Erhöhung der Krankenkassenbeiträge: Wann der Wechsel sich lohnt

Über 20 gesetzliche Krankenkassen haben unterjährig ihre Zusatzbeiträge erhöht, zum Jahreswechsel werden viele weitere folgen: Das können Versicherte jetzt tun.

Die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung werden im kommenden Jahr deutlich steigen: Fachleute des sogenannten Schätzerkreises haben festgelegt, dass der durchschnittliche Zusatzbeitrag der Krankenkassen um 0,8 auf 2,5 Prozent steigen muss.

Der Schätzerkreis besteht aus Angehörigen des Gesundheitsministeriums, des Bundesamts für Soziale Sicherung (BAS) und des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Sie errechneten den durchschnittlichen Zusatzbeitrag, immerhin eine rein rechnerische Maßzahl. Diese muss sich nicht direkt auf den Beitrag jedes einzelnen Versicherten auswirken. Vielmehr spiegelt er wider, welchen Beitragssatz alle Kassen im Schnitt rechnerisch verlangen müssen, um ihre Ausgaben zu decken.

Wie viel die einzelnen Kassen tatsächlich von ihren Versicherten verlangen werden, legen sie selbst mit dem sogenannten kassenindividuellen Zusatzbeitrag fest. Dieser kann auch über oder unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag liegen.

Dass der Durchschnittswert deutlich steigt, lässt aber erwarten, dass es zum Jahreswechsel für die meisten Versicherten spürbar teurer wird. Die Entscheidung, mit welchem Beitragssatz sie ins neue Jahr gehen, treffen die einzelnen Krankenkassen jedoch erst im November und Dezember, bei Redaktionsschluss lagen dazu noch keine Informationen vor.

Der Ursprung des Zusatzbeitrags: Entwicklung des allgemeinen Beitragssatzes seit 2015

Im Jahr 2015 wurde der allgemeine Beitragssatz für die gesetzlichen Krankenkassen auf 14,6 Prozent festgelegt. Diesen zahlen Arbeitnehmer und Arbeitgeber beziehungsweise Rentner und Arbeitgebende beziehungsweise Rentenkassen je hälftig. Das gilt auch für den Zusatzbeitrag. Ausnahmen gelten zum Beispiel für Empfänger von Arbeitslosengeld und Sozialleistungen. Bei Sozialhilfeempfängern und Beziehern einer Grundsicherung übernehmen die zuständigen Ämter den Beitrag.

Die meisten Krankenkassen kamen lange Jahre ohne weitere Beiträge aus. Doch steigende Kosten in der Patientenversorgung haben dazu geführt, dass inzwischen alle Kassen Zusatzbeiträge in unterschiedlicher Höhe verlangen.

Die gesetzlichen Krankenkassen beklagen schon seit Monaten, dass ihre Ausgaben deutlich zunehmen, vor allem in den Bereichen Krankenhaus und Arzneimittel. Gleichzeitig steigen die Einnahmen nicht mehr so schnell wie etwa Ende des vergangenen Jahrzehnts, als die Wirtschaft besser lief und Löhne und die Zahl der Arbeitnehmer wuchsen.

Außerdem kritisieren die Krankenkassen, dass sie Kosten tragen müssen, die eigentlich aus Steuergeldern bezahlt werden müssten. So rechnen die Kassen vor, dass Ausgaben für Bürgergeld-Bezieher um rund zehn Milliarden höher liegen als  die Zahlungen, die der Staat für diesen Personenkreis bisher an die Kassen leistet. Die Kassen fordern deshalb höhere Zuschüsse aus dem Steuertopf. Und sie fordern den Bund auf, die Weichen zu stellen, um das Gesundheitssystem effizienter zu machen.

Wann lohnt sich ein Kassenwechsel für Versicherte?

Da die Beiträge so hoch sind und in absehbarer Zeit nicht sinken werden, lohnt ein Wechsel aus einer Krankenkasse mit hohen Zusatzbeiträgen in eine mit niedrigeren umso mehr. Erhöht die Krankenkasse den Beitragssatz, haben Versicherte sogar ein Sonderkündigungsrecht.

In besonderen Fallkonstellationen könnte es sogar sein, dass einzelne Versicherte, die derzeit bei einer vergleichsweise teuren Kasse sind, nächstes Jahr weniger zahlen, wenn sie in eine besonders preiswerte wechseln. Doch auch  im einfacheren Fall können Versicherte durch einen Wechsel zu einer günstigen Kasse mehrere Hundert Euro im Jahr sparen. Setzt eine Kasse die Erhöhung des Zusatzbeitrags um 0,8 Prozentpunkte um, bedeutet das für Versicherte bei einem Einkommen von 3000 Euro brutto im Monat etwa zwölf Euro weniger netto im Portemonnaie. Weitere zwölf Euro mehr müsste der Arbeitgeber zahlen. Bei einem Brutto-Monatseinkommen von 4000 Euro müssten beide Parteien rund 16 Euro monatlich mehr zahlen. Selbstständige zahlen sogar doppelt so viel, weil es bei ihnen keine Arbeitgeber gibt, welche die Hälfte des Zusatzbeitrags tragen würden.

Immerhin drohen bei einem Kassenwechsel innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung keine bösen Überraschungen bei den Leistungen. Die meisten Leistungen sind gesetzlich geregelt und werden von allen Kassen gleich erstattet. Allerdings gibt es  bei einigen Leistungen einen Auslegungsspielraum. So ist es von Kasse zu Kasse verschieden, ob zum Beispiel Osteopathie, Zahnreinigung oder bestimmte Impfungen, die nicht von der STIKO empfohlen werden, übernommen werden.

Normale Kontrolluntersuchungen zur Erkennung von Krankheiten gehören ebenso selbstverständlich zu den Leistungen der Krankenkassen wie Standardimpfungen. Auch die Therapie von Krankheiten, die Behandlung von Unfällen und die anschließende Nachsorge sowie Zahnbehandlungen sind inklusive.

Zusatzbeitrag: Diese Kassen erhöhten bereits

Krankenkasse

Aktuelle Beitragserhöhung 2024

Bertelsmann BKK

2,50 % 7

BKK Diakonie

2,69 % 1

BKK Dürkoppadler

2,55 % 2

BKK Euregio

1,79 % 3

BKK24

3,25 % 8

BKK Gildemeister Seidensticker

1,99 % 4

BKK mkk – meine krankenkasse

2,50 % 5

BKK Pfalz

2,38 % 1

BKK Pfaff

1,80 % 1

BKK Scheufelen

2,75 % 7

BKK Textilgruppe Hof

2,80 % 1

BKK Verbundplus

1,55 % 5

BKK Wirtschaft & Finanzen

2,99 % 2

BKK ZF & Partner

2,10 % 3

Continentale BKK

2,20 % 1

Heimat Kran­ken­kas­se

2,50 % 7

IKK – die Innovationskasse

2,30 % 1

IKK classic

2,19 % 5

IKK gesund plus

2,39 % 7

Knappschaft

2,70 % 5

KKH

3,28 % 5

Mhplus BKK

2,56 % 7

Pronova BKK

2,40 % 5

Viactiv

1,99 % 6

Vivida BKK

2,49 % 1

1 seit 1.7.2024, 2 seit 1.9.2024, 3 seit 1.6.2024, 4 seit 1.5.2024, 5 seit 1.8.2024, 6 seit 1.4.2024, 7 seit 1.10.2024, 8 seit 1.10.2024, hat bereits zum 1.7.2024 auf 2,55 % erhöht,

Quelle: Finanztip-Recherche, gkv-spitzenverband.de/service/krankenkassenliste/krankenkassen.jsp

Kündigungsfristen und Sonderkündigungsrecht bei Beitragserhöhungen

Die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung kann inzwischen problemlos mit einer Frist von zwei Monaten zum Monatsende gekündigt werden. Allerdings muss, wer kündigen will, mindestens zwölf Monate in der alten Krankenkasse Mitglied gewesen sein. Bei einem Arbeitsplatzwechsel entfällt diese Frist.

Ausnahme: Auch wenn die Krankenkasse ihre Beiträge erhöht, haben Versicherte eine Sonderkündigungsfrist. Verlangt eine Krankenkasse ab Januar 2025 einen höheren Beitrag, können Mitglieder bis Ende des Monats kündigen, in dem der neue Zusatzbeitrag erstmals fällig wird – in diesem Fall bis Ende Januar. Der Wechselzeitraum beträgt jeweils zwei Monate zum Monatsende. Kündigen Versicherte also bis Ende Januar, sind sie erst ab 1. April 2025 Mitglied bei der neuen Krankenkasse. Bis dahin müssen sie denn auch den höheren Zusatzbeitrag ihrer bisherigen Krankenkasse zahlen. Eine zügige Kündigung nach der Bekanntgabe von Beitragserhöhungen macht also Sinn.

Wer dagegen schon ein Jahr oder länger bei seiner Kasse Mitglied ist, kann jederzeit die Krankenkasse wechseln. Auch hier gilt: Der Wechselzeitraum beträgt zwei Monate zum Monatsende.

Ablauf und Voraussetzungen für einen Krankenkassenwechsel

Der Wechsel ist recht einfach: Interessierte müssen lediglich der neuen Krankenkasse mitteilen, dass sie Mitglied werden wollen, beispielsweise über Onlineanträge auf der Website der Kasse. Die neue Versicherung kündigt dann bei der alten, ein extra Schreiben ist nicht nötig. Einschränkung: Versicherte können immer nur in jene Krankenversicherungen wechseln, die in den Bundesländern geöffnet sind, in denen die Versicherten wohnen oder arbeiten. Allerdings sind die meisten Krankenkassen bundesweit geöffnet, die Auswahl ist also trotzdem groß. Denn: Auch wenn man älter oder krank ist, dürfen gesetzliche Krankenversicherungen Interessierte nicht ablehnen.

Die neue Krankenkasse wird anschließend prüfen, ob alle Voraussetzungen für den Wechsel erfüllt sind, und sich mit der bisherigen Versicherung in Verbindung setzen. Wenn der Wechsel möglich ist, erfahren Bewerber es von der neuen Kasse. Im Anschluss müssen nur noch eventuelle Arbeitgeber über den Wechsel informiert werden.

Allerdings kann es bei bestimmten Leistungen nach dem Wechsel Änderungen geben. So kann es sein, dass Hilfsmittel, die man von der alten Krankenkasse leihweise erhalten hat, zurückgegeben werden müssen. Von der neuen Versicherung gibt es dann gleichwertigen Ersatz. Das bezieht sich beispielsweise auf Rollstühle. Ähnliches kann für Medikamente gelten: Viele Kassen haben Rabattverträge mit bestimmten Herstellern. Daher kann man anders aussehende Medikamente erhalten – die Inhaltsstoffe und deren Wirkung wären aber selbstverständlich identisch.

Leistungen, die genehmigt werden müssen, können ebenfalls der neuen Kasse mitgeteilt werden. Wer beispielsweise einen Rehasport-Kurs absolviert oder eine Psychotherapie, kann diese meistens fortsetzen: Die Krankenkasse muss Bescheid wissen, wird die Weiterführung jedoch nicht ablehnen. Anders sieht es aus, wenn die Behandlung noch nicht angefangen wurde. Dann muss der Antrag bei der neuen Krankenversicherung komplett neu gestellt werden.

Vorbereitung und Informationsquellen für einen Wechsel

Welche Krankenkasse die beste ist, ist eine sehr individuelle Entscheidung und hängt unter anderem von gewünschten Zusatzleistungen ab. Wer dagegen Wert legt auf schnelle Erreichbarkeit, sollte Kassen wählen, die im Bundesland mit Beratungsstellen vertreten sind. Hier gibt es weiterführende Infos.

Lohnt sich ein Wechsel in die Private Krankenversicherung?

Höhere Beiträge

Lohnt jetzt ein Wechsel in eine private Krankenversicherung (PKV)? Auch viele PKV-Anbieter erhöhen zum 1.Januar 2025 deutlich ihre Beiträge. Ungefähr zwei Drittel der etwa 8,7 Millionen Vollversicherten werden davon betroffen sein, informiert der PKV-Verband. Die Prämien sollen im Schnitt um 18 Prozent steigen.

Kosten

Auch die PKV begründet die Beitragserhöhung mit den stark gestiegenen Ausgaben für Leistungen. Insbesondere die Krankenhauskosten, getrieben von höheren Pflegepersonalkosten, und die Arzneimittelausgaben stiegen in der jüngeren Vergangenheit bis heute deutlich, heißt es in einer Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der PKV.

Langzeitvergleich

Auch wenn diese Steigerung eklatant ist, seien die Beiträge im Vergleich immer noch weniger stark gestiegen  als in der GKV, erklärt der PKV-Verband. So legte die Prämienbelastung je PKV-Versichertem im Zeitraum 2015 bis 2025 im Schnitt  um 4,0Prozent pro Jahr zu. Bei den GKV-Versicherten waren es rund 4,5 Prozent.

Überlegung

Doch ein Übergang in die PKV sollte gut überlegt sein. Wechseln sollte nur, wer die Kosten langfristig tragen kann.  Eine Rückkehr in die GKV ist, insbesondere ab einem bestimmten Alter, nicht ohne Weiteres möglich.

Berufsgruppen

Privat versichern dürfen sich Selbstständige und Studierende, Beamte und Angestellte mit einem bestimmten Jahreseinkommen. Dieser Satz liegt 2024 bei 69300Euro Jahreseinkommen, 2025 wird die sogenannte Jahresarbeitsentgeltgrenze auf 73800 Euro steigen. Damit steigt die Versicherungspflichtgrenze 2025 um 6,5 Prozent, im Vorjahr betrug die Anhebung 4,1 Prozent. Grund: Der Bund passt die Sozialversicherungsrechengrößen jeweils jährlich an die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter in Deutschland an, und die sind im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.

Leistungsumfang

Als Hauptargument für die PKV werden immer wieder besserer und schnellerer Zugang zu medizinischen Leistungen genannt. Doch wer die will, greift meist tief in die Tasche. Und: Im Rentenalter, wenn die Rente nicht mehr steigt, steht man trotz- dem mit gleichbleibenden Beiträgen da. Der durchschnittliche Beitrag zur PKV lag 2023 für Erwachsene ohne Beihilfeanspruch bei 535 Euro im Monat.