebensmitteln. Ich genieße mein mittägliches Ratatouille in vollen Zügen, und Snacken kommt mir gar nicht mehr in den Sinn. Ließe es sich so nicht leben? Vielleicht. Doch als ich mir bewusst mache, wie viele Produkte und Lebensmittel mir in der vergangenen Woche verboten waren, steht mein Entschluss fest: Ab morgen bin ich wieder voll auf Zucker.

Der Tag danach

Ich feiere meinen Rückfall mit Schokomüsli am Morgen und einem großen Eisbecher am Nachmittag. Ein leichtes Schwindelgefühl stellt sich ein - und pure Glückseligkeit. Meine Droge hat mich wieder.